Die verschiedenen Empfehlungen zur Kariesprophylaxe im Säuglings- und Vorschulalter sind seit jeher ein Streitthema zwischen Kinder- und ZahnärztInnen, grundsätzlich ging es stets darum, ob eine Tablettengabe zur Unterstützung der Fluoridierung der Zähne notwendig sei (Empfehlung der KinderärztInnen) oder die Gabe von geputztem Fluorid über die Zahnpasta ausreicht (Empfehlung der ZahnärztInnen). Die letzte Empfehlung liegt nun sechzehn Jahre zurück, eine Überarbeitung acht Jahre.
Empfehlungen dieser Art haben zum Rückgang der Karies bei Kinder und Jugendlichen geführt, keine Frage, dennoch zeigen weiterhin 15% der Dreijährigen drei bis vier von Karies befallene Zähne, wenn nicht mehr. Eine Verstärkung der empfohlenen Maßnahmen sollte her, zudem ein Zurückkehren zu einer Konsensusempfehlung von Kinder- und Zahnärzten, denn verschiedene Empfehlungen führen zu Verwirrung und damit Nichtbefolgen durch die verantwortlichen Eltern.
Bevor grundsätzlich Bedenken hinsichtlich der Toxizität von Fluoridgaben aufkommen: Ein aktuelle Review fand keine Evidenz für dieses Risiko, so lange die so genannten „tolerable upper intake level“ (UL) nicht überschritten werden – beispielsweise, wenn Fluortabletten gegeben werden und zusätzlich die Zähne mit fluoridhaltiger Zahnpasta geputzt werden.
Hier nun die neuen gemeinsamen Empfehlungen:
Erstes Lebensjahr (also bis zum 1. Geburtstag)
— bis zum ersten Zahn:
Gabe von 0,25mg Fluorid + 400-500 I.E. Vit D, ab der 2. Lebenswoche (z. B. D-Fluoretten oder Zymafluor)
— ab dem ersten Zahn gibt es zwei Möglichkeiten (Nicht kombinieren!):
- wie oben, zusätzlich Zähneputzen 2 x tgl. nur mit Wasser oder mit fluoridfreier Zahnpasta
- Weitergabe von Vitamin D ohne Fluorid (also z. B. Vigantol), zusätzlich Zähneputzen 2 x tgl. mit 125 mg fluoridhaltiger Zahnpasta (mit 1000 ppm Fluorid = „Kinderzahnpasta“ = entspricht der Menge eines Reiskorns)
Zweites Lebensjahr (also 1. bis 2. Geburtstag)
Zähneputzen 2 x tgl. mit 125 mg fluoridhaltiger Zahnpasta (mit 1000 ppm Fluorid = „Kinderzahnpasta“ = entspricht der Menge eines Reiskorns)
Drittes bis sechstes Lebensjahr (also 2. bis 6. Geburtstag)
Zähneputzen 2 x tgl. mit 250 mg fluoridhaltiger Zahnpasta (mit 1000 ppm Fluorid = „Kinderzahnpasta“ = entspricht der Menge einer Erbse, ein drittes Mal Putzen in der Kita ist in Ordnung
Dies bedeutet also: Keine Gabe von Vitamin D jenseits des 1. Geburtstag (bei ausreichender Sonneneinstrahlung und gesunder Mischkost); Fluoridgabe bis zum ersten Zahndurchbruch über Tablettengabe, ab dem ersten Zahn bis zum ersten Geburtstag entweder mit einer Tablette oder mittels Zahnpasta. Ab dem ersten Geburtstag wird nur noch geputzt.
Zusätzliches:
- Zähneputzen soll Spaß machen, also kein Zwang beim Zähneputzen
- Eltern bestimmen die Zahnpastamenge, außerdem soll geschmacksneutrale Zahnpasta verwandt werden, um Überdosierung zu vermeiden
- Zusätzlich soll fluoridiertes Speisesalz benutzt werden
- Kinder dürfen ihre Zähne selbst putzen, „Nachputzen“ sollte bis ca. 2./3. Klasse beibehalten werden
- Zähneputzen dient nicht der Entfernung von Nahrungsresten, sondern der Entfernung von Plaques/Zahnbelag – daher wird das Putzen direkt nach dem Essen nicht empfohlen, da hier der Zahnschmelz bei absinkendem pH-Wert weniger stabil ist
- Man informiere sich über den Fluoridgehalt im heimischen Trinkwasser (liegt er über 0,7 mg/l, sollte kein fluoridiertes Speisesalz verwendet werden, dies ist aber in Deutschland sehr selten)
- Fluoridgehalt von Zahnpasten, Achtung: „Babyzahnpasta“: 500 ppm (zu wenig), „Kinderzahnpasta“ 1000 ppm, „Erwachsenenzahnpasta“ 1400 ppm
Literatur:
Netzwerk Gesund ins Leben: Kariesprävention im Säuglings- und frühen Kindesalter. Monatsschrift Kinderheilkunde 2021; 169: im Druck
Dr. Burkhard Lawrenz: Der Präventionsausschuss informiert: Neue Handlungsempfehlungen vom „Netzwerk Gesund ins Leben“ zur Kariesprophylaxe in den ersten sechs Lebensjahren – Kompro- miss zwischen Zahnärzten und Pädiatern, Kinder- und Jugendarzt 2021, Nr 5/21 Seite 301-302.
Text erschien ursprünglich hier
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