Der IPCC-Bericht zeichnet ein beängstigendes Bild unserer Welt. Trotzdem halten manche Länder wie China und Australien an ihrer bisherigen Klimapolitik fest. Vor allem die Haltung Australiens überrascht, denn kaum ein Land der Welt wird vom Klimawandel so hart getroffen wie der fünfte Kontinent. Der australische Klimarat fürchtet, dass die Regierung das Land damit vom Rest der Welt isoliert.

Wer verstehen will, warum Australien sich nach wie vor nicht von der Kohle lösen oder auf ein Nullemissionsziel festlegen will, muss die Zeit zurückdrehen – ins Jahr 2013. Damals kam der erzkonservative Tony Abbott an die Macht. Innerhalb von nur 24 Stunden setzte seine Partei ein deutliches Zeichen für die Klimawissenschaftler des Landes. Der neue Umweltminister Greg Hunt rief kurz nach seiner Vereidigung den Chef der Klimakommission an – um ihn zu feuern. Auch sämtliche andere Klimakonzepte der Vorgängerregierung stoppte Abbott, einschließlich der CO2-Steuer für Unternehmen.

Auch der heutige Premierminister Scott Morrison ist kein Freund der Klimabewegung. Legendär ist, wie er 2017 ein Stück Kohle ins Parlament brachte, um die Energiepolitik der sozialdemokratischen Opposition mit den Worten zu verhöhnen: „Das ist Kohle, haben Sie keine Angst.“ Vor diesem Hintergrund lässt sich auch die Reaktion Morrisons auf den alarmierenden Weltklimabericht diese Woche einordnen. So weigerte sich der Liberalkonservative trotz der bisher schärfsten Warnung der Wissenschaft weiterhin, ein Nullemissionsziel bis 2050 für sein Land zu setzen. Er werde „keinen Blankoscheck im Namen der Australier unterschreiben für Ziele ohne Plan“, sagte er. Stattdessen will er ganz auf den „technologischen Durchbruch“ setzen, der die Welt in seinen Augen retten und in eine Zukunft der Niedrigemissionen katapultieren soll.

Australien als „globaler Nachzügler“

Forscher allerdings reagierten mit Entsetzen auf die schwache Reaktion des Regierungschefs. Damit habe sich Australien „einen Namen als globaler Nachzügler“ gemacht, schrieb beispielsweise Mark Kenny vom Australian Studies Institute der Australischen Nationaluniversität in Canberra. Das Land stelle sich mit anderen „Verweigerern“ auf eine Stufe – autoritäre Staaten wie Russland, China und Saudi-Arabien.

Auch der australische Klimarat warnte, dass „Australien nicht mehr mit dem Rest der Welt Schritt halten“ könne. „Weltweit verpflichten sich unsere strategischen Verbündeten und Handelspartner zu bedeutenden Zielen zur Reduzierung der Umweltverschmutzung bis 2030“, schrieben die Forscher in einer Erklärung. So wollen die USA die Emissionen bis 2030 halbieren, Japan hat seine Verpflichtung für den gleichen Zeitrahmen auf 46 Prozent erhöht und Kanada, ein bedeutender Exporteur fossiler Brennstoffe wie Australien, will um 40 bis 45 Prozent reduzieren. Die Europäische Union hat sich sogar zu einer Reduzierung um 55 Prozent bis 2030 verpflichtet. Australien dagegen verharrt nach wie vor auf dem schwachen Emissionsziel, seine Treibhausgase bis 2030 um 26 bis 28 Prozent unter das Niveau von 2005 zu senken.

Foto von Phillip Flores / Unsplash

Pazifikregion – Testlabor des Klimawandels

Dabei reißt die menschgemachte Erwärmung in der Pazifikregion schon heute besonders tiefe Wunden. Einige Staaten in Australiens Hinterhof wie Tuvalu, die Marshallinseln oder Kiribati sind dem Untergang geweiht, wenn der Meeresspiegel weiter ansteigt. Auch große Teile Australiens litten in den vergangenen Jahren unter Katastrophen, für die der Klimawandel den Nährboden schaffte: Extreme Dürren, Hitzewellen, Buschfeuer, Wirbelstürme, Überschwemmungen und Küstenerosion. Besonders leidet auch das Great Barrier Reef, das größte Korallenriffsystem und die größte lebende Struktur der Welt, unter der Erwärmung. Allein in den vergangenen fünf Jahren machte das Riff drei schwere Bleichen durch – 2016, 2017 und 2020. Im Oktober kam eine Studie zu dem Schluss, dass in den vergangenen 20 Jahren etwa die Hälfte der Korallen abgestorben ist. „Die wissenschaftlichen Beweise sind überwältigend – das Great Barrier Reef ist aufgrund der globalen Erwärmung und der Küstenverschmutzung in Gefahr“, ist das Fazit von Terry Hughes, Australiens bekanntestem Korallenforscher. Doch nicht einmal im Fall des Riffs, das auch ein wichtiger Wirtschaftsfaktor für das Land ist, wollte die australische Regierung die Gefahr des Klimawandels in letzter Instanz anerkennen.

Denn eigentlich hatte das Welterbekomitee der Unesco das Riff im Juli genau deswegen als gefährdet einstufen wollte. Doch um diese vermeintliche „Blamage“ zu vermeiden, rührte Canberra kräftig die Werbetrommel. Die australische Umweltministerin Sussan Ley klapperte innerhalb von nur acht Tagen Entscheider in Ungarn, Frankreich, Spanien, Bosnien und Herzegowina, Oman und den Malediven ab. Insgesamt traf sie Botschafter aus 18 Ländern persönlich oder virtuell. Zusätzlich dazu ludt die australische Regierung internationale Diplomaten in Canberra zum Schnorcheltrip ans Great Barrier Reef ein. Die Lobbying-Arbeit der Regierung machte sich bezahlt, das Great Barrier Reef wurde nicht auf die sogenannte Rote Liste gesetzt und die Gefahr des Klimawandels damit erneut nicht offiziell anerkannt.

The bulk freighter, Federal Beaufort, leaves the St. Clair River and heads out into Lake Huron.
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„Gas ist das Problem und nicht die Lösung“

Dass die australische Regierung eine „Gefährdung wegen des Klimawandels“, die die Unesco eigentlich im Sinn hatte, nicht anerkennen wollte, hat natürlich auch damit zu tun, dass das Land selbst eine der höchsten CO2-Emissionsraten pro Kopf hat und – nach Saudi-Arabien und Russland – zu den größten Exporteuren fossiler Brennstoffe – gehört. 2020 gingen die CO2-Emissionen des Landes zwar um fünf Prozent zurück – sie schrumpften um 26 Millionen Tonnen auf 499 Millionen Tonnen, doch dies ist neben einem Wachstum der Wind- und Solarenergie und einer verbesserten Kohlendioxidabscheidung bei einem der großen Erdgasprojekte hauptsächlich den Lockdowns während der Pandemie zu verdanken.

Dabei ist Australiens Potenzial groß: Das Land ist ein „Powerhouse“ der regenerativen Energiequellen – mit Sonnen-, Wind-, Gezeiten, Wellen- und geothermischer Energie. Südaustralien beispielsweise deckt schon heute 60 Prozent seines Strombedarfs aus Wind und Sonne ab. Bis 2030 sollen die 100 Prozent erreicht werden. Doch auf Bundesebene setzt man derzeit anstatt auf erneuerbare Energien auf Gas. Dieses soll die „Übergangsenergie“ für eine emissionsärmere Zukunft sein – ein fossiler Brennstoff, um von den fossilen Brennstoffen Abschied zu nehmen. Bei Gasfeldern treten jedoch erhebliche Mengen des Treibhausgases Methan aus. Laut IPCC beispielsweise sind die atmosphärischen Methankonzentrationen seit 1750 um 156 Prozent gestiegen, verglichen mit einem Anstieg des Kohlendioxids um 47 Prozent.

Kirsty Howey, Co-Direktorin des Environment Center Northern Territory, sagte, der Bericht mache deutlich, dass beispielsweise die Entwicklung des riesigen Beetaloo-Beckens im Norden Australiens und das Offshore-Gasfeld Barossa eine „Kamikaze-Mission“ seien und gestoppt werden müssten. „Es ist fahrlässig zu behaupten, dass Gas ein Teil der Lösung für die globale Erwärmung ist“, sagte die Umweltschützerin. Gas sei das Problem und nicht die Lösung. Auch der Klimarat hält Australiens bisherige Klimapolitik für unzureichend. Werden nicht härtere Maßnahmen ergriffen, so wird das Land die Treibhausneutralität laut der Forscher erst 2170 erreichen und sich damit weltweit ins Abseits rücken. „Wenn die Regierung nicht entschlossen handelt, werden wir für unsere Untätigkeit zurückgelassen oder, schlimmer noch, bestraft und weltweit isoliert“, so die Forscher.

Barbara Barkhausen

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