Bewohner der australischen Torres-Strait-Inseln haben eine Sammelklage gegen die australische Regierung eingereicht. Die Inselbewohner argumentieren, dass die Regierung dabei versagt, die Zerstörung ihrer Gemeinden durch den Klimawandel zu verhindern. Sie fordern, dass das Land die Emissionen bis 2030 um 74 Prozent senkt, um die Inseln vor dem steigenden Meeresspiegel zu bewahren.
Es ist die erste Klimasammelklage der australischen Ureinwohner gegen ihre eigene Regierung. In der Klage, die am Dienstag bei einem australischen Gericht eingereicht wurde, argumentieren sie, dass die Regierung in Canberra rechtlich zum Schutz der Gemeinden vor den Auswirkungen des Klimawandels verpflichtet ist.
„Unsere Vorfahren leben seit mehr als 65.000 Jahren auf diesen Inseln“, sagte Paul Kabai, einer der Kläger. Der Bewohner der Torres-Strait-Inseln, einer Gruppe von über 100 Inseln zwischen der Kap-York-Halbinsel an der Spitze Australiens und der Küste Papua-Neuguineas, erlebt seit Jahren, wie der steigende Meeresspiegel, extreme Wetterereignisse und Küstenerosion seine Heimat und die Lebensweise der indigenen Gemeinden bedroht.
In der Meerenge steigt der Meeresspiegel laut der Torres Strait Regional Authority (TSRA) doppelt so schnell an wie im weltweiten Durchschnitt. Hält dieser Trend an, drohen die Inseln zu überfluten. Sollte dies passieren, dann würden auch die Böden durch das Salz des Meerwassers ruiniert, wie Kabai sagte. Die indigenen Gemeinden wären gezwungen, die Inseln über kurz oder lang zu verlassen.
„Das Riff sieht aus wie eine Wüste“
Schon 2008 schilderte eine Fallstudie die Auswirkungen des Klimawandels auf nistende Schildkröten, die Vogelwelt und das Seegras in der Region. Über die Bewohner der Insel hieß es in der damaligen Studie: „Sie fühlen, dass ihr Leben physisch wie kulturell gefährdet ist.“ Über zehn Jahre später ist die Situation nochmal dramatischer: So berichtete der Inselbewohner Yessie Mosby in einem Interview mit dem australischen Sender ABC im vergangenen Jahr beispielsweise, wie der Klimawandel seine Insel – Masig Island – zu einem zunehmend trostlosen Ort gemacht hat. Beispielsweise ist der Brunnen der Insel durch eingedrungenes Meerwasser salzig geworden, die Korallen vor der Insel sind abgestorben. „Das Riff sieht aus wie eine Wüste“, sagte Mosby damals. Auf anderen Inseln ist die Lage ähnlich: Auf Poruma Island, eine etwa kleinere und schmalere Insel, ist bereits eine Plantage mit 250 Kokospalmen ins Meer gespült worden. Eine Straße und Gebäude auf der Westseite der Insel sind ebenfalls gefährdet.
Wissenschaftliche Modelle deuten darauf hin, dass einige der tief liegenden Inseln innerhalb von Jahrzehnten sogar völlig unbewohnbar werden könnten, sollten die globalen Temperaturen weiter ansteigen. „In diesem Fall werden wir in unserem eigenen Land Klima-Flüchtlinge werden“, sagte Kabay Tamu, ein weiterer Inselbewohner von der Insel Warraber. „Wenn ich nur daran denke, kommen mir manchmal Tränen in die Augen.“ Bereits 2019 haben Tamu und Mosby deswegen gemeinsam mit sieben anderen Inselbewohnern eine Beschwerde beim UN-Menschenrechtsausschuss in Genf eingereicht. In der Petition werfen die Insulaner der australischen Regierung vor, ihre Menschenrechte verletzt zu haben, indem sie nicht ausreichend gegen den Klimawandel vorgeht. Die Entscheidung der UN zu diesem Fall steht jedoch noch aus.
Zwei Erfolge machen Mut
Die aktuelle Klage in Australien wird nun vom Grata Fund, einem Fonds, der Gerichtsverfahren von öffentlichem Interesse finanziert, geleitet. Sie wird nach dem Vorbild des niederländischen Urgenda-Klimafalls gestaltet, der auch schon in anderen Ländern Klimaprozesse inspiriert hat. Bei dem Urgenda-Fall aus dem Jahr 2019 hatte ein Gericht in den Niederlanden die Regierung des Landes zu mehr Klimaschutz verpflichtet. Die Richter kamen damals zu dem Urteil, dass Treibhausgase schneller reduziert werden müssten. „Als wir unseren Rechtsstreit in den Niederlanden begannen, war man der Ansicht, dass ein Fall wie dieser unmöglich sei und keine Aussicht auf Erfolg habe“, sagte Dennis Van Berkel, Rechtsbeistand der Urgenda-Stiftung. „Stattdessen gewannen wir, was die Regierung dazu veranlasste, ein umfassendes Maßnahmenpaket zur Emissionsreduzierung zu verabschieden, das unter anderem die Schließung von Kohlekraftwerken vorsieht.“ Deswegen sei er optimistisch, dass das Gleiche in Australien erreicht werden könne.
Mut macht den Klägern auch, dass in Australien im Mai schon einmal ein bedeutendes Urteil im Kampf gegen den Klimawandel fiel. Damals machte ein australisches Bundesgericht deutlich, dass die Regierung des Landes jungen Menschen keinen Schaden zufügen darf, indem sie den Klimawandel durch die Genehmigung von Kohleminen verschärft. Die historisch bedeutsamen Aussagen fielen im Rahmen einer Klage, die acht Teenager und eine 86-jährige Klimaschützerin und Nonne eingereicht hatten, um eine Genehmigung für die Erweiterung einer Kohlemine zu verhindern.
Australiens Kohle-Engagement
Trotz dieser „Ermahnung“ macht die australische Regierung bisher aber wenig Anstalten, ihre Pro-Kohle-Haltung zu verändern. Erst vor Kurzem hat Australiens Umweltministerin Sussan Ley grünes Licht für den Ausbau von drei Kohleminen gegeben. Immerhin reist Australiens Premierminister Scott Morrison nach anfänglichem Zögern nun aber doch zum UN-Klimagipfel im schottischen Glasgow. Am Dienstag verkündete Morrison zudem ein Nullemissionsziel bis 2050. Allerdings will er am mittelfristigen und wenig ehrgeizigen Ziel – die Treibhausgase bis 2030 um 26 bis 28 Prozent unter das Niveau von 2005 zu senken – nichts verändern.
Letzteres wäre aber für die Bewohner der Torres-Straße lebenswichtig, wie Isabelle Reinecke vom Grata Fund betonte. „Netto-Null bis 2050 wird nicht ausreichen, um eine Katastrophe in der Torres-Straße zu verhindern“, sagte sie. Klimawissenschaftler hätten berechnet, dass Australien seine Treibhausgasemissionen bereits bis 2030 um 74 Prozent unter das Niveau von 2005 senken und bereits 2035 klimaneutral werden müsste, um die Inseln zu retten.
Die Fotos zum Artikel wurden vom Global Strategic Communications Council (GSCC) zur Verfügung gestellt.
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