Das Porzellan ist zerschlagen. Es wurde von einem einsamen, in sich gefangenem Akteur an die Wand geschmettert. Die geschockten Zuschauer, Schauspieler und Dramaturgen zertraten die Scherben, angesichts der Gräuel und der Opfer. Die Souffleure flüstern ihre Beschwörungsformeln. Das Theater ist ein Tollhaus.

Vielleicht wäre noch etwas zu kitten gewesen, die Show hätte ein Happy End gefunden, doch nun liegt der Frieden im zertretenen Staub. Die Geschichte wird vergessen. Einfach abgehakt, für obsolet erklärt. Der Blick sieht nur noch die Bühne und das in Flammen stehende Bühnenbild. Das Drehbuch der totalen Entropie sieht es vor. Die Story wird vom hilflosen Regisseur planlos und in Echtzeit wild umgeschrieben und angepasst. Der nächste Akt. Im Staub liegt der Mensch. Wurde wieder zum Tier. Mit Füßen getreten. Hat die Flügel verloren. Träumt nicht mehr. Stellt keine Fragen mehr. Die Taube ist tot. Der Mensch erkennt sich nicht mehr.

Die Krähen sitzen auf den Leichenbergen, den Trümmern der Städte, den kahlen Äckern, den pulverisierten Träumen, den zerstobenen Hoffnungen, den zerissenen Familien. Die Falken sitzen auf den Geschütztürmen.

Alles Menschliche liegt in Schutt und Asche.

Kann aus dieser Asche noch eine Friedenstaube aufsteigen? Wiedergeboren werden? Statt des Phönix aus der Asche? Wie können wir den Frieden finden? Oder findet er uns erst, wenn alle Hoffnung den tausendsten Tod gestorben ist?

Der Gedanke des Pazifismus, der Glaube an den Frieden, wird nun geächtet, er scheint vergangen. Wird als Schimpfwort mißbraucht. Der Pazifismus gilt als überkommen. Als hässlicher alter Zopf. Wird lieblos und ohne Zögern abgeschnitten. Den Ratten zum Fraße.

Die Angst vor einem 3.Weltkrieg wird von den Hyänen dieser Gesellschaft abgetan. Für die Säbelrassler und Härtezeiger ist sie pure Feigheit. Die Angst wird gebrandmarkt als unsolidarisches Wegsehen, als fehlendes Mitleid mit den Opfern menschlicher Gewalt. Die Angst stinkt. Wie kleffende Hunde beißt die wütende Meute das scheue Infragestellen weg.

Die Geier kreisen über der Empathie und dem verwesenden Körper der Wohlstandsgesellschaft, nach der verkündeten Zeitenwende.

Mir fehlen die Worte, all das Geschehene adäquat zu beschreiben. Kann das schwerlich bloß verdauen. Kann es nur ausspeien. Mir bleibt die Luft weg, wenn ich sehe, wie die Menschen reagieren, agieren, agitieren. Wie sie mit der Situation umgehen, die Augen schließen, die Ohren verstopfen, die Herzen verkümmern. Wie Menschen einander nicht mehr zuhören, sich verurteilen.

Unversöhnlich. Hart. Nur auf Stärke zeigen liegt der Fokus. Nie habe ich in meinem Leben soviel Hass wahrgenommen. Nie habe ich so viele Menschen sich so schnell verändern, radikalisieren gesehen.

Diese Stärke ist die Schwäche. Die gezeigte Stärke ist des Menschen größte Schwäche.

Es ist nicht meine Aufgabe, es steht mir nicht zu, die Schuldigen zu bennenen, sie zu verurteilen, sie zu bestrafen.

Auch wenn Sie für die Opfer klar erkennbar sind und die Täter offen sichtbar zu sein scheinen. Die Opfer mögen von mir erwarten, in ihrem Sinne solidarischer Richter zu sein, eigene Opfer zu bringen und in ihrem Sinne zu urteilen. Das kann ich nicht. Das will ich nicht.

Ich breche meinen Stab nicht. Der Krückstock der Moral ist mir zu morsch.

Das ist nicht mein Krieg. Jedoch wurde er längst zu meinem Krieg gemacht, zu unser aller Krieg. Wir wurden nicht gefragt und wir werden auch nicht gefragt. Wer nicht mitmachen will, wer sich kritisch äußert, wer Fragen stellt, der wird diffamiert und multimedial erschossen.

Ich habe keine Lösungen. Das wäre zu anmaßend. Ich darf ja kaum noch denken, Gefahr laufend, alleine dafür schon verurteilt zu werden. Erdreiste mich aber weiterhin, Fragen zu stellen. Frage nach den nicht gestellten Fragen. Poche darauf.

Ich vermisse die Fragen schmerzlich. Höre nur Forderungen. Erkenne keine Ziele. Sehe nicht den Weg, der zum Frieden führen könnte. Es fehlen mir die Angebote. Die Hilfestellungen zur Gesichtswahrung, die es einem Verhandlungspartner möglich machen könnten, in den Spiegel und in die Augen seiner unschuldigen Opfer zu schauen.

Kann ein Täter denn noch in den Spiegel schauen, den man ihm vorhalten will, wenn man ihm die Augen ausgestochen hat? Kann der Geblendete noch sehen? Kann der Gehörlose noch verstehen?

Es sind die Fragen, die gestellt und gehört werden müssen, bevor etwas, das bleibt, entsteht.

Mehr wüsste ich nicht zu vermitteln.

Dir gefällt, was Richard Feuerbach schreibt?

Dann unterstütze Richard Feuerbach jetzt direkt: