Geschichte Der 30-jährige Krieg und was sich daraus über die aktuellen Konflikte in der Ukraine und Taiwan lernen lässt. Gedanken nach einer Lektüre der Bücher von Friedrich Schiller und Herfried Münkler.

Die Geschichte des 30-jährigen Krieges ist kompliziert. Je mehr man sich damit beschäftigt, desto unübersichtlicher wird das Bild. Je genauer man auf die zahlreichen Königreiche, Fürstentümer, Pfalzen und Städte blickt, desto verschlungener und verknoteter werden die politischen und konfessionellen Zusammenhänge. Als sei das noch nicht genug der Verwirrung, kommt schließlich noch der menschliche Faktor ins Spiel. All die Männer und Frauen in Macht und Einfluss, mit ihren Stärken und Schwächen, Ambitionen und Träumen, Irrtümern und Illusionen, sorgten dafür, dass diese Welt in Unordnung vollends für Jahrzehnte ins Chaos stürzte.

Tritt man jedoch heraus auf eine überhistorische Perspektive, zeichnet sich hinter diesem Krieg gleichzeitig eine simple Tektonik ab - die im Grunde alle epochalen Kriege der Geschichte bestimmt: eine alte Weltmacht steigt ab und eine neue Weltmacht steigt auf. Schon der griechische Historiker Thukydides hatte die Exemplarität dieser historischen Momente im Hinblick auf den Peloponnesischen Krieg, in dem Sparta Athen als Hegemon in Griechenland ablöste, beschrieben. Am Ende des 30-jährgen Krieges hatte die dominierende Weltmacht des 16. Jahrhunderts, Spanien mit seinen Wiener habsburgischen Verbündeten, seine hegemoniale Rolle verloren und Frankreich hat mit dem Sonnenkönig Ludwig XIV., der 1654 zum König gekrönt wird, seinen grandiosen Auftritt auf der Weltbühne.

Auch der letzte große Krieg, der 1945 endete, markierte unter diesen tektonischen Vorzeichen den Abstieg Europas und den Aufstieg der Vereinigten Staaten. Und es braucht nicht viel Fantasie zu erkennen, dass sich in den aktuellen Konflikten in der Ukraine und Taiwan, die von den USA aus gesehen die östlich atlantische und westlich pazifische Flanke ihres Einflussbereichs markieren, der Abstieg Amerikas ankündigt. Denn immer entzünden sich solche Konflikte an den Peripherien. Auch für Spanien begann das Unglück an den Rändern ihres Einflussbereichs in Böhmen und den Niederlanden.

Mit einem nüchternen historischen Blick ist daher wohl unvermeidlich, dass die USA, und mit ihr auch seine Verbündeten in Europa und Asien, diesen Konflikt als Verlierer verlassen werden - einfach weil das der Lauf der Geschichte ist. Ob über kurz oder lang ist allerdings völlig offen. Auch im 30-jährigen Krieg sah es immer wieder so aus, als ob Spanien und der deutsche Kaiser auf der Gewinnerseite stünden, bevor am Ende doch das unvermeidliche geschah.

Auch ist der Abstieg am Ende gar nicht so schlimm. Alle ehemaligen Hegemonen, so eben auch die Habsburger nach 1648 oder Europa nach 1945, blieben wohlhabende und einflussreiche Mächte. Es ist vor allem die narzisstische Kränkung, die es Großmächten so schwer macht, den Abstieg zu akzeptieren. Denn das Gefühl des Auserwähltseins manifestiert sich auch im kollektiven Bewusstsein, im heutigen Amerika etwa in Formeln wie „god’s own country“ oder „american exceptionalism“. Donald Trumps Wahlkampfslogan „Make America great again“ verriet bereits eine Vorahnung des eigenen Abstiegs und appellierte gleichzeitig an eben jene narzisstischen Impulse.

Konfessionskrieg?

Friedrich Schiller eröffnet seine „Geschichte des 30-jährigen Krieges“ mit der Bemerkung: „seit dem Anfang des Religionskriegs in Deutschland bis zum Münsterischen Frieden ist in der politischen Welt Europens kaum etwas Großes und Merkwürdiges geschehen, woran die Reformation nicht den vornehmsten Antheil gehabt hätte.“

In der Tat gibt es keinen Zweifel, dass der Religionskonflikt zwischen Katholiken und Protestanten der Treibstoff war, der den Krieg in Bewegung gesetzt hat und immer weiter am Laufen hielt. Insbesondere für die ideologische Propaganda, um die Stände und die Bevölkerung zu motivieren, war die Religion von zentraler Bedeutung.

Doch schon auf den zweiten Blick tun sich monumentale Widersprüche auf. So wurde der katholische Habsburger Kaiser Ferdinand II. in Wien, der mit spanischem Geld den Böhmisch-Pfälzischen Krieg gegen den protestantischen „Winterkönig“ Friedrich V. führte, um die Böhmische Königskrone zurückzuerlangen (Ferdinand war gleichzeitig deutscher Kaiser und König von Böhmen) und den Katholizismus in Böhmen zu restituieren, auch vom protestantischen sächsischen Kurfürsten Johann Georg I. unterstützt. Sachsen war ein Kurfürstentum des deutschen Reiches unter Kaiser Ferdinand II. und diese Loyalität war ihm, nicht zuletzt im Interesse des eigenen Landes, wichtiger als die Konfession.

Umgekehrt wurde Schweden unter seinem König Gustav II. Adolf (der 1632 im Kampf fiel), das den Krieg für die protestantische Seite von 1630 bis 1635 führte, maßgeblich durch das katholische Frankreich unterstützt, das nach 1635 auch selbst in den Krieg eintrat. Paradoxerweise standen sich also nach 1635 in diesem Krieg das katholische Frankreich und Spanien sowie das protestantische Schweden und Sachsen gegenüber. Angesichts dessen ist vollkommen offensichtlich, dass auch der 30-jährige Krieg in erster Linie ein Hegemonialkrieg war, und erst in zweiter Linie ein Konfessionskrieg.

Entsprechend sollten wir auch heute vorsichtig sein, unsere ideologischen und moralischen Affekte zu sehr instrumentalisieren zu lassen. Am Ende des Tages geht es in Kriegen immer zuerst um Macht, Geld und Einfluss der Akteure. Werte spielen nur solange eine Rolle wie sie zur Durchsetzung von Interessen nützlich sind.

Gleichwohl gab es im 30-jährigen Krieg auch aus konfessioneller Sicht einen historischen Fluchtpunkt. Am Ende des Krieges war der Protestantismus im Deutschen Reich endgültig als gleichberechtigte Religion anerkannt. Und als Lehre des Krieges kann man durchaus mitnehmen, dass man nicht umhinkommt neue ideologische Bewegungen, die eine kritische Masse erreicht haben, zu integrieren, um ein friedliches Miteinander langfristig zu gewährleisten.

Unter dieser Prämisse ist Kaiser Ferdinand II., den auch Schiller sehr kritisch sieht, die tragische Figur dieses Krieges. Als Kaiser eines Reiches, in dem bereits zahlreiche protestantische Fürsten und Untertanen lebten, wäre es eigentlich seine Aufgabe gewesen als Vermittler aufzutreten. Dass er stattdessen von einem katholisch gegenreformatorischen Wahn angetrieben wurde, war gewiss einer der zentralen Gründe für die anhaltende Eskalation dieses Krieges.

Frankreich wiederum stand insofern auch in dieser Hinsicht auf der richtigen Seite der Geschichte, da es eines der ersten europäischen Großmächte war, das im Edikt von Nantes umfassende Religionsfreiheiten etabliert hatte. Auch wenn es dort auch weiterhin starke konfessionelle Konflikte zwischen Katholiken und protestantischen Hugenotten gab, blieb eine ähnliche Eskalation wie im deutschen Reich aus.

Kampf der Ideologien

Aus heutiger Sicht ist schwer nachvollziehbar, dass das, was beide christliche Kirchen trennte, solche Konflikte auslösen konnte. Wahrscheinlich waren auch die wenigsten der damaligen Zeitgenossen in der Lage, die theologischen Divergenzen nachzuvollziehen. Doch darum geht es auch gar nicht in ideologischen Auseinandersetzungen. Der Grund warum der „neue“ und „reformierte“ Glaube aufkam und sich rasch durchsetzte, war vielmehr, dass der alte Glaube korrupt und unglaubwürdig geworden war. Es ging um eine neue Authentizität, die sich vor allem durch eine Opposition und Abgrenzung vom Alten auszeichnet.

Was sich ideell im protestantischen Glauben abzeichnet, der sich nicht nur vom Papst als Oberhaupt trennt, sondern sich überhaupt gegen eine Rechtfertigung gegenüber jeder weltlichen Instanz wendet, ist ein Reflex gegen ein monarchisches System, dessen Gottesgnadentum man nicht mehr bereit ist als selbstverständlich zu akzeptieren. Entsprechend gingen die protestantischen Aufstände um 1600 meist von den Ständen aus, die ihre durch Wohlstand gewachsene ökonomische Bedeutung auch institutionell reflektiert sehen wollten. Ideologie ist immer auch ein Hebel um alte Pfründe und Besitzstände in Frage zu stellen – um selbst in den Genuss dieser Privilegien zu kommen.

Davon dürfte auch Friedrich Schiller, der sein Buch schrieb als die Französische Revolution von 1789 in vollem Gange war, ein lebendiges Bewusstsein gehabt haben. Dieser neue ideologische Konflikt war primär kein religiöser mehr, doch gehorchte einer ähnlichen Dynamik, in der sich die neuen Ideale der „Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit“ gegen ein altes korruptes ständisches System abgrenzten.

Ideologie heute

Es ist nicht ganz einfach aus dem eigenen Glashaus heraus auf den aktuellen ideologischen Konflikt zu blicken. Denn wir sind so sehr in unserer eigenen Sichtweise befangen, dass uns die Außenansicht wie eine Absurdität vorkommt. Doch was wir als Kampf zwischen liberaler Demokratie und illiberaler Autokratie begreifen, sieht ein großer Teil der Welt durchaus anders. Gerade jene Schwellenländer, viele davon historische Opfer einer westlichen kolonialistischen Geschichte, betrachten den Westen als dekadent, ausbeuterisch und korrupt. Natürlich sind beide Sichtweisen Überspitzungen, doch liegt es in der Natur ideologischer Konflikte, dass es zu einer antagonistischen Ausrichtungsbewegung und entsprechend zugespitzten Dämonisierungen kommt.

Was charakteristisch für alle ideologischen Konflikte ist, ist die moralische und kollektivistische Komponente. Praktisch in allen großen Konflikten trifft eine Kultur in einer individualistischen liberalen Dekadenzphase auf eine neue Kultur, die auf kollektive Werte und strenge Ordnungsprinzipien setzt. Der Protestantismus empörte sich über die Kardinäle, die oft jüngere Söhne von Königen und Fürsten waren, die versorgt werden mussten, und in Luxus und mit zahlreichen unehelichen Kindern lebten. Die bürgerliche Kultur empörte sich über die frivole Rokoko Dekadenz von Aristokraten wie Marie Antoinette. Der heutige Westen wiederum treibt liberale Blüten der sexuelle Entfaltung und individuellen Differenzierung auf die Spitze.

Ebenso typisch ist, dass die ideologischen Konfliktlinien nicht nur an territoriale Grenzlinien gebunden sind, sondern auch mitten durch die Gesellschaften laufen. So gab es auch im Herzen der katholischen Liga von Österreich und Bayern bereits starke Fraktionen von Protestanten. Und nicht nur unter den amerikanischen Republikanern sondern auch in vielen europäischen Ländern gibt es diese Gruppierungen, die mit den östlichen Autokraten liebäugeln.

Die, zugegebenermaßen bittere, Lehre ist, dass es eine ideologische Wende hin zu mehr autokratischen Strukturen geben wird. Und dass wir gut beraten sind, diesen Wechsel zu akzeptieren und soweit möglich selbst zu moderieren. Eben das, was Kaiser Ferdinand II. eigentlich hätte tun sollen. Das ist gewiss nicht einfach, zumal die individualistische Komponente unserer Kultur auch stark mit narzisstischen Affekten verbunden ist, die sehr schwer zu überwinden sind.

Denn je stärker die ideologischen Konflikte immer weiter aufgeladen und aufgeheizt werden, desto katastrophaler werden die Entladungen sein. Gerade der 30jährige Krieg, der eine unvorstellbare Spur der Gewalt und Verwüstung hinterließ, ist ein Fanal für die Eskalationspotentiale ideologischer Auseinandersetzungen.

Die Eigendynamik des Krieges

Eskalation ist auch ein Stichwort, von dem im den aktuellen Konflikten immer wieder die Rede ist. Tatsächlich, und vor allem Militärs warnen am meisten davor, hat Krieg eine Eigendynamik, die schwer zu kontrollieren ist und bei zunehmender Dauer in irrationale Bereiche abzudriften droht.

Herfried Münkler beschreibt etwa sehr anschaulich, dass die Söldnerheere auch einen verlängernden Effekt auf den Krieg hatten, da diesen Soldaten mit dem Ende des Krieges die Arbeitslosigkeit drohte. Hinzu kam in diesem Krieg, dass das in viele kleine, mittlere und größere Herrschaftsgebiete zersplitterte Europa, das durch unzählige verwandtschaftliche, geschäftliche und konfessionelle Verbindungen miteinander verwoben war, zu einem unüberschaubaren Geflecht von oft widerstreitenden Interessen führte, die oft einfach durch diesen verwirrenden Effekt den Krieg beständig in Bewegung hielten.

Nicht zuletzt gab es, vor allem nach der totalen Verheerung Magdeburgs durch die katholischen Truppen unter Tilly, auch eine Vergeltungsdynamik, die als Rechtfertigung einer immer brutaleren und hemmungsloseren Anwendung von Gewalt führte. Schon früh war eigentlich absehbar, dass die Verheerungen des Krieges am Ende mehr kosten würden, als selbst durch den günstigsten Verlauf für die katholische Liga und Spanien an Gewinnen herausspringen würden. Und erst Recht war die unvorstellbare Gewalt, die die gesamte Bevölkerung, katholische und protestantische, zu erleiden hatte, moralisch und politisch eigentlich nicht zu rechtfertigen. Doch gab es ab irgendeinem Punkt schlicht kein Zurück mehr. Die gewaltigen Heere, die größten bis dato, die es in der Neuzeit gegeben hatte, mussten solange weiterkämpfen bis alle Reserven an Soldaten, Pferden und Waffen ausgeblutet waren.

Alle epochalen Kriege sind ihrem Wesen nach „total“ und "katastophal" in einem archaischen Sinne, dass alle zivilisatorischen, moralischen und rationalen Hürden sich allmählich in einem Zerstörungsfuror auflösen. Die Hoffnung, dass sich die Protagonisten des aktuellen Krieges auch bei weiteren Eskalationen rational verhalten werden, und vor einer Nutzung von Kernwaffen Abstand nehmen, könnte sich, einmal mehr, als fatal erweisen.

Stellvertreterkrieg

Worin sich der aktuelle Ukrainekrieg und der Beginn des 30-jährigen Kriegs besonders ähneln, und sich etwa von den beiden Weltkriegen unterscheiden, ist, dass es sich in beiden Auseinandersetzungen um einen Stellvertreterkrieg handelt. Ohne die spanische finanzielle und militärische Unterstützung hätte der deutsche Kaiser den Krieg nicht führen können, ebenso wie die Ukrainer nicht ohne die der Amerikaner. Umgekehrt führte auch der schwedische König Gustav Adolf seinen Krieg mit Unterstützung der Franzosen, Engländer und protestantischer Fürstentümer.

Global betrachtet führte damals der Süden Krieg gegen den Norden, wie heute ein Krieg des Westens gegen den Osten geführt wird. Und wie eben damals das Deutsche Reich auf jener Trennlinie zwischen protestantischem Norden und katholischem Süden lag, ist heute der ex-sowjetische Raum auf jener ideologischen Trennlinie zwischen der gemeinsamen kommunistischen Erfahrung mit China und der gemeinsamen europäischen Geschichte mit den westlichen Demokratien.

Gerade der Böhmische Krieg ähnelt dem Ukraine Krieg verblüffend. Böhmen stand damals ganz ähnlich als Symbol der konfessionellen Auseinandersetzung wie die Ukraine heute der ideologischen zwischen Demokratie und Autokratie. Böhmen war mit Jan Hus einer der ersten Staaten mit einer reformatorischen Bewegung gewesen, stand jedoch schon lange unter katholischer Herrschaft, zunächst unter polnischer dann unter habsburgischer. Der Prager Fenstersturz war die Lunte, die das Feuer auf diesen lange stillen Konflikt legte. Ähnlich hat sich nach 1990 in keinem ex-sowjetischen Land die Konfliktlage zwischen pro-russischen und pro-westlichen Kräften so deutlich gezeigt wie in der Ukraine.

Der sogenannte protestantische „Winterkönig“ Friedrich von der Pfalz, den die Böhmen zu ihrem neuen König gewählt hatten, wurde vom katholischen Heer vernichtend geschlagen. Doch der Glaube, dass mit der Wiederherstellung der alten Ordnung das Leben wie vorher weiter gehen würde, erwies sich als tragischer Irrtum. Die Niederlage mobilisierte erst so recht die übrigen europäischen Mächte, zunächst Dänemark, dann Schweden, Frankreich und England, in den hegemonialen Konflikt einzugreifen.

Es ist daher auch eine große Illusion zu glauben, dass, wenn Russland im aktuellen Konflikt besiegt würde, wieder alles wie vorher sein werde. Der „Osten“, neben den aufsteigenden Mächten China und Indien auch der Nahe Osten, Afrika und Südamerika, Länder, die alle irgendwann von den USA gedemütigt wurden und noch historische Rechnungen offen haben, werden sich die Gelegenheit nicht entgehen lassen, sich zu einer anti-westlichen Allianz zusammen zu finden.

Wallenstein

Schillers künstlerische Frucht aus seiner Beschäftigung mit dem 30jährigen Krieg war bekanntlich seine Wallenstein Trilogie. Dass Schiller nicht einen der Machthaber als Protagonisten wählte, etwa die tragische Figur des Kaisers Ferdinand II. oder den schwedischen König Gustav II. Adolf, den Schiller als großen Helden des Krieges (vielleicht ein wenig zu sehr) idealisiert, sondern jenen Feldherrn der katholischen Liga, ist aus einer ästhetischen Perspektive vollkommen verständlich.

Dabei gab es in diesem Krieg auch eine Reihe junger Protagonisten, die immer wieder zumindest eine Zeit lang eine idealisierte Projektionsfläche boten. Allen voran jener blutjunge „Winterkönig“ Friedrich V., der mit der Tochter des englischen Königs Jakob I., Elisabeth Stuart, verheiratet war (NB: die erste dokumentierte Aufführung von Shakespeares „Sturm“ fand bei ihrer Hochzeit statt). Elisabeth war eine stolze Schönheit und in jenem kurzen „honeymoon“ des Erfolgs (Friedrich stieg vom Pfalzgrafen zum König auf) waren sie so etwas wie das „power couple“ ihrer Zeit.

Auch Christian von Braunschweig-Wolfenbüttel, der in alter romantischer Rittermanier für Elisabeth Stuart in den Krieg zog, oder auf katholischer Seite Gottfried Heinrich zu Pappenheim, der als junger General mit einem Hang zu riskanten Operationen für Aufsehen sorgte, boten durchaus ästhetisches Potential. Doch verglühten diese Protagonisten im Grunde folgenlos, ohne größere Konsequenz für den Verlauf des Krieges und der Geschichte.

In Wallenstein hingegen kristallisierten sich gewisse Elemente des Krieges, weswegen er immer wieder das Interesse der Historiker auf sich zog. Er war es, der die „Verheerungs-Ökonomie“, in der sich das Heer von den Ressourcen der passierten Länder ernährte, zu einem System ausbaute. Die totale Rücksichtslosigkeit, mit der er vorging, war enorm effektiv, doch schließlich auch den eigenen Dienstherren unheimlich, und führte zunächst zu seiner Entlassung und, nach einer zwischenzeitlichen Rückkehr, schließlich zu seiner Ermordung.

Jeder große Krieg scheint seine Monster zu haben, den Teufel, mit dem man sich aus Hochmut und Habgier verschworen hat. Jene hemmungslos narzisstische Figuren, deren Bösartigkeit und totale Empathielosigkeit sie zu einer monströs wirkungsvollen Waffe macht. Deren totalitäre Gier sie jedoch gleichzeitig zur historischen Supernova werden lässt, die das ganze System verglühen lässt. Schiller lässt an seinem moralischen Abscheu für Wallenstein keine Zweifel doch kann seine Faszination für diese Figur auch nicht verbergen. Auch bei Münkler kommt immer wieder eine verstohlene Bewunderung für Wallensteins kühle strategische Weitsicht zum Ausdruck.

Was Wallenstein von Napoleon, Hitler oder Stalin unterscheidet, ist, dass er nicht im Besitz der ultimativen Macht, sondern abhängig von den Vorgaben Spaniens, Ferdinands II. und des Bayerischen Kurfürsten Maximilian I. war. Was zu einem psychologischem Problem wurde, da Wallenstein mit zunehmender Kriegsdauer, narzisstisch gekränkt, immer widerwilliger wurde und in seiner Bockigkeit den Krieg oft mehr sabotierte als beförderte. Seine Ermordung hatte eine merkwürdige Macbethsche Konsequenz, die eigene Ohnmacht masochistisch am Ende gegen sich selbst zu richten.

Münkler beschreibt sehr treffend, dass Wallenstein den zentralen strategischen Fehler der katholischen Liga, den berüchtigten „overstretch“ einer verblendeten Weltmacht, sich in mehrere Konflikte zur gleichen Zeit zu stürzen, woran auch Napoleon in Russland und Deutschland in den beiden Weltkriegen zu Grunde ging, schon früh mit aller Klarheit erkannt hatte, doch vergeblich dagegen ankämpfte. Auch die amerikanische Regierung scheint im Augenblick in einem Modus, sich in militärischen und ökonomischen Auseinandersetzungen mit Russland, China und dem Nahen Osten zu verzetteln.

Schiller und Münkler

Wer sich etwas eingehender mit dem 30-jährigen Krieg beschäftigen möchte, dem sei das Buch von Herfried Münkler uneingeschränkt empfohlen. Gerade auch für Einsteiger geeignet, bietet er eine wunderbar klare, übersichtliche und doch gleichzeitig analytisch brillante und in die Tiefe informierte Perspektive auf diesen Krieg. Sein Blick ist sachlich nüchtern, mit viel Verständnis auch für die ökonomischen und militärisch strategischen Aspekte dieses Krieges.

Schillers Buch setzt dagegen ein gewisses Vorwissen voraus. Auch die für heutige Ohren oft altertümlich wirkende Sprache bedarf einer gewissen Eingewöhnung. Trotzdem ist die Lektüre nicht minder lohnend. Schiller mag einen stärker ästhetischen und idealistischen Blick auf die Geschichte haben, was dem heute üblichen akademisch wissenschaftlichen Geschichtsverständnis widerspricht. Doch hat Schiller dafür ein stärkeres Gefühl für die mythologischen Komponenten der Geschichte.

Im Mythos offenbaren sich die geronnenen Urstrukturen der Menschheitsgeschichte, die sich zyklisch immer und immer wieder vollziehen. Viele Philosophen und Künstler haben diese mythologischen Konstellation immer wieder beschrieben und in ästhetische Formen gegossen. Und immer wieder stellt sich dabei die Menschheitsfrage: kann der Mensch aus seinen Fehlern lernen, Konsequenzen aus den Katastrophen der Vergangenheit ziehen? Oder sind diese epochalen Kriege unvermeidlich als kosmisch reinigende Katastrophen, unbezwingbar in ihrer Logik und konsequent in ihrer Unentrinnbarkeit.