Am vorletzten Wochenende fand im Kreis Rendsburg-Eckernförde eine Bürgerentscheid zum Thema Neustrukturierung der hiesigen Krankenhäuser statt. Der Kreistag hatte Anfang des Jahres beschlossen, Abteilungen zu schließen und zu verlegen, um die beiden Klinken rentabler betreiben zu können, und dagegen hatte sich dann eine Bürgerinitiative gebildet, die einen Alternativvorschlag präsentierte, der vorsah, dass beide Standorte im Prinzip so erhalten bleiben, wie sie jetzt sind.
Und das Ergebnis war dann ziemlich eindeutig, denn 67,5 % der abgegebenen Stimmen waren ein „Ja“ und damit eine Zustimmung zum Ansinnen der Bürgerinitiative (s. hier).
Mich hat das gefreut, denn ich habe auch mit Ja gestimmt. Der Weg dafür war eigentlich schon geebnet, bevor ich mir die beiden Vorschläge genau durchgelesen hatte, denn die FDP hatte hier vor Ort in Rendsburg dafür geworben, dass man doch mit Nein stimmen sollte – für mich ein untrügliches Zeichen, dass dann wohl nur Ja eine gute Option sein kann.
Das bestätigte sich auch, nachdem ich mir die Stellungnahmen der Bürgerinitiative und des Kreises zu Gemüte geführt habe. Ich finde nämlich, dass Krankenhäuser nicht in erster Linie nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten betrieben werden sollten, sondern nach den Erfordernissen in der Region. Und da erscheint es mir dann sinnvoll, dass beispielsweise Eckernförde nach wie vor eine Geburtshilfestation hat, denn wenn Schwangere kurz vor der Entbindung erst lange durch die Gegend fahren müssen, können sich ja doch Komplikationen ergeben.
Zudem hat sich ja in den letzten Pandemiejahren auch gezeigt, dass es nur bedingt sinnvoll war, viele kleine Krankenhausstandorte zu schließen oder zurückzubauen, da so in vielen Orten keine bürgernahe Versorgung mehr möglich ist.
Also eigentlich alles gut aus meiner Sichtweise – könnte man meinen. Allerdings sind da dann doch so ein paar Kleinigkeiten, die ich schon recht bezeichnend für unsere politische Großwetterlage finde und die sich nun hier bei einer lokalen Abstimmung zeigten.
Zum einen wird zwar davon gesprochen, dass die Beteiligung am Bürgerentscheid mit knapp einem Drittel ja gar nicht so schlecht wäre. Ich finde dass allerdings schon ein ziemlich schwaches Resultat, denn schließlich nehme ich immer wieder wahr, dass sich Menschen über „die da oben“ aufregen, die in abgehobener Manier ihre Politik jenseits der Bürgerinteressen praktizieren würden (und da ist ja auch definitiv was dran), und dass es doch mehr direkte Demokratie geben sollte in Form von Bürgerentscheiden oder Volksbefragungen.
Tja, und wenn es dann genau so was tatsächlich mal gibt – und das auch noch zu einem Thema, was wirklich jeden betrifft, denn auf ein Krankenhaus kann man ja schneller angewiesen sein, als einem lieb ist -, dann kriegen zwei Drittel der Wahlberechtigten ihren Hintern nicht aus dem Sessel, um sich dann zumindest mal mittels Stimmabgabe am politischen Geschehen zu beteiligen. Und das ist ja nun wahrlich kein großer Akt, sondern sehr schnell zu bewerkstelligen und kann für die meisten bei einem kleinen Spaziergang quasi nebenbei erledigt werden.
Ist das Ignoranz, Desinteresse, Resignation oder einfach nur Faulheit? Keine Ahnung, ich finde es zumindest ziemlich schade, dass die angeblich ja mündigen Bürger ihre Mündigkeit dann in so großer Zahl mit so großer Selbstverständlichkeit in den Wind schießen. Und auch wenn nun dem Kreistagsbeschluss bei dieser Abstimmung widersprochen wurde, so ist das Signal an die Politiker doch eindeutig: Die meisten Leute interessieren sich offensichtlich gar nicht dafür, was in den Parlamenten so getrieben wird – dann kann man ja ruhig auch so weitermachen.
Meine Vorstellung davon, wie Demokratie zu funktionieren hat, ist zumindest damit nicht in Übereinstimmung zu bringen, dass zwei Drittel der Abstimmungsberechtigten bei so eine Frage es dann nicht gebacken bekommen, sich zu positionieren bzw. zu artikulieren. Schon traurig, aber auch bezeichnend für unsere seit Jahrzehnten entpolitisierte Gesellschaft, in der für die meisten der nächste Dschungelkönig oder das nächste Fußballturnier eben doch wichtiger ist als das politische Geschehen und die eigene Partizipation daran als Teil des Staatswesens.
Ein zweiter Punkt, den ich auch sehr bezeichnend finde: Direkt am Tag vor der Wahl sah ich in Rendsburg auf dem Platz, wo gerade der Wochenmarkt stattfand, einen gemeinsamen Stand von FDP (bzw. Jungliberalen) und Grünen, die zusammen dafür warben, dass doch mit Nein gestimmt werden solle. Vonseiten der FDP natürlich keine Überraschung – aber die Grünen?
Proklamieren die auf Bundesebene nicht andauernd, dass sie nur notgedrungen mit der FDP zusammenarbeiten müssten in der Koalition, dass sie ja lieber viel bürgernähere und sozialere Politik machen würden, genauso wie sie mehr Klima- und Umweltschutz durchsetzen würden, wenn die FDP nicht immer alles blockieren würde? Tja, und dann steht man dort in trauert Eintracht als „Fraktion“ (laut eigener Angabe auf Nachfrage) an einem Stand und zeigt, dass man in puncto Wirtschaftsorientierung im Gesundheitswesen zulasten der Grundversorgung vieler Bürger dann doch sehr an einem Strang zieht.
Nicht eben progressiv von den Grünen, hier derart offen neoliberale und damit überkommene politische Vorstellungen zur Schau zu tragen. Und dabei gibt man sich doch gern so fortschrittlich gegenüber der konservativ bis reaktionären FDP. Passt irgendwie nicht zusammen, oder?
Vier besser passt dazu, dass die Grünen wohl doch eher, wie Volker Pispers schon vor Jahren so treffend sagte, im Prinzip eine „FDP mit Dosenpfand“ seien. In jedem Fall scheint dort jedes soziale Denken ziemlich abhanden gekommen zu sein, sodass die FDP wohl doch auf Bundesebene nur als Feigenblatt fungiert, damit man die Wahlversprechen, die man den Grünen-Wählern gegeben hat, nicht einhalten muss. Und eigentlich findet man Lindner und seine sozialdarwinistischen Spießgesellen dann doch ziemlich knorke.
Ach ja: Die Rendsburger Bürgermeisterin ist übrigens auch eine Kandidatin, die von CDU, FDP und Grünen gemeinsam aufgestellt wurde (s. hier). Passt also auch dazu.
Und auch so was funktioniert ja vor allem mit entpolitisierten Bürgern, die dann eben nicht auf die Idee kommen, mal die tatsächlich praktizierte Politik zu hinterfragen oder als Basis für ihre Wahlentscheidung zu nutzen, sondern die lieber auf tolle (wenig aussagekräftige) Plakate und ein bisschen Wahlkampfgetröte reinfallen.
Stellt sich nun nur die Frage, wie sich denn im Großen etwas am neoliberal-kapitalistischen System ändern soll (was dringend notwendig ist, um die Klimakatastrophe zumindest ein bisschen abzubremsen), wenn das schon im übersichtlichen kleinen Rahmen eines Landkreises nicht hinhaut …
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