CN: Rassismus

Wenn die Ewiggestrigen alle Jahre wieder ihre ewiggestrigen Werte bei Bierpreisen von übermorgen ausleben, dann ist wieder mal die Zeit der Volksfeste angebrochen. Dort trifft man auf ächzenden Biertischgarnituren schwitzende Männerkörper in Lederimitathosen und Frauen in Dirndl, bei deren Anblick eben jene schwitzenden Männer unsere freiheitlich-demokratischen Werte anscheinend vergessen, obwohl sie sich Tags zuvor noch als Verteidiger des Abendlandes verstanden haben. Doch auch ein anderer Teil der deutschen Kulturgeschichte bleibt auf Jahrmärkten erhalten: Der Mohr.

Ein Begriff, der zwar nicht aus der Kolonialzeit stammt, aber dennoch in der gesellschaftlichen Wahrnehmung durch koloniale Bilder geprägt wurde. Dicke Lippen. Krauses Haar. Exotisch. Unzivilisiert. Der schwarze Mensch als Diener. Wie der Sarotti-Mohr, der 2004 umbenannt wurde. Sehr zum bedauern derer, die wohl am liebsten noch immer “echte” Mohren und Neger auf Jahrmärkten sehen würden.

Und so verschwindet über die Jahre nicht nur der “Mohrenkopf” aus den Supermarktregalen, auch die gesellschaftliche Relevanz und Verwendung des Begriffes Mohr im Alltag schwindet. Nur nicht auf Jahrmärkten. Dort trifft man ihn alle Jahre wieder, in Form von Eismohren und Mohrenköpfen, verkauft an orientalisch anmutenden Süßwarenständen von mitteleuropäisch-weiß anmutenden Schausteller*innen. Wie ein Murmeltier, das jährlich grüßt. Ein Mohrentier also. Oder eine Mohrenkostenabrechnung. Und wie das nun mal so ist mit Dingen, die jedes Jahr anstehen, begegnet man der Mohrenkostenabrechnung irgendwann nicht mehr mit kämpferischer Leidenschaft und lautem Protest, sondern mit Gleichgültigkeit und Müdigkeit.
Umso überraschter bin ich darüber, dass mir mein gleichgültiger, müder Protest in Form der Frage, was denn ein Mohr sei und warum das denn immer noch so heiße mit jedem Jahr nur lautere und aufgewecktere, teilweise sogar handgreifliche Reaktionen entgegenbringt. Die Ewiggestrigen scheinen wohl Angst zu haben. Zu Recht. Als nächstes nehmen wir euch die Lederimitathosen weg.

Aus dem Archiv. Den Kommentar hatte ich 2018 nach einer unschönen Diskussion auf einem Würzburger Volksfest verfasst. Trotz zahlreicher Talkshowrunden und einer internationalen Antirassismusbewegung hat mein Text nicht an Aktualität verloren. Leider.

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