Für den Fall, dass wir uns noch trauen, den Fernseher zu den Nachrichten einzuschalten, erleben wir gerade ein wundersames Schauspiel, die News beginnen mit „Guten Abend“ und dann wird uns 15 Minuten erklärt, warum es kein guter Abend ist. In den Zerstrittenen Staaten von Amerika brodelt es wie im Hexenkessel und erst heute las ich, dass das FBI einen Umsturz der Regierung in Michigan verhindern musste. Das Erreichen von Klimazielen erscheint momentan als Satire und zudem wütet eine Pandemie, die mehr als eine Million Menschen das Leben gekostet hat.
Sind wir jedoch ehrlich zueinander, so wird schnell klar, dass die derzeitige Situation nichts Außergewöhnliches darstellt. Wie auch immer ein Abschnitt der Welthistorie im Nachhinein wirkt / dargestellt wird, so erscheint der Konflikt als Mittelpunkt der Gesellschaft unausweichlich. Überspringen wir mal das „dunkle“ Mittelalter und nehmen Geschichte, die etwas näher an unserer Zeit liegt. Das Feudalsystem knechtete weite Teile der Bevölkerung über Jahrhunderte, jedoch durfte es zur Belohnung regelmäßig in unnützen Kriegen sterben. So musste man die Hölle auf Erden wenigstens nicht allzu lange ertragen. Die industrielle Revolution im Anschluss brachte vor allem eines, perverse Arbeitsbedingungen für die ärmsten Schichten der Gesellschaft. Brechts „heilige Johanna der Schlachthöfe“ ist nur eine Darstellung der erniedrigenden Zustände in einem systematisierten Sektor der Wirtschaft. Zwei Weltkriege mit Toten in zweistelliger Millionenhöhe und eine einschneidende Wirtschaftskrise später haben sich wenigstens die Zustände in den Schlachtbetrieben nicht geändert, oder Herr Tönnies?
Es mag sich derzeit besonders schlimm anfühlen und zugegebenermaßen ackert die Menschheit hart dafür, dass die Zerstörung apokalyptische Ausmaße annimmt, aber die Wahrheit bleibt, dass zu jedem Zeitpunkt der Geschichte eklatante Krisen zu Tod, Leid und Verderben geführt haben.
Schuld daran ist vermutlich nicht die Büchse der Pandora, sondern eine tiefsitzende Unsicherheit des menschlichen Wesens: Die Gier nach Macht. In Anbetracht unserer insgesamt kurzen Lebensspanne sind die Menschen davon besessen, etwas zu hinterlassen. Der Drang nach Geltung und Bedeutung übertrumpft letztlich fast alle anderen Bedürfnisse, da der Sieg über die Flüchtigkeit des Seins als besonderer Triumph gilt. Daraus entstehen zwei zentrale Probleme:
1. Verlust der Realität:
Menschen, die ihr Wesen zu lange von Macht ernährt haben, verlieren das Verständnis im Leben. Lebe ich Jahrzehnte ohne Grenzen und Einschränkungen, ist es mir nicht mehr möglich, zu verstehen, was der Durschnitt des Lebens ist. Obwohl das orange Monster im Weißen sechsmal bankrott gegangen ist – mit der USA gelingt es ihm gerade ein siebtes Mal – fehlte dem empathielosen Ungeheuer „nur“ eines: Liebe. Trump kennt keine Verantwortung, Grenzen oder Mitgefühl oder Interesse an seiner Umwelt, da er es nie gelernt hat. In abgeschwächter Form erleben wir das, wenn Friedrich Merz und Olaf Scholz offensichtlich nicht verstehen, was Reichtum ist. Wenn ich als Millionär vermute, dass ich zur Mittelschicht gehöre, fehlt die Verknüpfung zur Realität gänzlich.
2. Sucht nach mehr
Macht ist eine Droge, die den Menschen immer verdirbt. Ähnlich wie mit anderem Suchtverhalten löst es Verlangen nach einer Erweiterung aus. Blicken wir wieder in die USA, denn dort sitzt der mächtigste Mann der Welt und es ist natürlich nicht Trump, sondern Mitch McConnell. Die Schildkröte verarscht die Bevölkerung seit 1985 im Senat und ist der wahre Strippenzieher der Republikaner. Seine Taten sind direkte Wünsche der Lobbyisten, so dass am Ende das Geld dort zusammenfließt. Und warum er das beste Beispiel für Suchtverhalten ist? Mit 78 Jahren und 35 Jahren politischer Karriere könnte man meinen, dass es Zeit für den Ruhestand wäre, doch der „Grim Reaper“ (So bezeichnet er sich selbst) tritt erneut an, um auch mit über 80 Jahren die Geschicke der Partei zu leiten. Loslassen ist nicht mehr möglich, stattdessen greift er in diesen Tagen danach, den Supreme Court für Dekaden nach seinen Wünschen zu formen, damit am Ende das Ziel erreicht wird, den Frauen das Recht an ihrem eigenen Körper genommen werden kann. Dieser moralruinierte, alte, weiße Mann greift im Alter, dass viele nicht mal erreichen, nach der ultimativen Trophäe, indem er die Politik der USA auf Ewigkeiten hin prägt. Und um dieses Ziel zu erreichen, ist es ihm vermutlich sogar angenehm, einen Deal mit dem dümmsten Teufel der Hölle einzugehen, weil Trump sein idealer Komplize ist.
Die zwei Folgen der menschlichen Machtgier haben zur Folge, dass langjährige Politiker*innen, die eigentlich Experten für die Lage der Nation sein sollten, kein Vertrauen mehr im Volk genießen. Die Politikverdrossenheit hat bedrohliche Dimensionen angenommen und wir haben gelernt, dass es den Altgedienten sogar in den Kram passt, wenn sich für Politik niemand mehr begeistern kann.
Es ist Zeit, diesen tief verwurzelten Fehler im System der Gesellschaft anzugehen. Um die Machtgier der Alteingesessenen einzuschränken, stelle ich mir drei Regelungen vor:
I. Beschränkung von Amtszeiten
Keinem Menschen sollte es möglich sein, ewig an der Gesetzgebung / Regierung beteiligt zu sein. Ich bin offen dafür, über den Zeitraum zu diskutieren, doch Abgeordnete, die vierzig Jahre im Parlament sitzen? Nein, danke. Den Kritiker, die anführen, dass die USA für den Präsidenten diese „term limits“ hat und Trump trotzdem autoritär regiert, denen antworte ich, dass sich das auch auf Gerichte und Parlamente ausweiten muss, um solche Brüche der Demokratie wie beim Obersten Gerichtshof zu vermeiden.
II. Stärkere Kontrolle der Machtinhaber
Es sollte selbstverständlich, dass Regierungen transparent kontrolliert werden – und das nicht nur von der Opposition. Sexy Christian Lindner kontrolliert derzeit die, mit denen er demnächst in die Regierung will – no Deal. Berichte, Entscheidungen und Folgen sollten dauerhaft und konsequent der Öffentlichkeit vorgestellt werden, um dem Volk Informationen zu geben. Und diese Informationen kommen gefälligst nicht von der Regierung selbst, sondern von unabhängigen Wissenschaftlern.
III. Partizipation
Mit dem Finger zeigen ist super leicht – ich verlange von allen, dass sie sich auch weiter konkret einbringen. Demonstrationen sind eine Sache, aber politisch aktiv sein bedeutet auch, dass man echte Arbeit in den Kommunen betreibt. Lasst euch in Stadt- und Kreisräte wählen und seid laut. Ich befürworte außerdem das Prinzip, bei dem normale Bürger per Losentscheid an Gesetzgebung und Machtverteilung mitwirken, denn wer sich nicht engagiert wird am Ende von den Falschen regiert. So viel Potenzial liegt brach, weil geglaubt wird, dass man keine Chance oder Macht hat – das muss sich ändern. Unter Partizipation fällt für mich übrigens auch Diversität, denn in unserem Parlament sind unter anderen Frauen, Menschen ohne Studium und Menschen mit Migrationshintergrund völlig unterrepräsentiert.
Die Ursache liegt tief in unserem Wesen und die Folgen sind schwerwiegend und weitreichend – es bleibt keine Zeit, den Status Quo beizubehalten. Es liegt an uns, denn die Macht gehört nicht einer kleinen Gruppe, sondern uns allen.
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