In einer Folge von Die Anstalt im ZDF wurde vor einigen Monaten das Buch „Triggerpunkte“ angesprochen, was mich so sehr interessiert hat, dass ich mir das mal zugelegt und gelesen habe.

Dass unsere Gesellschaft gespalten sei, liest und hört man ja immer wieder. Umso interessanter ist es, wenn die drei Wissenschaftler Steffen Mau, Thomas Lux und Linus Westheuser dann als Ergebnis einer umfassenden von ihnen durchgeführten Studie zu dem Ergebnis kommen: Nö, das ist überhaupt nicht so.

So eine überraschende Aussage muss natürlich auch auf einer exzellenten wissenschaftlichen und empirischen Grundlage basieren, und genau die wird in dem 532 Seiten dicken Buch (davon sind allerdings gut 100 Seiten Anmerkungen, Quellenangaben usw.) auch geliefert. Die Autoren schildern nicht nur ihr Vorgehen und erläutern die Auswertungsmethoden, sondern veranschaulichen das Ganze auch immer wieder mit Zitaten von befragten Personen.

Es werden vier Konfliktfelder benannt: Oben-Unten (finanzielle Ungleichheit), Innen-Außen (Inländer vs. Ausländer), Wir-Sie (Identitätspolitik) und Heute-Morgen (Klimakrise). Und bei allen wird festgestellt, dass die Deutschen mit großer Mehrheit bei grundlegenden Fragen einig sind und da auch Änderungsbedarf anmelden: Einige Menschen haben zu viel Geld, während es immer mehr Arme gibt. Zuwanderung ist grundsätzlich erst mal nichts Negatives, Rassismus hingegen schon. Alle Menschen sollten nach ihrer Fasson entsprechend ihrer sexuellen Identität unbehelligt leben können. Und es ist dringend notwendig, dass mehr Klimaschutz betrieben wird.

Wobei nun Unterschiede bestehen, ist die Art und Weise, wie das genau umzusetzen und politisch auszugestalten ist. Und genau da kommen die von den Autoren als „Polarisierungsunternehmer“ Bezeichneten ins Spiel. Diese suchen sich nämlich gezielt Aspekte raus, bei denen verschiedene Ansichten vorzufinden sind, und kaprizieren dann ausschließlich darauf. Ein Beispiel dafür ist die gendergerechte Sprache. Ein weiteres sind Klimaaktivisten, die sich auf Straßen festkleben. Oder die Fokussierung auf die Frage des Umgangs mit sich Leistungen erschleichenden Bürgergeldbeziehern oder kriminellen Asylbewerbern.

Und da leider auch viele Medien dieses Spielchen mitmachen und weniger auf Gemeinsamkeiten als auf Unterschiede abstellen, entsteht eben der Eindruck einer gespaltenen Gesellschaft.

Ob es dabei nun um Einschaltquoten, Klicks und Auflage oder um Wählerstimmen, politisches Kapital und Profilierung geht, ist m. E. unerheblich, denn dieses Verhalten kann man letztlich unter dem Teile-und-herrsche-Prinzip subsumieren: Menschen, die eigentlich weitgehend übereinstimmende Ansichten haben, werden gegeneinander aufgewiegelt, indem man ausschließlich Differenzen hervorhebt. Die Konzentration auf derartige Nebelkerzen führt natürlich nicht zu einer konstruktiven Politik, die sich um wirklich relevante Themen und Probleme kümmert, sondern zu der politischen Mängelverwaltung, die wir seit Jahren erleben.

Insofern ist „Triggerpunkte“ ein extrem wichtiges Werk, das einem ein umfassendes Verständnis ermöglicht, warum politische Prozesse derzeit so ablaufen, dass immer nur den größten Schreihälsen die meiste Relevanz zugeschrieben wird und konstruktive Umsetzungen im Sinne der Allgemeinheit eher Mangelware sind. Und es ermutigt einen, doch eher nach Gemeinsamkeiten als nach Unterschieden zu suchen, um so schon mal eine Gesprächsbasis zu schaffen, auf der dann konstruktiv Lösungen entwickelt werden können.

Das Ganze ist dabei nicht ganz einfach zu lesen, was dem wissenschaftlichen Anspruch geschuldet ist, aber das bisschen Mühe sollte man sich schon machen – der Erkenntnisgewinn ist dafür ziemlich groß.

Am besten, Ihr kauft das Buch beim Buchhändler Eures Vertrauens vor Ort – falls es so was bei Euch nicht mehr gibt, dann bitte nicht auf Amazon zugreifen, sondern lieber auf andere Anbieter, wie beispielsweise JPC. Dort finden sich auch die formalen Infos zum Buch: https://www.jpc.de/jpcng/books/detail/-/art/steffen-mau-triggerpunkte/hnum/11444238

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