Wir würfeln – Zehntausend – ich kenne das Spiel aus meiner Kindheit, unsere Nachbarin spielte es oft mit mir, wenn meine Mutter mit anderem beschäftigt war als mich vom Ballett zum Klavierunterricht, zum Reitunterricht, und zur Mathenachhilfe zu fahren.
Die zwei Männer reden nicht viel und wenn, dann verstehe ich sie kaum, doch das ist mir egal. Sie strahlen eine gelassene Gemütlichkeit aus, die ansteckend ist. Zwischendurch streift mein Blick aus dem Fenster, der Schnee fällt immer dichter. Eine hellgraue Wand.
Jeria, der kräftiger und älter ist als Fritz, bedeckt seine Glatze mit einer Mütze, bevor er aufsteht, die Tür öffnet und einen Schwall kalte Luft mit Schneeflöckchen einlässt. „Mhh, mhh“, brummt er nur und setzt sich wieder an den Tisch. In seinem Vollbart entdecke ich Schneeflocken, die in nullkommanichts schmelzen. Wortlos würfeln wir weiter.
Fritz ist sehnig und schmal. So stelle ich mir einen Marathonläufer vor. Ich gewinne und bekomme einen Enzianschnaps eingeschenkt. „Das ist der Gewinn“, sagt Fritz.
Ich kippe das Glas und spüre augenblicklich mit dem Brennen im Hals, wie er mir zu Kopf steigt. Draußen donnert es. Beide nicken, als hätten sie nichts anderes erwartet.
Im breiten Zungenschlag klärt mich Jeria auf, dass das nun so eine Weile gehen wird und dass ich oben – er deutet mit dem Zeigefinger über sich, ohne mich aus den Augen zu lassen – schlafen muss. An Abstieg nicht zu denken. So ist das eben in den Bergen – höhere Gewalt.
Jeria steht auf und verschwindet hinter der Theke durch eine Tür, um kurze Zeit später mit einem Brett Wurst, Schinken und Brot wiederzukommen. Wir essen und ich merke, wie hungrig ich war und wie wohltuend jeder Bissen ist. Das karierte Flanellhemd von Fritz erinnert mich an das Hemd meines Vaters, das er oft beim Wandern trug. Das Donnern grollt laut und ich zucke zusammen. Jeria zieht die Brauen hoch. „Keine Angst, das hallt so laut im Berg.“ Er hebt die Schultern. „Noch ein Schnaps?“
Ich schüttle den Kopf.
Eine Viertelstunde später gehe ich die schmale Stiege hoch, die ins obere Geschoss führt. Das Holz knarrt, ich spüre die Wanderung und den Alkohol in meinen Beinen. Es fühlt sich seltsam an. Das Flanellhemd dicht vor mir. Ganz hinten im schmalen Flur bleibt Fritz stehen, öffnet eine Tür und sagt: „Bitte, nicht sonderlich groß, aber trocken und warm.“
Sobald ich im Zimmer bin, sagt er „Also dann“, lächelt und geht.
Ich bringe ein „Danke“ hervor und höre ihn die Treppe runtersteigen.
Alles wirkt alt, eng und dabei unglaublich gemütlich. Rot-weiß karierte Leinenvorhänge an den Fenstern. Vor dem Bett ein dicker Wollteppich. Als ich die Wolldecke über dem Bett anhebe, sehe ich, dass es frisch bezogen ist.
Draußen eine Abfolge von Blitzen und Graupelböen, die gegen das Fenster schlagen. Ich ziehe die Vorhänge zu. Mit dem Geräusch, dass das Zuziehen der Vorhänge verursacht, spüre ich Müdigkeit gegen meine Augen drücken. Ich wasche mein Gesicht am kleinen Waschbecken in der Ecke. Entdecke dankbar eine in Papier verpackte Zahnbürste nebst kleiner Zahnpastatube und putze mir die Zähne, bevor ich mich ausziehe, ins Bett falle und mir die Decke bis über die Ohren ziehe. Wie ich mich fühle, kann ich gar nicht herausfinden. Müde und so wie lange nicht mehr. Ganz lange.
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