Dass ich die im Konjunkturpaket der Bundesregierung enthaltene Senkung der Mehrwertsteuer von 19 auf 16 Prozent für den Zeitraum von Juli 2020 bis Januar 2021 für nicht geeignet halte, den Verbrauchern nun wirklich Entlastung zu verschaffen, hab ich ja letzte Woche schon in einer kurzen Anmerkung auf meinem Blog angedeutet (was nun übrigens gerade auch in einem Artikel auf Spiegel Online bestätigt wird). Nach einem Gespräch am vergangenen Wochenende  mit einer Freundin von mir, die als Steuerberaterin tätig ist, wurde mir dann allerdings noch mal deutlicher, was für ein kompletter Unfug diese Maßnahme ist.

Diese Umstellung auf einen neuen Mehrwertsteuersatz gestaltet sich nämlich oftmals nicht so ganz einfach. Unternehmen, die SAP benutzen, dürften damit wohl noch relativ wenig Probleme haben, aber viele andere Buchhaltungs-, Kassen und Warenwirtschaftssysteme sind nicht so ausgelegt, dass da mal eben die Mehrwertsteuer geändert werden kann – zumal auch noch auf einen Satz von fünf Prozent in der reduzierten Variante, also einen Wert, den es zuvor so noch gar nicht gab. Gerade kleinere und mittlere Unternehmen dürften hier oftmals großen Aufwand betreiben müssen, gerade auch aufgrund der knappen Terminierung von nur wenigen Wochen bis zur Umstellung – und das nur, um dann in einem halben Jahr alles wieder rückgängig zu machen.

Denn die neue Mehrwertsteuer muss ja nicht nur an der Kasse anders berechnet werden, sondern hat auch auf jedem Bon, jedem Beleg, jeder Rechnung und jedem Preisschild entsprechend geändert aufzutauchen. Das, was da nun an drei Prozent eingespart werden soll, dürfte oftmals für diese zusätzlichen Umstellungsmaßnahmen wieder draufgehen. Ein Grund weniger dann übrigens, diesen Preisnachlass auch an die Endkunden weiterzugeben.

Und da kann ich mir nun auch gerade nicht vorstellen, dass die Preise, die ja in der Regel als Brutto- und nicht als Nettopreise angezeigt werden, nun auf einmal geringfügig nach unten korrigiert werden. Was also eben noch 1,29 Euro kostete, soll dann ab Juli für 1,24 Euro im Regal stehen? Na, ich weiß ja nicht …

Zudem bleiben ja bei so einer Maßnahme ja einige Sachverhalte erst mal nicht geklärt, auf die man so im ersten Moment nicht kommt. Was ist beispielsweise mit Gutscheinen, die bereits ausgestellt und mit 19 Prozent Mehrwertsteuer verbucht wurden, die nun dann erst ab Juli eingelöst werden? Oder mit Gutscheinen, die dann mit 16 Prozent Mehrwertsteuer ausgestellt werden, die aber erst nach dem 1. Januar 2021 eingelöst werden? Gerade beim kurz vor diesem Stichtag liegenden Weihnachtsgeschäft dürfte da ja einiges anfallen.

Auch langfristige Projekte kommen in arge Schwierigkeiten, wie zum Beispiel so etwas wie Baustellen. Wenn dort bereits Leistungen erbracht und die Handwerker mit 19 Prozent Mehrwertsteuer entlohnt wurden, nun aber die finale Rechnung an den Endkunden erst im Juli gestellt wird, weil dann der Bau beendet ist, wie wird es dann da mit der Mehrwertsteuer gehandhabt, die dann ja nur noch 16 Prozent betragen darf? Und genau das Gleiche gilt dann natürlich auch wieder über den Jahreswechsel hinweg, nur eben andersrum.

Ich selbst hatte letztes Jahr als Lektor auch einige größere Buchprojekte, die sich über mehrere Monate zogen. Da ich diese nicht nach Stunden abgerechnet habe (was das Ganze relativ einfach gemacht hätte mit der unterschiedlichen Mehrwertsteuer), sondern nach Gesamttextmenge, wäre nicht zu ermitteln gewesen, was dann noch vor und was nach der Mehrwertsteuerumstellung bearbeitet wurde. Wie hätte die Rechnung dann ausgestellt werden müssen – mit 16 oder mit 19 Prozent, wenn das Projekt vom Mai bis August dauerte?

Die Autoindustrie wird sich allerdings, nachdem nun ihre heiß ersehnte Abwrackprämie für Verbrennungsmotoren nicht beschlossen wurde, darüber freuen, denn bei einem Neuwagen schlagen solche drei Prozent schon mal ordentlich zu Buche, sodass sich viele Kunden überlegen werden, sich in den sechs Monaten mit reduzierter Mehrwertsteuer ein neues Fahrzeug zuzulegen. Was bei Lebensmitteln und anderen Dingen des täglichen Bedarfs Centbeiträge sind, die wenig relevant anmuten, ergibt dann bei einem Auto mit 40.000 Euro Anschaffungspreis schon mal schlappe 1200 Euro Ersparnis. Der Effekt dürfte zwar nicht ganz so groß wie bei einer Abwrackprämie sein, aber eben in jedem Fall schon mal deutlich spürbar bei solch hochpreisigen Gütern, wie es Autos nun mal sind.

Ich will jetzt hier übrigens gar nicht der 19-prozentigen Mehrwertsteuer das Wort reden, denn ich finde schon, dass diese Abgabe reformiert gehört. Schließlich belastet diese Steuer vor allem Menschen mit geringem Einkommen überproportional, da sie für alle gleich ist und ärmere Menschen eben einen größeren Teil ihres Geldes für alltägliche Konsumgüter ausgeben, als dies bei Wohlhabenden der Fall ist. Was mir dabei allerdings vorschweben würde, wäre eine Art progressiver Mehrwertsteuer: Ein niedriger Satz (bis hin zu null Prozent) würde auf Güter erhoben, die elementare Alltagsgüter sind, und auf solche, die nachhaltig, fair und ökologisch einwandfrei produziert wurden. Je mehr etwas dann in den Bereich Luxus fällt oder aufgrund von hoher Umweltbelastung, Ausbeutung und Klimaschädlichkeit hergestellt und transportiert wird, desto höher fällt auch die Mehrwertsteuer aus. Auf diese Weise könnte dieser Steuer tatsächlich auch eine Steuerungsfunktion zukommen, dass nämlich Menschen mit viel Geld eben mehr zahlen und Produkte attraktiver werden, deren Herstellung weniger schädlich ist. Nur mal so als Idee in den Raum gestellt …

Aber so was ist natürlich von unserer Regierung nicht zu erwarten, stattdessen gibt es dann mal wieder reinen Wirtschaftspopulismus in Form dieser halbjährigen Absenkung des Mehrwertsteuersatzes. Na ja, aber überrascht das wirklich, wenn man sich die charakterlich defizitären und inkompetenten Gestalten in Regierung und Ministerriege so anschaut? Wohl kaum …

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