Mein wunderbares Kind hat entschieden, wie es auf die Welt kommen möchte. Hocherhobenen Hauptes streckte sie der Welt erstmal ihren Hintern entgegen – irgendwie ist das ja auch ein Statement.
Ich habe mich immer gegen den Begriff „mein Kind liegt falsch herum“ gewehrt. Falsch impliziert, dass mein Kind noch im Bauch bereits etwas „nicht richtig“ macht, etwas verkehrt ist und / oder anders „besser“ wäre. Das wollte ich nicht. Sie lag nicht „falsch“, sie lag einfach so, wie es bei den meisten Geburten nicht üblich ist. Auch ich als Mutter oder die Natur haben nichts falsch gemacht.
Mit meiner kleinen Geschichte möchte ich anderen Müttern Mut machen, auf sich und ihr Bauchgefühl zu hören. Ich bin keine Hebamme, keine Ärztin, Pflegefachkraft; ich kann keine Empfehlungen geben und selbstverständlich verläuft auch jede Schwangerschaft anders.
Ich kann meine Geschichte erzählen und somit, wie es laufen kann.
Irgendwann in der 28. Woche war klar, dass mein Baby in der Beckenendlage liegt. Da lag sie auch schon eine ganze Weile und hat es sich gemütlich gemacht. Mit jeder Vorsorgeuntersuchung stieg die Hoffnung oder vielmehr auch der Wunsch, dass sie sich noch dreht und mit dem Köpfchen zuerst das Licht dieser Welt erblicken möchte. In meiner Vorstellung lag sie wie erwähnt nicht „falsch“, allerdings war ich eine Spätgebärende mit einer sehr entspannten Schwangerschaft und natürlich muss man sich bei einer Kindslage in BEL plötzlich Gedanken machen, die man sich bei einer Kindslage mit Köpfchen nach unten nicht machen muss.
Noch war also Zeit. Bis zur 36. Woche drehen sich noch sehr viele Kinder. Mit jeder Vorsorgeuntersuchung jedoch wurde immer klarer, welchen Weg sich meine Tochter für ihre Geburt aussuchen würde.
Denn: meine Tochter blieb stur. So stand also irgendwann die Frage im Raum, auf welche Art und Weise ich denn gebären möchte. Mein Gynäkologe, bei dem ich mich bis dahin sehr gut aufgehoben gefühlt habe, hatte dazu eine ganz klare Meinung. In meinem Alter und als Erstgebärende gab es für ihn keine Alternative zum Kaiserschnitt. Nun halte ich den Kaiserschnitt für einen wunderbaren Weg, ein Kind auf die Welt zu bringen. Da aber auch die spontane Geburt bei BEL nicht ausgeschlossen ist, wollte ich nicht so einfach einem Kaiserschnitt zustimmen, ohne mich über beide Möglichkeiten informiert zu haben.
Ich sprach mit meiner Hebamme. Sie hat mich sehr einfühlsam und kompetent durch die Schwangerschaft begleitet und ich vertraute ihr sehr. Sie war das genaue Gegenteil meines Gynäkologen und sprach sich ganz klar pro spontane Geburt auch bei BEL aus, so es die medizinischen Voraussetzungen hergaben.
Bereits vor der Feststellung, dass meine Tochter in BEL lag, habe ich mich für die Filderklinik nahe Stuttgart entschieden. Es ist eine anthroposophische Klinik und auch wenn ich mit dieser Richtung wenig gemein habe, so hat mich ihre wertschätzende Haltung zum Thema Entbindung und Wochenbett doch sehr angesprochen. Wie es der Zufall so wollte, ist diese Klinik unter anderem auf spontane Entbindungen bei BEL spezialisiert. Volltreffer!
Ich entschied mich also für einen Termin in der BEL – Sprechstunde der Filderklinik. Ich wollte alle Argumente für und gegen eine spontane Geburt hören, bevor ich mich für einen Geburtsweg entscheiden wollte.
In der 36. Woche war dieser Termin. Mein Kind hat sich bis dahin nicht gedreht, ich musste nun also langsam eine Entscheidung treffen. Auch wenn eine Drehung immer noch möglich gewesen wäre, so sollte ich mich doch so langsam mit allen Möglichkeiten der Geburt auseinandersetzen und für mich überlegen, ob ich spontan gebären möchte oder einen (geplanten) Kaiserschnitt wählen möchte. Der Termin fand mit einer Oberärztin statt. Mein Mann durfte trotz der Pandemie dabei sein. Er war in diesem Moment eine sehr wichtige Unterstützung. Die Ärztin untersuchte mich und das Baby sehr genau, vermaß mein Becken und das Kind. Meine Tochter war während der Schwangerschaft immer sehr klein und zierlich, aber völlig gesund.
Zurück zur Sprechstunde. Die Beschaffenheit meines Beckens – nicht zu eng – und die Größe meines Kindes – klein und zierlich – sowie weitere Parameter (Gesamtverlauf der Schwangerschaft, Plazentaversorgung und so weiter) ließen die Ärztin zu dem Schluss kommen, dass nichts gegen eine spontane Geburt sprechen würde. Für eine äußere Wendung war es allerdings zu spät, denn mein Baby lag schon zu tief im Becken.
Wir wurden über die Risiken aufgeklärt, die - und ich zitiere die Ärztin - anders, aber nicht höher wären als wenn das Köpfchen unten läge. Bei einer Beckenendlage kann es passieren, dass die Kinder stecken bleiben – dieses Risiko gibt es aber auch bei einer Kopfgeburt. Es kann sein, dass die Babys bei der Geburt die Arme nach oben reißen und mit den Ärmchen stecken bleiben, so dass man die Arme mechanisch rausziehen müsste - dabei könnte es zu einem Schulter- oder Armbruch kommen.
Das ist natürlich nicht schön und hört sich brutal an, aber Risiken kann es bei jeder Geburt geben und sind sehr selten.
Die Oberärztin hat uns in keine Richtung gedrängt oder in irgendeiner Art und Weise beeinflusst, sie hat uns ebenfalls sehr ausführlich über den Kaiserschnitt und dessen Risiken aufgeklärt - und uns mit dem Rat entlassen, beide Optionen genau abzuwägen und am Ende auch auf das Bauchgefühl zu hören. Ihrer Meinung nach stehen mir beide Arten der Entbindung offen, sollte es bei einer spontanen Geburt zu einem Risiko kommen, stehe bei einer BEL Entbindung auch immer ein Kaiserschnitt – Team in den Startlöchern.
Ich bin sehr positiv aus dem Gespräch gegangen und hatte einen wunderbaren Eindruck von der Klinik.
Nach dem Termin habe ich mit meiner Hebamme gesprochen und sie empfand es so wie mein Mann und ich als ganz wunderbar, dass ich jetzt beide Möglichkeiten habe. Es war nun an mir, das Gespräch sacken zu lassen und dann ganz in Ruhe eine Entscheidung zu treffen.
Mein Bauchgefühl tendierte immer mehr zu einer spontanen Geburt.
Als ich jedoch bei meiner nächsten Vorsorge mit meinem Gynäkologen darüber sprach und von meinem Termin in der Filderklinik erzählte, erhielt meine Euphorie und mein Bauchgefühl einen argen Dämpfer.
Zuerst schlug die MFA am Empfang – eine ausgebildete Hebamme und seine Frau - die Hände über den Kopf und meinte wortwörtlich, sie empfände es als sehr unverantwortlich von der Filderklinik, einer Frau in meinem Alter, dazu noch erstgebärend, zu einer spontanen Geburt bei einer BEL zu raten. Sie kam aus dem Kopfschütteln gar nicht mehr heraus und versuchte erst gar nicht, ihr Entsetzen vor mir zu verbergen.
Mein Gynäkologe selbst war ein bisschen diplomatischer und sprach immer wieder von einem „höheren Risiko“, aber das „müsse ich ja selber wissen“ und „naja, die Klinik wird schon wissen was sie tut“ sowie „Nicht ohne Grund wäre es die einzige Klinik in der Umgebung, die spontan in BEL entbinden würde“ (was im Nachhinein auch gar nicht stimmt).
Ich musste ihm dann erklären, dass es laut Klinik kein „höheres“ sondern maximal „anderes“ Risiko gäbe. Diese Klinik hat sehr viel Erfahrung damit. Ich respektiere, dass er eine andere Sicht auf die Dinge hat, mir die Art und Weise der Vermittlung aber nun doch sehr befremdlich vorkäme.
Ich war zu dem Zeitpunkt schon sehr überzeugt davon, dass ich spontan gebären wollte. Eigentlich. Denn ich war hochschwanger. Emotional nicht mehr ganz zurechnungsfähig. Wenn es um die Sicherheit und das Leben meines Kindes ging doch sehr leicht zu verunsichern. Und das war großer Mist von meinem Gynäkologen. Selbstverständlich darf er anderer Ansicht sein, selbstverständlich darf er mir seine Sicht der Dinge erläutern und selbstverständlich muss er nicht mit meinem Weg einverstanden sein. Ich empfand die Art und Weise jedoch als sehr wertend, manipulativ und diskreditierend gegenüber der Klinik. Das war nicht in Ordnung.
Ich stieg zu meinem Mann nach dem Termin ins Auto und brach erstmal in Tränen aus. Meine Gedanken überschlugen sich. Ging ich wirklich höheres Risiko ein? Gefährdete ich mein Kind, nur weil ich mir in den Kopf gesetzt habe, spontan entbinden zu wollen? Habe ich wirklich an alles gedacht, abgewägt, konnte ich meinem Bauchgefühl trauen? Plötzlich war nicht mehr alles so klar, wie es bis vor dem Termin schien.
Wir fuhren in einen großen Supermarkt zum Einkaufen und während ich so meinen Einkaufswagen durch diesen riesigen Supermarkt schob, wurde mir von Regal zu Regal bewusster, dass diese ablehnende Haltung meines Gynäkologen eigentlich genau das Gegenteil in mir bewirkte, als er wollte.
Ich war ihm am Ende des Einkaufes zutiefst „dankbar“.
Er hat mich und meine Entscheidung nochmal auf die Probe gestellt und mich noch einmal intensiv in mich hineinhören lassen. Er hat mich bestärkt, auf mich zu hören, auf mein Bauchgefühl. Genau dieses Bauchgefühl sagte mir eindeutig, dass ich die spontane Geburt versuchen möchte.
Mir war bewusst, dass es jederzeit während der Geburt oder vielleicht auch schon vorher zu einem Kaiserschnitt kommen könnte und das war absolut ok für mich. Dieses Backup hatte ich jederzeit und mir erschien die Klinik kompetent genug, zu jedem Zeitpunkt das Richtige zu tun und auf keinen Fall mein Baby zu gefährden.
Meine Hebamme betreute mich weiterhin und bestärkte mich sehr in meiner Entscheidung, es auf jeden Fall zu versuchen, dieses Kind spontan auf die Welt zu bringen.
Und so kam es dann auch.
Am 29. Oktober bekam ich gegen 23.00 Uhr die ersten leichten Wehen. Mit Wehen im 5 Minutenabstand fuhr ich dann am 30. Oktober um 8.00 Uhr in die Filderklinik.
Um 17:16 Uhr kam mein Kind auf die Welt – spontan geboren, gesund und sehr munter.
Die Geburt:
Wer jetzt nicht mehr weiterlesen möchte, sollte es auch nicht tun. Es ging alles gut und wie es so schön heißt – Mutter und Kind waren wohlauf.
Einzelheiten erspare ich euch.
Als ich in den Kreissaal geschoben wurde, war es für eine PDA bereits zu spät. Ich hätte allerdings auch keine gewollt, da ich wusste, dass diese unter Umständen das Empfinden und die Kraft mindern kann und man gerade bei einer Entbindung in BEL am Ende alle Kräfte braucht.
Tatsächlich kam es während der Geburt zu einem Geburtstillstand. Mein Kind steckte im Becken fest und für einen kurzen Moment ging nichts mehr voran. Ich hatte starke Schmerzen und fühlte mich total erschöpft.
Ich befand mich im Schmerzdellirium und hörte nur noch auf die Anweisungen der Hebamme und der Oberärztin, die die Geburt von Anfang an begleitete. Mein Mann, der natürlich alles viel klarer mitbekam, erzählte mir später, dass bereits vor der Tür alle Weichen für einen Kaiserschnitt gelegt wurden.
Die Hebamme und die Ärztin waren ein unglaublich eingespieltes Team und leiteten mich wunderbar durch die Geburt. Sie gaben mir klare Anweisungen und erhöhten irgendwann das Tempo – mein Mann sprach anschließend von „sie prügelten mich durch die Geburt“, natürlich nur im übertragenen Sinne.
Auf meine Frage, wie es meinem Kind ginge, erhielt ich die ehrliche Antwort „nicht gut, aber ok. Mit den nächsten 3 Presswehen muss das Baby jetzt auf die Welt kommen, ansonsten müssen wir einen Kaiserschnitt machen“.
In diesem Moment war mir nur die Sicherheit und das Leben meines Kindes wichtig. Alles andere spielte keine Rolle mehr. Wie in Trance befolgte ich alle Anweisungen der Ärztin („Pressen Sie hierhin, stärker, noch mehr ….“), bekam am Rande mit, wie sie 3x einen Dammschnitt machen musste und dass der Kinderarzt den Kreissaal betrat und vor der Tür anderen Menschen standen (die, wie ich im Nachhinein erfahren habe, für einen Kaiserschnitt bereit standen).
Und dann war sie da. Ihren Po habe ich während der Geburt schon mehrfach kurz gesehen, aber mit einer unglaublich anstrengenden und schmerzhaften Presswehe war sie da. Meine Tochter. Spontan entbunden in Beckenendlage. Gesund. Alles was während der Geburt passierte hätte auch passieren können, wenn der Kopf meiner Tochter unten gelegen hätte.
Der Kinderarzt machte einen kurzen Check, befand dass alles in Ordnung war und lies mich, mein Kind und meinen Mann auch schon in Ruhe.
Ich hatte es wirklich geschafft. Herzlich willkommen auf dieser Welt, kleines Mädchen!
Anmerkungen:
· Wäre es zu einem Kaiserschnitt gekommen, kurz vor oder während des Geburtsvorganges, dann wäre es so gewesen und es wäre ok gewesen.
· Ich vermeide den Begriff „natürliche“ Geburt und bevorzuge „spontane“ Geburt, denn auch ein Kaiserschnitt ist nicht weniger eine Höchstleistung einer Frau und führt zu dem gleichen Ergebnis - ein Kind kommt auf die Welt. Ich finde diese wertenden Begriffe furchtbar, aber das ist ein anderes Thema.
Ich kann jeder Schwangeren, deren Kind in Beckenendlage liegt und die mit einer spontanen Geburt auseinandersetzen möchte, nur folgendes raten:
· Sucht euch eine Klinik, die sich auf Beckenendlagen spezialisiert hat und vereinbart dort einen Termin für ein Vorgespräch und eine ausführliche Untersuchung. Die medizinischen Voraussetzungen müssen natürlich gegeben sein. Sind sie das nicht, und das ist nicht selten, geht kein Risiko ein und entscheidet euch gleich für einen Kaiserschnitt. Ich hätte es nicht anders gemacht.
· Entscheidet ihr euch von vornherein für einen Kaiserschnitt, dann ist das eine wunderbare Entscheidung, die ihr getroffen habt. Es gibt zwei Möglichkeiten, ein Kind auf die Welt zu bringen und ihr habt eine davon gewählt. Euren Weg. Und der ist gut so wie er ist.
· Sprecht mit eurem Partner/Partnerin. Es ist zwar euer Körper, aber euer gemeinsames Baby. Sprecht über eure Ängste, Befürchtungen und alle Gedanken und Gefühle, die mit der Geburt in Zusammenhang stehen. Mein Mann überlies am Ende komplett mir die Entscheidung und gab mir immer das Gefühl, egal für welchen Weg ich mich entscheiden würde, er steht zu 100 Prozent hinter mir und geht diesen Weg mit mir.
· Beginnt nicht, zu googeln und ignoriert das Internet (außer diesen Bericht natürlich). Macht ihr eh nicht, also beschränkt euch auf seriöse Seiten. Horrorgeschichten gibt es immer zu lesen, belastet euch nicht damit.
· Hört auf euer Bauchgefühl.
P.S. Eine spontane Geburt in BEL ist gar nicht so selten, wie uns manche Ärzte weiß machen wollen. Früher kamen spontane Geburten auch noch viel häufiger vor.
P.P.S: Alles Gute für euren Weg. Egal welchen ihr einschlagen werdet, es ist EUER Weg gemeinsam mit EUREM Kind.
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