Ich höre hektisches Tippen am anderen Ende. Dann die Stimme meiner Freundin Sabine, konsterniert: "Da bin ich anscheinend zu blöd dafür."

Oh Mann, ich ächze genervt in den Hörer. Sie weiß, wie ich zu diesem Satz stehe. "Dass ausgerechnet du diesen Kackspruch immer wieder sagen musst?"

"Jaaa, Sprache schafft Bewusstsein, ich weiß es doch."

Ich schweige. Klar weiß sie. Sabine ist promovierte Linguistin.  Sie ist klug und in ihrem Fach richtig gut. "Frag deine Assistentin, die kann das", sage ich abschließend und wechsel  das Thema. Der heutige Abend ist für uns reserviert. Wir sind schließlich Freundinnen, schon ewig lange und das soll auch so bleiben.

"Wenn irgendwas nicht funktioniert ist jemand anderes blöd. Jedenfalls wenn man Gerald fragt. Da ist der Scheiß halt kaputt. Da funktioniert eben was  bei denen nicht, da kapiert der andere eben nicht."

"Den Part übernimmst du ja dann gerne."

"Neee, ist dir das noch nicht aufgefallen? Meistens suchen die Frauen oftmals den Fehler erst mal bei sich, Männer hingegen, so toll sie auch sind, suchen erstmal außerhalb. Zack."

"Zack", bestätige ich und denke an diverse Autofahrten, bei denen der durchdringende Geruch nach schwelendem Gummi immer vom Vordermann kommt und nicht etwa von unserem Auto. Bis wir dann einmal tatsächlich mit einem großem Problem am Straßenrand standen, nachts um drei. Ich rolle mit den Augen.

Wir sind bei Kneipe 2 unserer Tour. Immer wieder möchten wir es doch schaffen, eine komplette Tour durch die Altstadt zu machen wie früher. Meistens knicke ich spätestens bei Kneipe 3 ein. Nicht, weil ich zu viel getrunken habe, sondern weil ich müde bin und an den nächsten Tag denke und noch dieses und jenes.

Sabine riecht den Braten.  "Dann bestellen wir uns noch aber ein letztes Glas Wein, okay?"

Ich nicke. "Warum sagst du eigentlich immer wieder diesen Satz? Dazu bin ich zu blöd ... Bei manchen rechnet man damit, aber nicht bei jemanden wie dir."

"Ist halt so ne Gewohnheit und ... "Sie fängt meinen Blick auf und nimmt meinen Text vorweg. "Jaaaa: Sprache schafft  Bewusstsein, ich weiß, ich weiß."

Ich hebe die Hände. "Oh Jesses." Regelmäßig zucke ich zusammen, wenn ich diesen Satz höre, egal von wem.

"Sagen wir mal so: Ich hab das schon ein paar Mal gesagt, um zu signalisieren, dass ich da keinen Bock dazu habe. Meine wertvolle Zeit nicht mit so einem Installierscheiß verbringen will. Klar könnte ich das. Doch das würde dauern. "

Und da sagst du dann lieber: "Bin ich zu blöd für?"

"Ist doch fein: Der andere fühlt sich automatisch besser, klüger und schneller als ich und will das auch sofort beweisen." Sie grinst mich breit an und ich weiß, wen sie da vor Augen hat.

"Ist ein Standpunkt, aber auch kein sehr netter", sage ich und trinke einen großen Schluck meines Weins. Nach Glas 3 beginnt die Stunde der Wahrheit zu schlagen und das war schon immer so.

"Komm mir bloß nicht mit deinem Eso Karma Scheiß jetzt."

"Nö, wie könnte ich nur?"

Es ist kurz nach eins. Mein müder Punkt ist überschritten, der nächste aber schon deutlich in Sicht. Bis auf Schmitti an der Theke -  der fest behauptet mich von früher zu kennen, jedes Mal, wenn ich hier auftauche - sind nur noch zwei Gäste hier.

"Likörchen die Damen oder Schnaps? Geht aufs Haus", ruft Bruno uns zu. Er will definitiv zu machen.

"Eher Schnaps als Likör", rufe ich zurück.

Eine Viertelstunde später stehe ich leicht schwankend vor meinem Fahrrad und versuche die Zahlenkombination richtig einzustellen, was gar nicht so einfach ist bei der Schummerbeleuchtung. "Bin ich zu blöd für ..." pruste ich.

"Ach was, der Scheiß ist kaputt." Sabine kichert und knickt dann unelegant um.

Wir lachen beide.

Auf dem Heimweg überlege ich weiter, was dahinter steckt. Stecken könnte? Ist es nicht auch einfach Verantwortung abgeben? Jedenfalls ist das kein Satz in meinem Repertoire und es bleibt dabei.

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