Wie steht es um das gesellschaftliche Verhältnis von Mann. Und Frau im Jahr 2023? Ein oftgehörtes und diskutiertes Thema: Wie steht es um das-Selbstverständnis der gesellschaftlichen Rollen von Mutter und Vater?

Kämpften unsere Vorfahrinnen dafür, dass der Traum unserer Töchter die Teilnahme bei Germanys next Topmodel ist?

Als ich jung war dachte ich: Das mit der Gleichberechtigung, das haben unsere Mütter und Großmütter ausgefochten. Das Thema gehörte für mich in die Vergangenheit. Im Laufe meines weiteren Lebens musste ich meine Meinung in jeder folgenden Lebensphase revidieren.

Meine Großmutter, Jahrgang 1904, war eine durchaus emanzipierte Frau ihrer Zeit. Als ausgebildete Hutmachermeisterin baute sie ihr Geschäft mit drei Kindern gezwungenermaßen ganz alleine auf während mein Großvater anderweitig berufstätig oder im Krieg war. Meine Mutter, die Älteste von den drei Kindern, musste schon früh Verantwortung für ihre kleinen Brüder übernehmen. Sie erlebte ihre eigene Mutter als omnikompetent, erfindungsreich, resolut und -- erschöpft, sie starb mit Anfang 60.

Schon früh beschloss meine Mutter, dass sie, wenn sie einmal Kinder haben sollte, sich ausschließlich um diese kümmern mochte. Das tat sie auch -- in den 60ern und 70ern war dieses Lebensmodell wirtschaftlich oftmals noch möglich und folgte der idyllischen Vorstellung, die wir Töchter als „spießig“ empfinden sollten und verachteten. Der Vater verdient den Lebensunterhalt, die Mutter kümmert sich um die Nachkommen, um Harmonie, Haus und Hof. Ihre Talente, ihren Beruf, stellte sie zugunsten der Familie zurück, gab alles für die Familie und dafür ihren Mann in seinen Bestrebungen zu unterstützen, ihm den „Rücken frei zu halten.“

Für uns Töchter allerdings, war es schon erstrebenswert eine gute Ausbildung, gar ein Studium zu absolvieren. Wir sollten einmal finanziell unabhängig unser Leben bestehen können. Doch spätestens, wenn es um die Frage ob Kinder oder nicht ging, standen auch wir vermeintlich am Scheideweg: Karriere oder Kinder. Eine Frage, die noch heute kein Mensch einem jungen Mann stellen würde. Wenn eine Frau erfolgreich war in ihrem Beruf, dann litt wahrscheinlich, so die Annahme, die Familie, insbesondere die Kinder. Wenn sie sich hingegen „nur“ um ihre Kinder kümmerte, dann galt sie schon ein bisschen als rückständig und wurde schnell, leider vor allem von anderen Frauen als einfältig verurteilt. Entschied sich eine Frau keine Familie zu gründen, „stimmte irgendetwas nicht“ oder sie war einfach bedauernswert, da sie keinen abgekriegt hat oder eben einfach nicht weiblich genug war.

Ich rede in der Vergangenheit, merke aber mit Schrecken, dass zu vieles in der Gegenwart noch zutrifft. Jahrzehntelang wurden wir immer am Maßstab gemessen, den Männer gesetzt haben. Wir maßen uns selbst daran. So glaubten wir in der Berufswelt nur bestehen zu können, wenn wir genauso agieren, denken, kämpfen und uns behaupten wie Männer.

Auch heute noch glauben wir uns rechtfertigen zu müssen, egal, was wir tun. Und alles am besten und auf einmal machen. Natürlich besonders gut, natürlich immer mit einem Lächeln im Gesicht, natürlich immer perfekt gestylt. Haben wir damit Erfolg, wird womöglich unsere „Weiblichkeit“ in Frage gestellt.

Sind wir Mütter, haben wir ausgeglichen, zufrieden und geduldig zu sein. Wir sind oftmals alleine zuständig für den reibungslosen Familienalltag, das nette Wohnambiente und den wohlgeratenen Nachwuchs und falls dieser sich nicht ganz so wohlgeraten entwickeln sollte, dann gerät zunächst immer noch zu oft ausschließlich die Mutter in den Fokus bei der Frage nach Schuld: Dann waren wir eben zu überfordert mit Karriere und Familie ...

Käme je jemand auf die Idee, einen Mann zu fragen, wie er es schafft, Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen? Wir sollen nicht nur ausgebildet und gebildet sein, wir sollen auch noch schön sein und sexy. Nicht nur Hure und Heilige in einer Person, nein auch noch promoviert. Unsere Töchter werden von früh an in den Medien gehirngewaschen, falls wir nicht aufpassen. Germanys next Top model lässt grüßen.

Kommt es immer noch auf nichts anderes im Mainstream an, als darauf „zu gefallen“?


Nicht nur Frauen, die in der Öffentlichkeit stehen, werden sehr genau betrachtet und beurteilt, leider oftmals besonders kritisch von ihren Geschlechtsgenossinnen. Jedes Kilogramm, das sie zunehmen, wird kommentiert, jede modische Verfehlung aufgebauscht. Wehe, eine Frau kleidet sich unpassend oder nicht „altersgemäß“, wehe, sie ist unsportlich, zu dick, nicht modebewusst, aus welchen Gründen auch immer (vielleicht legt sie einfach keinen Wert auf ihr Äußeres?) Dann wird ihr schnell die Weiblichkeit abgesprochen. Käme je jemand auf die Idee, das bei einem Mann zu tun?

Wir alle werden älter. Die Hälfte der Menschheit darf es aber nicht. Während viele Frauen sich extrem bemühen gepflegt, sportlich und schlank zu bleiben, wird es oftmals bei einem Mann augenzwinkernd als Attribut des „gestandenen Mannes“ angesehen, einen Bierbauch vor sich herzuschieben und sehr viel selbstverständlicher akzeptiert, dass Besenreiser in kurzen Hosen dem Anblick der Welt zugemutet werden.

Wir wundern uns, wenn wir irgendwann erschöpft sind, im schlimmsten Fall krank werden ob der Überbelastung aus Vollzeitjob, Familie, Haushalt und schlechtem Gewissen. Wenn mir da noch jemand achselzuckend sagt: Ja, unsere Mütter, die haben das alles alleine gewuppt und noch gearbeitet. Ganz ehrlich: Ich könnte kotzen.

Meine damals heranwachsende Tochter fragte mich vor einigen Jahren, warum ein Junge, der mit vielen Mädchen schon was hatte ein toller Hecht sei, ein Mädchen hingegen eine Schlampe, DA fragte ich mich, ob ich im falschen Film sei.

Hat sich noch immer nichts geändert?

Wenn es hart auf hart kommt, dann vertritt selbst manche 20-Jährige noch immer unreflektiert die Meinung, dass eine Frau selbst schuld sei, wenn sie sexuell belästigt wird.

Dass nun an vielen Universitäten Hygineartikel kostenlos zur Verfügung gestellt werden, finde ich einen selbstverständlichen, längst überfälligen Schritt in die richtige Richtung. Dabei kann ich nur mit den Achseln zucken ... die Hälfte der Menschheit menstruiert. Als ich erfuhr, welche öffentliche Reaktionen es da von jungen Männern gab, wurde ich ratlos. Wo seid ihr denn aufgewachsen? Wer hat euch erzogen? Und weiter noch: Welches Bild von Frauen wird da nach wie vortransportiert? Vorgelebt? Wer sind die Vorbilder?

Hat man euch nicht beigebracht respektvoll gegenüber jedem und jeder zu sein?

Es geht mir hier nicht um eine Emporhebung der Frauen „über“ Männer. Nur in einem respektvollen Miteinander auf gleicher Höhe können wir etwas bewirken und es gibt wahrlich vieles zu tun.

Wir Frauen müssen wieder in unsere Authentizität kommen und nicht weiter versuchen uns ständig zu messen mit dem anderen Geschlecht. Wir sollten uns ergänzen. Ein jeder in seiner Fähigkeit, seinem Wissen und seinem Talent. Es geht nicht mehr darum, etwas zu beweisen.

Wohin uns das geführt hat?

Sehen wir uns um in der Welt, in der ein Einzelner Milliarden ausgibt, um sich für 11 Minuten ins All schießen zu lassen, während täglich noch immer Millionen von Menschen auf diesem Planeten an Hunger leiden, Kriege toben und von uns selbst verschuldete Naturkatastrophen Opfer fordert.


Ein echter Fortschritt wäre es, gemeinsam alles zu tun, um diesen Planeten zu retten, auf dem wir und unsere Nachkommen friedlich leben könnten. Die Mittel dazu hätten wir.

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