Deutschland gehört zu den sichersten Ländern der Welt, so hat es Bundesinnenminister Horst Seehofer vor wenigen Tagen in einer Pressekonferenz erklärt. Zur Untermauerung dieser Aussage erklärte er, die Kriminalität in Deutschland ist seit 2005 um rund 15 Prozent gesunken. Eine solche Aussage verwundert, scheint doch das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung ein gänzlich anderes zu sein. Dass die tatsächliche und die gefühlte Sicherheitslage nicht identisch sein muss, ist nachvollziehbar. Gerade in der heutigen Zeit mit der Vielzahl an Nachrichten und sozialen Medien, kann man schnell den Eindruck bekommen, man lebe in einem Land voller Verbrechen und Terror. Doch die Entkopplung von tatsächlicher und gefühlter Sicherheitslage macht sich auch in der Politik bemerkbar. Keine Wahl in einem Bundesland oder im Bund vergeht, ohne dass nicht die Parteien mit einer personellen Aufstockung bei der Polizei, mit mehr Befugnissen und Ausrüstung werben. Und alle drei Punkte sind im höchsten Maß für einen freiheitlichen, liberalen Staat bedenklich. Die personelle Ausstattung bei der Polizei sollte ausschließlich bedarfsgerecht erfolgen, gleiches gilt auch bei den Befugnissen. Befugnisse der Polizei können nicht grenzenlos sein und in einer stetig wachsenden Überwachung der Bevölkerung ausufern. Richtig kritisch wird es aber auch bei der Ausrüstung, hier kann man nämlich einen zunehmenden Trend zur Militarisierung der Polizei feststellen.
Abschussanlagen und Bewaffnung
Wasserwerfer oder besonders gesicherte Räumfahrzeuge sind bei der Polizei nicht neu, sondern ein fester Bestandteil seit Jahrzehnten. Ganz anders sieht es aber aus, wenn es um Panzerfahrzeuge mit besonderer Ausstattung bei der Polizei geht. Diese Fahrzeuge die von der Presse gerne als "Super-Polizeifahrzeuge" oder "Polizeipanzer" vorgestellt werden, sind ein Dammbruch in der Innenpolitik. Hier handelt es sich nämlich nicht um einfache Fahrzeuge, die über eine Panzerung verfügen und damit über einen Schutz für Polizeikräfte. Würde es nur darum gehen, könnte man dieses noch halbwegs verstehen. Doch diese Fahrzeuge, die als "Survivor R" zum Beispiel bezeichnet werden, können umfangreich aufgerüstet werden. So können diese Fahrzeuge mit einer Abschussanlage für Tränengas, für Nebelgranaten und auch mit einer modularen Waffenstation für eine Doppelbewaffnung ausgestattet sein. Zur weiteren Ausstattung gehört aber auch eine Schutzbelüftungsanlage, die zum Beispiel vor atomaren, biologischen und chemischen Kampfstoffen schützen soll. Und damit ist eine Grenze in mehrfacher Hinsicht überschritten. Die Polizei ist nicht das Militär, dementsprechend verbietet sich hier eine solche Ausstattung, die heute schon in vielen Bundesländern vorhanden ist. Begründet wird die Notwendigkeit dieser bis zu 500.000 Euro teuren Fahrzeuge, mit der Bedrohung durch Terrorismus. Dieser Argumentation kann man nur auf den ersten Blick folgen. Sollte es in Deutschland zu einem Terroranschlag kommen, so werden die ersten Polizeikräfte immer die normalen Streifenwagenbesatzungen sein. Bis jetzt ein solches Panzerfahrzeug vor Ort ist, wird in der Regel ein Terroranschlag schon gelaufen sein. Wofür also ein solches Fahrzeug? Und vor allem, wann ist es Terror und damit die Einsatzgrundlage für dieses Fahrzeug? Wobei laut den Herstellern sich ein solches Fahrzeug auch gut zur "Krawallbekämpfung" eignen würde. Hier muss man sich schon die Frage stellen, will man ernsthaft mit Panzerwagen mit Abschussanlagen für Tränengas und Nebelgranaten auf die eigene Bevölkerung losgehen? Ein solches Fahrzeug schreit gerade dazu, auch bei anderen Lagen eingesetzt zu werden. Die Gewerkschaft der Polizei sieht darin im Übrigen kein Problem, wenn Abschussanlagen vorhanden sind. Ein weiteres Problem bei diesem Thema ist aber auch die fehlende Transparenz. Wie viele Fahrzeuge vorhanden sind und wie die tatsächliche Ausstattung ist, wird oftmals mit der Begründung: "Details zu Art und Ausstattung der Fahrzeuge obliegen einem besonderen Geheimhaltungsinteresse.", abgelehnt. Diese Art der Ablehnung der Auskunft stammt aus einer Landtagsdrucksache in Baden-Württemberg gegenüber einem Abgeordneten. Selbst Abgeordnete dürfen wohl nicht mehr wissen, wie die Polizei ausgestattet ist. Damit wird ein Teilbereich der Polizei der Kontrolle der Abgeordneten entzogen, aber auch der Bevölkerung. Und das ist in einer Demokratie nicht akzeptabel.
Politik ist hier gefordert
Ob in Berlin, Hamburg, Sachsen, Nordrhein-Westfalen oder Brandenburg, wo diese Militärfahrzeuge sich bereits im Polizeidienst befinden, ist eine sofortige Umkehr geboten. Deutschland braucht keine Schattenarmee auf Ebene der Landes- oder Bundespolizei. Hier ist der Bundestag gefordert, aber auch die jeweiligen Landesregierungen. Und hier gilt es dann auch nicht nur die Fahrzeuge kritisch zu hinterfragen, sondern auch die generelle Frage der Bewaffnung, zum Beispiel mit Sturmgewehren bei der Polizei. Doch ob eine Unterbindung noch möglich ist, ist fraglich. So gab es jüngst Meldungen nach denen die Bundespolizei mit ähnlichen Fahrzeugen, aber mit einer stärkeren Bewaffnung ausgestattet werden soll.
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