Die Serie „Vermischtes“ stellt eine Ansammlung von Fundstücken aus dem Netz dar, die ich subjektiv für interessant befunden habe. Die "Fundstücke" werden mit einem Abschnitt des Textes, der paraphrasiert wurde, angeteasert. Um meine Kommentare nachvollziehen zu können, ist die vorherige Lektüre des verlinkten Artikels empfohlen; ich übernehme keine Garantie für die Richtigkeit oder Vollständigkeit der Zusammenfassungen. Für den Bezug in den Kommentaren sind die einzelnen Teile durchnummeriert; bitte zwecks der Übersichtlichkeit daran halten. Dazu gibt es die "Resterampe", in der ich nur kurz auf etwas verweise, das ich zwar bemerkenswert fand, aber zu dem ich keinen größeren Kommentar abgeben kann oder will. Auch diese ist geordnet (mit Buchstaben), so dass man sie gegebenenfalls in den Kommentaren referieren kann. Alle Beiträge sind üblicherweise in der Reihenfolge aufgenommen, in der ich auf sie aufmerksam wurde.
Fundstücke
1) Democratic Presidents Have Better Economic Performances than Republican Ones
Harry S. Truman prägte den Ausspruch: "Wenn du wie ein Republikaner leben willst, wähle einen Demokraten." Dies reflektiert die Ansicht, dass Demokraten für Wohlstand stehen, nicht die GOP. Tatsächlich zeigen Wirtschaftsdaten, dass durchschnittliche Amerikaner unter demokratischen Präsidenten hinsichtlich Lohnzuwächsen und Arbeitsplatzschaffung deutlich besser abschnitten als unter Republikanern. Die Gründe hierfür sind vielfältig und nicht immer eindeutig, reichen von fiskalpolitischen Anreizen unter Joe Biden bis zu restriktiveren Maßnahmen wie unter Bill Clinton. Trotz überlegener Wirtschaftsleistung unter Demokraten neigt die Öffentlichkeit dazu, Republikanern eine bessere Kompetenz in Wirtschaftsfragen zuzuschreiben, möglicherweise aufgrund mangelnder Kommunikation seitens der Demokraten. Von 1980 bis 2019 erhielten Arbeiter unter demokratischen Präsidentschaften real 40-mal größere Lohnerhöhungen als unter Republikanern. Auch bei der Schaffung von Arbeitsplätzen schnitten Demokraten besser ab, mit durchschnittlich 2,1 Millionen neu geschaffenen Arbeitsplätzen pro Jahr im privaten Sektor im Vergleich zu 950.000 unter Republikanern. Unter Biden setzte sich dieser Trend mit 2,7 Millionen Jobs pro Jahr fort. Interessanterweise war das jährliche Wirtschaftswachstum seit 1980 unter beiden Parteien fast gleich, was darauf hindeutet, dass Demokraten effektiver darin waren, den Wohlstandszuwachs auf durchschnittliche Arbeiter zu verteilen, anstatt ihn bei den Wohlhabenden zu konzentrieren. Viele demokratische Politiken zielen darauf ab, Unternehmen dazu zu bewegen, Gewinne gerechter zu verteilen, beispielsweise durch öffentliche Infrastrukturprojekte, die neue Arbeitsplätze schaffen, oder durch die Unterstützung von Mindestlohnerhöhungen und stärkeren Gewerkschaften. Die republikanische Strategie des "Trickle-Down"-Effekts, die auf Steuersenkungen und Deregulierung setzt, hat wenig dazu beigetragen, den Wohlstand auf Arbeiter zu verteilen, was zu Lohnstagnation und geringem Jobwachstum führte. Trotz der wirtschaftlichen Erfolge unter Demokraten mangelt es der Partei an effektiver Kommunikation ihrer Errungenschaften, insbesondere in Bezug auf "wirtschaftliche Freiheit" und die Verteilung des Wohlstandswachstums auf durchschnittliche Arbeiter. Die Betonung demokratischer Politiken, die zur Verteilung des Wohlstands beitragen, könnte entscheidend sein, um entfremdete Arbeiter zurückzugewinnen und nachhaltige Mehrheiten zu sichern. Demokraten haben eine starke Geschichte zu erzählen und sollten diese im Wahlkampf 2024 deutlich machen. (John E. Schwarz, Washington Monthly)
Der Vergleich hat natürlich mehr Löcher als ein Schweizer Käse. Sowohl Obama als auch Biden kamen inmitten einer (durch ihre Vorgänger maßgeblich mitverantworteten) Depression ins Amt. Da schaffe ich natürlich eine Menge Arbeitsplätze. Auch die gewählte Metrik der Reallohngewinne und Arbeitsplatzgewinne ist natürlich eine, die demokratische Präsidenten bevorzugt, weil deren Politiken in diese Richtung gehen, während die republikanischer Präsidenten sich eher auf Börsenkurse, Aktiengewinne, Kapitalerträge etc. fokussieren und davon ausgehen, dass die dann durch die Wirtschaft durchgereicht werden (während Democrats argumentieren würden, dass ihre Politik hochgereicht würde). Nichtsdestotrotz bleibt es als Wahrheit bestehen, dass die breite Masse eher von den demokratischen als den republikanischen Politiken profitiert. Inwieweit sich das politisch ummünzen lässt, sei einmal dahingestellt - die angebliche Wirtschaftskompetenz konservativer Parteien lässt sich als Mythos nicht totkriegen und hängt sicher auch mit den Schwerpunkten der Rhetorik zusammen.
In Schulen sind Smartphones heute omnipräsent und stellen eine neue Herausforderung für Lehrkräfte dar, weit über traditionelle Störungen wie Spickzettel oder heimliche Rauchpausen hinaus. Italien, Großbritannien und die Niederlande haben bereits Maßnahmen ergriffen, um die Nutzung von Smartphones und Tablets in Schulen einzuschränken oder zu verbieten. In Deutschland wird über ein generelles Handyverbot an Schulen diskutiert, allerdings ohne Einigkeit. Der Bundeselternrat lehnt ein solches Verbot ab und setzt stattdessen auf die pädagogische Kompetenz der Lehrkräfte sowie auf sinnvolle Konzepte für den Einsatz digitaler Endgeräte, die in Absprache mit Eltern und Schülern entwickelt werden sollten. Laut einer Umfrage von YouGov befürworten jedoch 66 Prozent der Menschen in Deutschland ein Handyverbot an Schulen, wobei die Meinungen je nach Altersgruppe variieren. In Deutschland, wo Schulen Ländersache sind, gibt es kein allgemeines Verbot privater Smartphones in Schulen, und die Kultusministerkonferenz plant keine entsprechende Empfehlung. Die Schulen haben jedoch die Möglichkeit, die Nutzung im Schulalltag zu beschränken. Trotz der Debatte um Verbote sehen Kinderärzte negative Folgen der intensiven Smartphone-Nutzung, wie Haltungsprobleme, Übergewicht und Konzentrationsschwächen, und befürworten Einschränkungen, besonders in Pausenzeiten. Gegner von Handyverboten argumentieren, dass Verbote Schulen rückwärtsgewandter und realitätsferner machen würden. Stattdessen wird gefordert, Medienbildung zu stärken und die Nutzung von Smartphones im Unterricht unter bestimmten Bedingungen zu erlauben, um Schüler in einem unterstützten Rahmen an die Medien heranzuführen. Es mangelt jedoch oft an Ressourcen, um alternative Ansätze zu Verboten zu verfolgen. Einige Schulen experimentieren mit neuen Ansätzen, wie dem Abgeben von Smartphones zu Unterrichtsbeginn, um die Interaktion und das gemeinsame Spiel unter Schülern zu fördern. In Deutschland gibt es bisher keine einheitliche Regelung, und die Schulen suchen nach individuellen Lösungen, um mit den Herausforderungen der Smartphone-Nutzung umzugehen. (News4 Teachers)
Das ist schon fast ein Witz. Die Dinger haben hohes Ablenkungspotenzial? No shit. Ich bin zuversichtlich, wenn wir das Lesen von Romanen im Unterricht erlauben würden, hätten die Dinger auch "hohes Ablenkungspotenzial". Diese Debatte ist echt weird. Schließlich gibt es praktisch niemanden, der argumentiert, dass Handys im Unterricht einfach zur völlig freien Nutzung zur Verfügung stehen sollen. Diese ständigen hilflosen Versuche, mit kategorischen Verboten die Realität umformen zu wollen, sind ohnehin zum Scheitern verurteilt. Der Verbotsreflex gerade bei Konservativen liegt natürlich immer nahe, aber was soll das tun? Eine flächendeckende Kontrolle ist nicht möglich, und die Schüler*innen werden Wege finden, gerade in den Pausen, die Dinger zu benutzen. Im Unterricht ist das eine völlig andere Geschichte, aber, erneut, das steht ja gar nicht zur Debatte.
3) Warum wir Moral nicht den Grünen überlassen dürfen
In der aktuellen gesellschaftlichen Debatte hat sich das Verhältnis zwischen Moral und Politik verschoben: Früher galten Konservative als Bewahrer von Moral und Tugend, während Linke mehr Freiheit forderten. Heute scheinen die Rollen getauscht: Die Grünen treten als neue Moralapostel auf, und die Konservativen betonen Freiheit, wie es das neue Grundsatzprogramm der CDU, „In Freiheit leben“, verdeutlicht. Diese Entwicklung wird kritisch gesehen, da Moral als wesentlich für die Gesellschaft angesehen wird, die Orientierung bietet und zu Verantwortung anregt. Die Diskussion zeigt eine Polarisierung, bei der Konservatismus fälschlicherweise als rechte Gefahr und Moral als linksgrüner Rigorismus wahrgenommen wird. Trotz der Abwendung von moralischen Fragen bei den Konservativen besteht in der Gesellschaft der Wunsch nach ethischen Mindeststandards. Es wird gefordert, dass Konservative ihre traditionellen Werte, einschließlich einer tiefen moralischen Verankerung, wieder stärker betonen und in Zeiten von Krisen Haltung zeigen. (Hannah Bethke, Welt)
Ich stimme dem Artikel grundsätzlich völlig zu, mit einer Ausnahme: der Begriff der Moral wurde weder "von den Grünen gekapert" noch wurde er "den Grünen überlassen". Das wäre wie zu behaupten, dass der Begriff "neoliberal" von der FDP gekapert wurde. Die Liberalen und Konservativen haben den Moralbegriff aktiv als politischen Kampfbegriff gebraucht und ihn den Grünen umgehängt. Das ständige Reden von "Moralisierung" und so weiter ist DIE politische Hauptkampflinie der Bürgerlichen (und selbst der LINKEn, Sahra Wagenknecht etc.!) der letzten Jahre, und es war auch außerordentlich erfolgreich. Dass Bethke jetzt hier so tut, als hätten die Grünen das selbst getan (die den Begriff meines Wissens nicht selbst benutzen, wenngleich sie natürlich INHALTLICH durchaus moralische Forderungen vertreten!) ist mehr als wohlfeil.
Es ist aber völlig korrekt, dass "Moral" mittlerweile eine untrennbar mit den Grünen verbundene Kategorie ist und dass dies früher für die Konservativen galt. Ebenso richtig ist, dass umgekehrt die Progressiven den Begriff der Freiheit völlig verloren (oder abgegeben, je nachdem ob man die Aktiv- oder Passivkonstruktion bevorzugt) haben. David Brooks hat in diesem lesenswerten Aufsatz darauf hingewiesen, dass aktuell eher Opfer- und Ausgrenzungsdiskurse die Linke bestimmen, nur um ein willkürliches Beispiel zu nehmen. Ich denke, beide Seiten würden profitieren, sich hier anzunähern - allein, das macht politisch nur wenig Sinn. So sehr es der Programmatik der CDU guttäte, sie profitiert in Wahlkämpfen von der scharfen Trennung, weswegen ich nicht sehe, warum das passieren sollte.
4) Why Elon Musk Is the Second Most Important Person in MAGA
Die rechte politische Landschaft in den USA erlebt eine bemerkenswerte Konzentration der Macht und Bewunderung um zwei Persönlichkeiten: Donald Trump und Elon Musk. Während Trumps Rolle gut dokumentiert ist, steht Musk als Schlüsselgestalt des rechten Spektrums im Rampenlicht, insbesondere durch seine Plattform X (ehemals Twitter), die er als "öffentlichen Platz" der Rechten kontrolliert. Trotz Musks kontroversen Lebensstils feiert ihn die Rechte, inklusive Teile der christlichen Rechten, als Verteidiger gegen die Linke. Eine Analyse zeigt, dass rechte Medienwebseiten seit 2020 massiv an Besuchern verloren haben, mit Ausnahme von Newsmax. Dies verdeutlicht die zentrale Rolle von X für die rechte Öffentlichkeit. Die Plattform prägt die rechte Rhetorik und verschiebt den Fokus von fundierten Argumenten hin zu schnellen, provokativen Aussagen, was die Radikalisierung fördert und den Umgang mit freier Meinungsäußerung beeinflusst. Die Abhängigkeit von X und die zunehmende Bedeutung Musks für die rechte Szene haben tiefgreifende Auswirkungen auf die Ausrichtung und den Diskurs der Bewegung, wobei Attitüde über Ideen dominiert und die Bewegung sich weiter von ihren intellektuellen Ursprüngen entfernt. (David French, New York Times)
Dies sei einmal als Hinweis an jene hier eingestellt, die - der Vergleich zur Abtreibungsproblematik drängt sich auf - stets der Überzeugung waren, die Kritik sei völlig übertrieben. Ich weise auch daraufhin, dass sie von David French kommt; das ist jetzt nicht eben ein Linker. Twitter wird tatsächlich immer mehr zu einer rechten Plattform. Wenn man seine eigene Timeline kuratiert und sich nicht um gesposorte Posts schert, kann man dem ganz gut entgehen, aber die weiteren Effekte sind ziemlich offenkundig und auch offenkundig nicht besonders geil. Letztlich entsteht ein weiteres Medium wie FOX News, das der Radikalisierung der eigenen Blase dient.
5) Von Minuswachstum bis Nettoneutralität – Die fatalen Träume der Klima-Asketen
Die Diskussion um den Klimawandel endet häufig mit der Forderung nach Verzicht als Lösung – vom Verzicht auf Fleisch bis hin zu Reisen. Gegenwärtig wird in der Debatte oft eine strenge Askese als notwendig erachtet. Dies führt jedoch dazu, dass weltweit die CO₂-Emissionen eher steigen als sinken. Ein Grund dafür könnte die verbreitete Botschaft des Schrumpfens sein, die nicht nur den Verbrauch fossiler Brennstoffe, sondern auch die Marktwirtschaft selbst infrage stellt. Diese Botschaft wirkt auf viele abschreckend, da sie mit Wohlstandsverlust verbunden wird. Es gibt allerdings klügere Ansätze zur CO₂-Reduktion, die nicht auf Verzicht basieren. Fortschritte in der Atomkraft, künstlicher Intelligenz und Innovationen wie Fleisch aus dem Labor oder CO₂-Abscheidung und -Speicherung bieten potenzielle Lösungen, ohne auf Lebensqualität zu verzichten. Der Mensch hat in der Vergangenheit viele Krisen gemeistert und ist anpassungsfähig – es gilt, diese Anpassungsfähigkeit auch im Kontext des Klimawandels zu nutzen und nicht in Untergangsstimmung zu verfallen. (Ansgar Graw, Welt)
Ich bin völlig bei Graw - und den vielen anderen Leuten, die Degrowth für keinen gangbaren Weg halten, um den Klimawandel zu bekämpfen. Mir geht es dabei nur sekundär um die Sachargumente, sondern vor allem um die politische Ebene. Es ist schlichtweg nicht mehrheitsfähig. Ich habe deswegen auch überhaupt keine Geduld mit diesen "im globalen Maßstab gehören wir zu den Top 10% und verbrauchen Faktor X mehr als Leute in Senegal", weil das einer Bürgergeldbezieherin völlig egal ist und auch sein muss. Die Vorstellung, wir könnten global eine Umverteilung organisieren, bei der die "entwickelten" Länder abspecken, ist so ein vollkommener Unfug, dass ich jedes Mal die Haare raufen möchte, wenn es wieder irgendwo von linker Seite formuliert wird. Wenn man zuverlässig den Klimaschutz torpedieren will, muss man nur Degrowth-Fantasien raushauen.
Resterampe
a) Capital (!) kritisiert die Blockade der Wärmepumpen durch die Bürgerlichen und den Boulevard.
c) Der Westen muss jetzt schnell für den Krieg rüsten, wenn er Frieden will.
d) Spannender Thread zum Holocaust-Gedenken in Guatemala (!).
e) Fareed Zakaria über Israel und Biden.
f) Es ist so wichtig, dass der CSU-Generalsekretär so was schreibt.
g) Die Serie der Einzelfälle geht weiter.
h) Der deutsche Sozialstaat ist nicht aufgebläht.
i) Gute Übersicht zur Bezahlkarte.
j) Amazon und die Profitabilität des Marketplace.
k) Michael Kretschmer will Obergrenze von 60.000 Flüchtlingen pro Jahr bis 2030. Cool, und wie setzen wir das um? Irgendwelche Zahlen auf Papier schreiben ist easy.
l) Bundeswehr: Boris Pistorius will »Richtungsentscheidung zur Wehrpflicht« bis 2025. Ich bleibe skeptisch.
m) Lehrkräfte zwangsversetzen? Warum das bald wieder in den Fokus rücken könnte. Wird Wunder gegen den Lehrkräftemangel leisten.
n) Here’s why I’m still bullish on Biden.
o) Why are so many restaurants struggling? Interessant, dass das Problem in anderen Ländern auch besteht. Spricht gegen die abnorme Wirkung der Mehrwertsteuersenkungsrücknahme, gegen die die Restaurants gerade so polemisieren.
p) Macrons starkes Signal an Frauen in aller Welt.
q) Wie die Kommission die EU auf Kriegswirtschaft umstellen will.
r) Ich verstehe diese Leute einfach nicht.
s) Dad Culture Has Nothing to Do With Parenting. Yep.
Fertiggestellt am 06.03.2024
Dir gefällt, was Stefan Sasse schreibt?
Dann unterstütze Stefan Sasse jetzt direkt: