Der Münsteraner Kreis ist ein informeller Zusammenschluss von multidisziplinären Experten, die sich kritisch mit der Alternativmedizin auseinandersetzen. Er wurde 2016 gegründet und geht auf eine Initiative von Dr. Bettina Schöne-Seifert, Professorin für Medizinethik an der Universität Münster, zurück. Die derzeitigen Mitglieder des Kreises sind:

  • Prof. Dr. Manfred Anlauf, Mitglied der Arzneimittelkommission der BÄK, Bremerhaven
  • Dr.-Ing. Norbert Aust, Informationsnetzwerk Homöopathie, Schopfheim
  • Dr. Hans‐Werner Bertelsen, Praxis für Zahnmedizin, Bremen
  • Juliane Boscheinen, Rechtsanwältin, Institut für Deutsches, Europäisches und Internationales Medizinrecht, Gesundheitsrecht und Bioethik, Universität Mannheim
  • Prof. Dr. Dr. Edzard Ernst, University of Exeter
  • Dr. Daniel R. Friedrich, Institut für Ethik, Geschichte und Theorie der Medizin, Universität Münster
  • Prof. Dr. Hans-Georg Hofer, Institut für Ethik, Geschichte und Theorie der Medizin, Universität Münster
  • Prof. Dr. Paul Hoyningen‐Huene, Zentrale Einrichtung für Wissenschaftstheorie und Wissenschaftsethik, Universität Hannover
  • Prof. Dr. Dr. Peter Hucklenbroich, Institut für Ethik, Geschichte und Theorie der Medizin, Universität Münster
  • Dr. Eva-Maria Jung, Philosophisches Seminar, Universität Münster
  • Prof. Dr. Marie I. Kaiser, Abteilung Philosophie, Universität Bielefeld
  • Prof. Dr. Ulrich Krohs, Philosophisches Seminar und Zentrum für Wissenschaftstheorie, Universität Münster
  • Prof. Dr. Holger Lyre, Bereich Philosophie, Universität Magdeburg
  • Dr. Benedikt Matenaer, Facharzt für Anästhesie und Schmerztherapie, Palliativmedizin, Bocholt
  • Dr. Claudia Nowack, Fachärztin für Allgemeinmedizin, Diplom-Psychologin, Münster
  • Dr. Jan‐Ole Reichardt, Institut für Ethik, Geschichte und Theorie der Medizin, Universität Münster
  • Prof. Dr. Norbert Schmacke, Versorgungsforschung, Institut für Public Health und Pflegeforschung, Universität Bremen
  • Dr. Eugen Schmid, Gynäkologe, Zürich
  • Prof. Dr. Bettina Schöne‐Seifert, Lehrstuhl für Ethik der Medizin, Universität Münster
  • Prof. Dr. Oliver R. Scholz, Philosophisches Seminar, Theoretische Philosophie, Universität Münster
  • Dr. Markus Seidel, Zentrum für Wissenschaftstheorie, Universität Münster
  • Prof. Dr. Jochen Taupitz, Institut für Deutsches, Europäisches und Internationales Medizinrecht, Gesundheitsrecht und Bioethik, Universität Mannheim
  • Dr. Christian Weymayr, freier Wissenschafts‐ und Medizinjournalist, Herne


Seit seiner Gründung hat der Münsteraner Kreis eine Reihe von einflussreichen Dokumenten publiziert:

  • März 2022: Münsteraner Memorandum Wissenschaftsorientierte Medizin, in dem wir uns mit dem Anspruch der moderne akademische Medizin auseinandersetzen, die Erfolgsaussichten ihrer Behandlungsmaßnahmen nach dem jeweiligen wissenschaftlichen Erkenntnisstand erklären und empirisch belegen zu können. Dieses Memorandum soll dazu dienen, die Ziele und Grundbegriffe der WOM im Spiegel der Covid-19-Pandemie darzulegen.
  • April 2021: Homöopathie – 10 Sprachverwirrungen. Eine Handreichung, in der wir auf Formulierungen aufmerksam machen möchten, die sich im allgemeinen Sprachgebrauch breitgemacht haben und sogar in Homöopathie-kritischen Medienbeiträgen verwendet werden, die jedoch aus der Werbe- und Verwirrsprache der Homöopathie stammen. Zu diesen Begriffen möchten wir Alternativen anbieten.
  • März 2018: Münsteraner Memorandum Homöopathie, in dem wir die Abschaffung der Zusatzbezeichnung Homöopathie fordern. Ärztekammern verleihen diese Zusatzbezeichnung Ärztinnen und Ärzte, die entsprechende Fortbildungen nachweisen. Dadurch bekommt die esoterische Heilslehre der Homöopathie einen seriösen Anstrich, der ihr in einem wissenschaftlich orientierten Gesundheitswesen nicht zusteht.
  • August 2017: Münsteraner Memorandum Heilpraktiker, in dem wir eine Abschaffung oder grundlegende Reform des Heilpraktikerberufs anregen. Wenn Sie das Memorandum unterstützen möchten, schreiben Sie bitte eine Mail an unterstuetzer [at] muensteraner-kreis.de.

Kürzlich wurde ein weiteres Memorandum veröffentlicht; es beschäftigt sich mit der sog. ‚Integrativen Medizin‘. Hier ist eine Zusammenfassung des Dokuments:

Die Zusammenführung von Alternativmedizin und konventioneller Heilkunde wird seit den 1990er Jahren zunehmend als Integrative Medizin (IM) bezeichnet und hat andere Termini dieses Bereichs weitgehend abgelöst. Heute ist IM auf allen Ebenen vertreten.

Die IM wird oft mit der These von dem ‚Besten beider Welten‘ charakterisiert. Eine allgemein anerkannte Definition der IM existiert jedoch nicht. Gängige Beschreibungen der IM betonen:

die Kombination von konventionellen und komplementären Verfahren,

  • die Ganzheitlichkeit im Verständnis der Heilkunde,
  • die hohe Bedeutung der Arzt-Patienten Beziehung,
  • die Hoffnung auf einen optimalen Therapieerfolg,
  • die Fokussierung auf den Patienten,
  • den hohen Stellenwert des Erfahrungswissens.

Bei genauerem Hinsehen zeigen die Beschreibungen der IM zahlreiche Ungereimtheiten. Es wird z.B. von ärztlicher Medizin gesprochen, aber auch betont, dass alle relevanten Berufe einbezogen würden. Es wird die wissenschaftliche Evidenz hervorgehoben, aber gleichzeitig betont, dass IM selbst Behandlungsweisen die Homöopathie und weitere unbelegte Verfahren inkludiere und lediglich durch Evidenz ‚geleitet‘, also nicht wirklich evidenzbasiert sei. Es wird behauptet, die IM sei ‚ergänzend zur wissenschaftlich begründeten Medizin‘ zu verstehen; dies impliziert jedoch, dass IM selbst nicht wissenschaftlich begründet ist.

Die These vom ‚Besten beider Welten‘ beeindruckt viele. Wenn man jedoch nachforscht, was unter dem ‚Besten‘ zu verstehen ist, stellt man fest, dass dieser Begriff nicht annähernd so wie in der konventionellen Medizin interpretiert wird. Viele Ansprüche der IM sind elementare Bestandteile jeder guten Medizin und können somit nicht zu den charakterisierenden Eigenschaften der IM gezählt werden. Schließlich ist kaum zu übersehen, dass die Anhänger der IM diese als Vorwand benutzen, um unbewiesene oder widerlegte Verfahren in die konventionelle Medizin einzubringen. Entgegen anderslautenden Versprechungen hat IM kein erkennbares Potential zur Verbesserung der Medizin. Sie stiftet vielmehr Verwirrung und bringt erhebliche Gefahren mit sich. Dies kann nicht im Interesse von Patientinnen und Patienten liegen.

Vor diesem Hintergrund ist zu fordern, dass die IM auf allen Ebenen kritisch hinterfragt wird.

Der Münsteraner Kreis appelliert insbesondere:

  • an Universitäten und Medizinische Fakultäten, die kritische Auseinandersetzung mit der IM und ihren irreführenden Versprechen zu fördern, ihrer Verbreitung nicht weiter tatenlos zuzusehen sowie IM-Initiativen sorgfältiger und mit mehr Mut zur Demarkation zu prüfen,
  • an Journalisten, Medien und Verlage, der IM und ihrer vermeintlichen Attraktivität mit informierter Skepsis zu begegnen, direkte und indirekte Gefahren zu benennen und damit zu einer verantwortungsvollen Risikokommunikation beizutragen,
  • an Entscheidungsträger in Medizin und Gesundheitswesen, der mit der IM offenkundig einhergehenden Gefahr des Einschleusens unbelegter oder widerlegter alternativer Verfahren konsequent entgegenzuwirken; keine ineffektiven und gefährlichen Parallelstrukturen in wissenschaftsorientierter Medizin und Gesundheitsversorgung zu befördern.

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