Achtung: Neue Artikel-Struktur, experimentell, gerne Feedback.
Die Serie „Vermischtes“ stellt eine Ansammlung von Themen aus dem Netz dar, die ich subjektiv für interessant befunden habe. Die Themen werden inhaltlich angerissen und dann von mir kommentiert. Für den Bezug in den Kommentaren sind die einzelnen Teile durchnummeriert; bitte zwecks der Übersichtlichkeit daran halten. Dazu gibt es die "Resterampe", in der ich nur kurz auf etwas verweise, das ich zwar bemerkenswert fand, aber zu dem ich keinen größeren Kommentar abgeben kann oder will. Auch diese ist geordnet (mit Buchstaben), so dass man sie gegebenenfalls in den Kommentaren referieren kann. Alle Beiträge sind üblicherweise in der Reihenfolge aufgenommen, in der ich auf sie aufmerksam wurde.
Vermischte Themen
1) Terroranschlag gegen Tesla
Linksextremisten haben sich zu einem Brandanschlag auf die Stromversorgung der Tesla-Fabrik in Brandenburg bekannt, der auch in der Region zu Stromausfällen führte. Die Gruppe, die sich „Vulkangruppe“ nennt, fordert in einer Botschaft den Stopp von Tesla und sendet Grüße an alle im Widerstand. Tesla rechnet mit einem Schaden im neunstelligen Bereich und einer Produktionspause. Elon Musk kritisiert die Aktion als „extrem dumm“. Die Sicherheitsbehörden prüfen das Bekennerschreiben. Die „Vulkangruppe“ hatte bereits 2021 einen ähnlichen Anschlag verübt. Der Brandanschlag führte zu umfangreichen Stromausfällen und einer Evakuierung der Tesla-Fabrik. Politiker und Sicherheitsbehörden reagieren entschlossen und fordern eine strenge Verfolgung der Täter. In der Nähe der Fabrik protestieren Klimaaktivisten gegen Tesla, distanzieren sich jedoch von dem Anschlag. Die Aktivisten fordern einen Stopp der Fabrikerweiterung und setzen sich für einen umweltfreundlicheren Umgang ein.
Das ist dann vermutlich der lang erwartete Klimaterrorismus. Wie bei Terror üblich ist er nicht nur kriminell und zerstörerisch, sondern auch mit zahllosen Kollateralschäden behaftet und dürfte dem Anliegen nicht eben zuträglich sein. Mir ist einfach unklar, was solche Leute antreibt. Werden die vom vorbildhaft großen Erfolg der Stadtguerilla und dem Ausbruch einer revolutionären Grundstimmung in den 1970er Jahren durch den RAF-Terror motiviert (man beachte den Sarkasmus)? Was glauben diese Vollidioten, hier erreichen zu können? Ich sehe zwei Pole bei dieser Geschichte, wie sie auch bei der RAF sichtbar waren (daher mein Vergleich). Auf der einen Seite fand seinerzeit eine deutliche Überreaktion statt (die Berufsverbote, pars pro toto), auf der anderen Seite gab es im linksintellektuellen Spektrum eine moralische Verirrung, die ihresgleichen suchte (die Welt warnt unter dem Titel "Die Saboteure fühlen sich sogar ermutigt" genau davor); man denke nur an dieses absurde "was würdest du tun, wenn Mohnhaupt vor der Tür steht?"). Es ist gut, dass die Klimaaktivist*innen sich deutlich distanzieren. Ich hoffe, dass der Staat und die Politik das als das nehmen, was es ist: kriminelle Handlungen, für die wir strafrechtliche Verfahren haben. Was wir sicher nicht brauchen ist eine rhetorische und folgend legislatorische Eskalation.
2) TV-Duell zwischen Voigt und Höcke
Mario Voigt, Landes- und Fraktionschef der Thüringer CDU, befindet sich in einer komplexen Situation. Trotz der Oppositionsrolle unterstützt seine Partei regelmäßig Entscheidungen der rot-rot-grünen Minderheitsregierung, teils als Reaktion auf die Ministerpräsidentenwahl 2020. Voigt, weniger bekannt als seine Konkurrenten Bodo Ramelow (Linke) und der als verfassungsfeindlich eingestufte Rechtsextremist Björn Höcke (AfD), sieht seine Chance in der Landtagswahl im September nur, wenn die CDU mindestens den zweiten Platz erreicht. Er beabsichtigt, Ramelow zu überholen und die Wahl als Duell zwischen sich und Höcke darzustellen, unter dem Kalkül, dass Wähler, die die AfD verhindern wollen, CDU wählen sollten. Jedoch wird Voigts Ansatz, die AfD anzugehen, als falsch, gefährlich und den Rechtsextremisten eher dienlich kritisiert. Insbesondere ein geplantes Fernsehduell mit Höcke auf Welt-TV birgt das Risiko, Höcke eine Plattform zu bieten und den Eindruck zu erwecken, die AfD sei eine normale Partei, was sie nicht ist.
Ich weiß nicht, ob mich die Kritik überzeugt. Wer ein Plädoyer gegen das Duell möchte, wird unter "Lasst endlich die Normalisierung!" bei der taz fündig. Letztlich haben beide Seiten gute Argumente: auf der einen Seite bietet ein solches Duell Höcke eine Gelegenheit, normalisiert zu werden und kostenlos Wahlwerbung zu betreiben. Auf der anderen Seite ist die Idee Voigts, die Wahl als Duell zwischen Demokratisch-Rechts und Radikal-Rechts zu stilisieren, auch nicht komplett Banane. Das hat ja in der Vergangenheit an anderer Stelle auch schon funktioniert. Für mich hängt das glaube ich weniger an der Struktur "TV-Duell" per se als an der Durchführung. Wenn einerseits die Moderation ordentlich ist (und das ist ein großes "Wenn"; die TV-Duelle 2013 und 2017 waren katastrophal, was das angeht) und andererseits Voigt es vermag, sich tatsächlich als demokratische Alternative zu inszenieren und das Ganze nicht zu einer "Höcke desavouiert die Demokratie"-Show verkommen zu lassen. Ich kenne Voigt nicht, aber wenn er sich zum Bannerträger stilisiert (sekundiert von der Welt), dann hat er eine ziemlich große Verantwortung auf seine Schultern geladen. Es wäre fatal, wenn er zu einer Art zweitem Kemmerich wird.
3) Der Doppelstandard des Staates bei Protesten
In Brandenburg haben Bauernproteste zu gefährlichen Situationen geführt, als Traktoren und Misthaufen auf einer Straße platziert wurden, was zu Unfällen führte. Politische Reaktionen waren jedoch minimal. Dies steht im Kontrast zur harten Behandlung friedlicher Proteste in der Vergangenheit, insbesondere bei den "Letzten Generation" Demonstrationen. Die Politik sollte ihre Doppelmoral im Umgang mit Protesten überdenken und angemessen reagieren. Es besteht die Gefahr, dass der Staat Schaden erleidet, wenn er sowohl zu hart als auch zu nachsichtig ist. Protest ist legitim, aber Grenzen sind einzuhalten. Der Bauernverband distanzierte sich von den gewalttätigen Aktionen und warnte vor einer Vermischung mit extremistischen Gruppen. Es wird gefordert, dass der Staat konsequent gegen Gewalttäter vorgeht und Druck auf Bauernvertreter ausübt, die Gewalt tolerieren. Die derzeitige Reaktion des Staates auf gewalttätige Proteste ist unzureichend und könnte den Glauben an den Rechtsstaat untergraben.
Ich bin bei dem Thema ganz bei Jonas Schaible, der im Spiegel unter dem Titel "Der gefährliche Doppelstandard des Staates" einen solchen vorwirft. Die harsche Kritik ist dabei kein linkes Phänomen: In der Welt etwa findet sich der Titel "Diese Protestformen sind undemokratischer und strafbarer Mist". Auffällig ist tatsächlich das Missverhältnis zur Reaktion auf die "Letzte Generation". Der eine Bauernprotest auf der Autobahn hat nachweislich mehr Leute ins Krankenhau gebracht und mehr Sachschaden angerichtet als alle Blockaden der "Letzten Generation", aber ein vergleichbarer gesellschaftlicher Wutausbruch bleibt aus. Auch sind drakonische Strafforderungen oder gar Präventivstrafen aus Bayern nicht zu vernehmen.
Dieser Doppelstandard erstreckt sich auch auf weitere Demonstrationen, wie in den bäuerlichen Gewaltandrohungen (in auffälligem Gegensatz zum passiven Festkleben) oder dem harten Vorgehen der Polizei gegenüber eher nachsichtigerem im anderen Fall zu sehen ist. Besonders erwähnenswert ist da Markus Söder, der den Grünen angesichts der Störungen "Mimosenhaftigkeit" vorwirft. Das ist der gleiche Ministerpräsident, dessen Polizei präventiv Leute mit Sekundenkleber in Haft nahm. Ist eben immer anders, wenn der politische Gegner betroffen ist. Das ist übrigens kein Aufruf zu "der vollen Härte des Rechtsstaats" oder ähnlicher dümmlicher Parolen gegen die Bauern. Aber der Doppelstandard geht gar nicht.
4) Von der Leyen und die EVP
Die Europäische Volkspartei (EVP) betont auf ihrem Parteitag in Bukarest ihre Abgrenzung gegenüber Rechtsradikalen. Trotzdem werfen andere Parteien der EVP vor, einen rechtsoffenen Wahlkampf zu führen. Das Wahlprogramm der Konservativen zeigt eine klare Verschiebung nach rechts, weg von klimabezogenen Themen hin zu Sicherheits- und Verteidigungspolitik sowie restriktiverer Migrationspolitik. Obwohl das Programm einstimmig verabschiedet wurde, gibt es interne Bedenken, insbesondere bezüglich der Atomkraft und der Außenpolitik. Ursula von der Leyen soll zur Spitzenkandidatin gekürt werden, was wahrscheinlich ist, jedoch könnte die Zusammenarbeit mit rechtspopulistischen Parteien nach den Wahlen problematisch sein. Die EVP wird sich gegen Vorwürfe der fehlenden Abgrenzung nach Rechtsaußen verteidigen müssen, während andere Parteien eine klare Distanzierung von rechtsextremen Gruppen fordern.
Das für die Christdemokraten nicht unproblematische an der ganzen Veranstaltung ist, dass es ein "ein rechtes Programm für die liberale Kandidatin" ist. Von der Leyen ist ja jetzt nicht unbedingt eine Rechtsaußen-Scharfmacherin, aber das ist das Programm, mit dem die Partei unter Manfred Weber antritt. Inwiefern der selbst Getriebener des allgemeinen Rechtsrucks ist, kann ich nicht beurteilen, aber dass er rechts von von der Leyen steht, dürfte glaube ich unkontrovers sein. Mir fällt es auch schwer zu beurteilen, inwieweit das die Arbeit der EVP im Parlament nachher prägen wird; im Europäischen Parlament regiert ja ohnehin immer eine Große Koalition. Wenn sich da jemand berufen fühlt: gerne Kommentar!
5) Museumssammlungen
Im Natural History Museum in London lagert ein Großteil der Sammlung im Keller, da nur ein Bruchteil ausgestellt werden kann. Ähnlich ist es in anderen Museen, die mit Überfüllung zu kämpfen haben. Eine Lösung ist der Umzug in neue Lagerzentren, wie es das NHM in Reading durchführt. Der Umzug erfordert spezielle Vorbereitungen, um empfindliche Objekte wie Taxidermie sicher zu transportieren. Museen wie das British Museum und das Smithsonian Museum in Washington, DC, haben bereits mit ähnlichen Umzügen begonnen. Trotz der Herausforderungen bietet der Umzug die Möglichkeit, die Sammlung neu zu entdecken und zu organisieren. Allerdings können fehlende Inventare und gestohlene Objekte Probleme verursachen, die durch modernisierte Lagerhäuser und verbesserte Inventarisierung gelöst werden könnten. Einige Experten plädieren dafür, ungenutzte Objekte zu verkaufen oder zu spenden, um Platz zu schaffen, während andere Museen bereits Objekte aussortieren, um Platz zu schaffen und die Sammlung zu optimieren.
Ich habe das auch erst vor verhältnismäßig kurzer Zeit im Zusammenhang mit dem Streit um die Rückgabe der Beninbronzen erfahren, aber die Museen haben einen riesigen Teil ihrer Exponate in irgendwelchen Kellern. Das ist ja das eine, aber das andere ist, dass davon wiederum ein Großteil noch nie der Öffentlichkeit zugänglich war und wohl auch nie sein wird. Die ganze Argumentation von der Bildung und Erbauung der Besuchenden, die um die Restitutionsdebatten herum aufgebaut wird, fällt damit ziemlich in sich zusammen. Damit bleibt eigentlich nur noch die Idee, dass die westlichen Museen den Kram besonders kompetent aufbewahren würden. Das mag natürlich durchaus sein, und im Zugang für Forschende ist es sicher auch praktisch, wenn man nur in die Kellerarchive des British Museum nach London reisen muss statt nach Nigeria. Aber da läuft einiges aus dem Ruder.
Resterampe
a) Einmal mehr zeigt sich, dass "Originalismus" ein einziger Schmuh ist.
b) Scholz ist halt nicht doof.
c) Sitzt Christian Lindner in der Westerwelle-Falle?
d) Top Beispiel für die "mehr Personal in Steuerprüfung der oberen Bescheide".
e) Obviously, but bears repeating.
f) Dito.
i) Running Out the Clock When Time is of the Essence. Die liefern, was bestellt wurde.
j) Generation Protest? Jetzt hat die Jugend den richtigen Grund, um laut zu werden. Lol, klar, die Jugend protestiert gegen Rentenpläne. Träum weiter.
k) Voters don’t know anything yet. Relevant im Hinterkopf zu behalten.
l) That was a pretty good speech from Joe Biden tonight.
m) Architektonische Doppelmoral bei Rekonstruktionsprojekten.
n) The state of the poor in 2023.
o) Guter Corona-Nachklapp.
p) Klasse Podcast zum Thema, was die AfD auf der Ebene der Verwaltungen anstellen kann, besonders im Schulbereich, wenn sie das KuMi kriegt. Siehe dazu auch den Skandal, dass die Partei im Bundestag über 100 Rechtsextremist*innen beschäftigt.
q) Die AfD will ausgeglichene Geburtenquoten ins Grundgesetz schreiben. Das ist wohl echt Peak "Dumme Zahlen ins Grundgesetz". Die denken das auch voll durch, inklusive Gebärpflicht. Extremistischer Scheißladen.
r) Nette Erinnerung an 2014. Man beachte auch die Rolle der Grünen. Die lagen damals schon richtig.
Fertiggestellt am
Dir gefällt, was Stefan Sasse schreibt?
Dann unterstütze Stefan Sasse jetzt direkt: