Vor einigen Tagen hatte ich eine Videokonferenz, in der ich gefragt wurde, was unser Unternehmen ausmacht. Ich antwortete: „Wir stehen für individuellen Service, Gemeinschaft und Nachhaltigkeit.“
„Ach, Nachhaltigkeit“, sagt mein virtuelles Gegenüber, „das machen ja jetzt alle.“ „Nein“, protestiere ich, „wir machen das wirklich aus Überzeugung! Und dann erzähle ich ihm euphorisch, dass wir das schon seit fünfundzwanzig Jahren so machen und wie sich das alles bis heute entwickelt hat. „Kann ja sein …“, erwidert er und ich höre raus, dass er Mitleid mit mir hat. „Aber ich würde es trotzdem nicht so raushängen.“, mahnt er und legt nach: „Das wirkt inzwischen so abgedroschen.“
Ich war empört! Ja und?! Selbst wenn der Begriff „Nachhaltigkeit“ abgenutzt ist, dann ist es doch die Sache an sich nicht! Schon gar nicht die gute Idee, die dahintersteckt! Ich dachte nach. Oder etwa doch?
Was ist eigentlich unternehmerische Nachhaltigkeit?
Das Thema Nachhaltigkeit ist älter, als die meisten von uns denken. Die ersten Ideen dazu stammen aus der Forstwirtschaft. Da hieß es: Verwende nur so viele Rohstoffe, wie du wirklich brauchst und wenn du einen Baum fällen musst, dann pflanze einen neuen.
Heute gibt es drei Dimensionen von Nachhaltigkeit: Ökonomie, Ökologie und Soziales.
Bisher ging man davon aus, dass die einzelnen Bereiche irgendwelche Schnittmengen haben. Inzwischen weiß man, dass die Natur uns Menschen kein bisschen braucht. Der Mensch aber braucht die Natur, um zu leben und die Wirtschaft braucht eine stabile Gesellschaft, um zu funktionieren.
Unternehmen erforschen Konsuminteressen oder schaffen diese sogar erst. Damit generieren sie Wachstum und wirtschaftliche Erfolge. Auf bestimmten Gebieten, wie zum Beispiel im Produktdesign, wurden aber immer gewisse Phasen ausgeklammert, die unserer Umwelt zunehmend Probleme bereitet haben. Dazu gehören Abfallprobleme oder Emissionsprobleme. Um die Reduzierung dieses Ressourcenverbrauchs geht es beim Thema Nachhaltigkeit in Unternehmen.
Wollen alle Unternehmen nachhaltig sein?
Wenn sich ein Unternehmen entscheidet, nicht mehr Teil der großen globalen Probleme zu sein, sondern Teil der Lösung, hat das unglaublich produktives Potenzial. Das liegt in der Sache der Natur. Solche Unternehmen bewegen sich immer in einem visionären Umfeld voller Innovationen und Tatendrang. Kunden honorieren das und neue Absatzmärkte entstehen. Nachhaltig zu wirtschaften kann also nur gut sein.
Umweltzertifizierungen erfordern häufig aber auch einen hohen Zeit- und Geldaufwand. Das will sich nicht jedes Unternehmen leisten. Gleichzeitig besteht der Druck von Umweltorganisationen und Medien, sich für die Umwelt zu engagieren. Viele Unternehmen sind deshalb darauf bedacht, in der Öffentlichkeit umweltfreundlich aufzutreten.
Die nachhaltige Außendarstellung mancher Unternehmen ist aber bei Weitem nicht immer so grün, wie es scheint. Greenwashing hat sich zu einer neuen Marketingstrategie entwickelt, weil Nachhaltigkeit so hipp ist. Wie Pilze aus einem gesunden Waldboden schießen grüne Zertifikate, die nichts aussagen und Umweltsiegel, die nur der Industrie nutzen.
Sogar die größten Umweltzerstörer surfen inzwischen auf der grünen Welle mit. Sie behaupten, dass ihre Produkte und die damit verbundene Arbeit viel weniger umweltschädlich sind als früher. Manche Unternehmen bekommen von der Politik Auflagen zum Umweltschutz und verkaufen diese dann als werbewirksame Eigenleistung.
Andere Unternehmen wiederum verschweigen ihre Umweltschutz-Erfolge genau aus diesem Grund. Der positive Eindruck, der durch die Bekanntgabe einer Umweltzertifizierung entstehen würde, unterliegt gleichzeitig immer dem Risiko, wegen Heuchelei beschuldigt zu werden.
Sind wir alle Heuchler?
Unser Betrieb ist nachhaltig. Die Idee für das Unternehmen entstand aus dem Grundsatz, Altes zu erhalten und weiter oder wieder nutzbar zu machen. Wir haben eine hauseigene Stromproduktion und Wärmeversorgung und wo es möglich war, wurden Innenhöfe und Dächer begrünt. Bei uns gibt es sichere Arbeitsplätze mit Arbeitsbedingungen, die nach den eigenen Vorstellungen und Werten gerecht und fair gestaltet werden.
Unzählige Dinge unserer täglichen Arbeit werden unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit ausgewählt. Andererseits wollen wir uns nicht ständig mahnenden Zeigefingern beugen und wägen ab, was wirtschaftlich vertretbar ist und was nicht.
Alte Gewohnheiten bei uns führen dazu, dass wir mehr Papier verbrauchen, als wir müssten. Und das, obwohl die Voraussetzungen gegeben wären, weitgehend papierlos zu arbeiten. Ich schalte das Licht und die elektronischen Geräte aus, wenn ich sie gerade nicht brauche. Wenn mir im Winter aber kalt ist, mache ich noch einen Heizlüfter zusätzlich zur Heizung an. Zur Arbeit fahre ich mit dem Auto, weil es mit der S-Bahn doppelt so lang dauern würde.
Jeder von uns lebt und konsumiert. Selbst diejenigen unter uns, die ein Bewusstsein für ihren ökologischen Fußabdruck haben, leben hin und wieder verschwenderisch. Es scheint unmöglich, jedes Handeln an den Folgen für nachfolgende Generationen zu messen. Die Konsequenzen sind für uns oft nicht kalkulierbar.
Ich achte beim Einkauf darauf, Produkte aus biologischer Herkunft oder fairem Handel zu kaufen. Bei vielen Lebensmitteln geht das. Bei anderen Dingen, wie zum Beispiel meinem Smartphone und meinem Computer, funktioniert das nicht so gut. Es wäre möglich, aber äußerst unpraktisch. Das ärgert mich.
Verbraucherverantwortung schön und gut, aber wie soll das funktionieren, wenn ich als Verbraucher nicht mit in den Produktionsablauf einbezogen werde? Ich finde es nicht in Ordnung, dass ich dafür verantwortlich gemacht werde, dass Kinder in der dritten Welt wegen meiner Art zu leben, verhungern müssen. Ein Stück weit muss ich mich doch darauf verlassen können, dass Unternehmen nicht die Umwelt zerstören, Menschenrechte verletzen und Tiere quälen.
Wer rettet die Welt, wenn wir es nicht tun?
Ich sehe die Unternehmen in der Verantwortung, sich ehrlich für ein nachhaltiges Miteinander einzusetzen. Und darum wird Nachhaltigkeit auch weiterhin ein Aushängeschild unserer Unternehmenswerte sein. Wir werden diese Lebensweise stets ehrlich vertreten und unseren Mitarbeitern zeigen, was jeder selbst dazu beitragen kann, dass wir und zukünftige Generationen in einer heilen Welt leben können.
Die Corona-Pandemie hat zur Folge, dass die CO2-Emissionen gesunken sind. Die Luftqualität hat sich aufgrund des eingeschränkten Flugverkehrs verbessert und unter der Wasseroberfläche der Meere ist es ruhiger geworden. Wir straucheln von einem Lockdown in den nächsten und haben viel mehr Zeit denn je, über uns und unser Leben nachzudenken.
Ich habe ein ganzes Jahr lang das Wachsen auf den Feldern beobachtet. Mein Mann und ich haben vegane Kochrezepte ausprobiert und hatten Zeit, anderen Menschen bei alltäglichen Dingen zur Hand zu gehen. Social Distancing fand ich genial, als wir vor einem Jahr dazu aufgerufen wurden. Inzwischen wird mir immer klarer, wie wichtig soziale Kontakte sind.
In meinem Freundeskreis und in der Familie gibt es ähnliche Themen. Umweltbewusstsein hat auch die erfasst, die sonst nicht so viel damit am Hut hatten. Wir merken, dass wir nicht die Herrscher dieses Universums sind. Kleinste Viren können die Menschheit einfach dahinraffen.
Die Forderung nach dem Schutz von Umwelt, Tier und Mensch ist so präsent wie nie. Zumindest nehme ich das in meinem Umfeld so wahr. Die meisten Menschen, die ich kenne, sind an einer nachhaltigen Lebensweise interessiert. Manche wissen nicht, wie einfach es ist, Nachhaltigkeit im Alltag zu integrieren. Andere zweifeln, ob das ausreicht und ob man als Einzelner überhaupt was bewirken kann.
Ich denke, selbst wenn jeder von uns nur Kleinigkeiten ändert, sind wir auf einem ziemlich guten Weg.
Zur Verteidigung der Nachhaltigkeit
Nachhaltigkeit mag ein Trend sein. Dann ist es aber ein guter Trend, finde ich. Nicht nur für jeden Einzelnen, sondern auch und insbesondere für Unternehmen. Kurzlebig wird diese Bewegung sicher nicht sein. Dafür existiert sie schon zu lange.
Unternehmen, die sich schon länger mit nachhaltigen Themen auseinandersetzen, werden auf Dauer erfolgreicher sein. Das Erfolgsgeheimnis liegt in der langfristigen Leistungsfähigkeit statt auf der kurzfristigen Gewinnmaximierung.
Nachhaltig wirtschaftende Unternehmen haben das System anerkannt, in dem wir uns bewegen. Das bedeutet, dass der gesamte Lebenszyklus eines Produktes betrachtet wird und nicht nur die Nutzungsdauer.
Es ist nicht gut, dass Nachhaltigkeit oft als eine Art erhabene Tugend dargestellt wird. Wer nicht mitmacht, gehört nicht dazu. Wenn man sich aber als Umweltfreund oder gar Veganer outet, wird man ständig auf Fehler im eigenen Umweltbewusstsein angesprochen. Ich denke, das hat damit zu tun, dass wir uns nicht eingestehen wollen, wie klein wir uns angesichts der akuten Umweltprobleme fühlen.
Um die Konsequenzen unseres Handelns zu begreifen, brauchen wir unsere gegenseitige Unterstützung. In der Gesellschaft, in der Politik und in den Unternehmen. Je besser wir verstehen, welchen Einfluss unser Handeln auf die Umwelt hat, desto öfter wird uns das helfen, Gefühle der Ohnmacht zu überwinden.
Meine Wahrnehmung zeigt mir, dass es keinem Menschen egal ist, was mit uns und unserer Welt passiert. Wenn wir etwas verändern wollen, ist Aufklärung wichtig und nicht Schwarzmalerei. Letztlich ist es doch egal, wessen Fehler zu den Umweltproblemen von heute geführt haben. Wichtig ist, dass wir diese Probleme in den Griff bekommen. Und da sind wir eben alle gefragt.
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