Die Serie „Vermischtes“ stellt eine Ansammlung von Fundstücken aus dem Netz dar, die ich subjektiv für interessant befunden habe. Die "Fundstücke" werden mit einem Abschnitt des Textes, der paraphrasiert wurde, angeteasert. Um meine Kommentare nachvollziehen zu können, ist die vorherige Lektüre des verlinkten Artikels empfohlen; ich übernehme keine Garantie für die Richtigkeit oder Vollständigkeit der Zusammenfassungen. Für den Bezug in den Kommentaren sind die einzelnen Teile durchnummeriert; bitte zwecks der Übersichtlichkeit daran halten. Dazu gibt es die "Resterampe", in der ich nur kurz auf etwas verweise, das ich zwar bemerkenswert fand, aber zu dem ich keinen größeren Kommentar abgeben kann oder will. Auch diese ist geordnet (mit Buchstaben), so dass man sie gegebenenfalls in den Kommentaren referieren kann. Alle Beiträge sind üblicherweise in der Reihenfolge aufgenommen, in der ich auf sie aufmerksam wurde.

Fundstücke

1) Vollgas ins Gestern – Die ewige Liebe der FDP zum Auto

Der Text ist eine bissige Satire über die FDP und ihre Haltung zur Verkehrspolitik, insbesondere in Bezug auf Autos und das Tempolimit. Der Autor kritisiert die Partei dafür, dass sie starr an traditionellen Konzepten festhält und den Fortschritt blockiert, indem sie sich vehement gegen Maßnahmen wie ein Tempolimit oder die Förderung alternativer Mobilitätskonzepte stellt. Mit ironischem Unterton wird beschrieben, wie die FDP das Auto als Symbol für Freiheit und Leben überhöht, während sie Innovationen und umweltfreundlichere Ansätze abtut. Der Text spiegelt die Frustration über die vermeintliche Rückwärtsgewandtheit der Partei wider und stellt deren Positionen als kurzsichtig und letztlich schädlich für die Zukunft dar. (Gunnar Sohn, Ichsagmal)

Ich finde es beeindruckend, was für ein Eigentor die FDP mit ihrem populistischen Unfugsvorschlag vom Flatrateparken geschossen hat. Das ist so offensichtlich undurchdacht und realitätsfremd, so kontraproduktiv, dass es eine Welle der Entrüstung unter den eigenen ideologischen Verbündeten ausgelöst hat. Selbst der ADAC (!) kritisiert die Parkpläne der FDP. Der ADAC! Wie inszenierst du dich als Autopartei, wenn der ADAC dich kritisiert? Und als wäre es nicht genug, erteilen sogar CDU und CSU ihnen eine Absage. Auch in der Welt fühlen sich FDP-Fans veräppelt. Und die JuLis! Die JuLis! Nachwuchsorganisationen sind die radikaleren, mit den blödsinnigen Vorschlägen. Wenn deine Nachwuchsorganisation dir sagt, den populistischen Blödsinn mal zu lassen, Jeeeeesus. Zu Abwechslung liegt der Postillon auch gar nicht so falsch. Und dieser Hinweis auf Klatschen für die Autofahrer ist ebenfalls sehr nett. - Damit aber genug des Bashings für einen Blödsinnsvorschlag; bleiben wir beim Thema: die Konzentration aufs Auto ist und bleibt kontraproduktiv. Es wäre notwendig, an Lösungen zu arbeiten - Alternativen zu den oft genug realitätsfremden Vorstellungen aus dem linksgrünen Lager wären ja sehr willkommen. Stattdessen gibt es Identitätspolitik, Kulturkampf und Beharrung.

2) Der Kaiser ist schon lange nackt

Der Text setzt sich kritisch mit der Figur Elon Musks auseinander und stellt ihn als Beispiel für den übertriebenen Geniekult dar, der im Silicon Valley gepflegt wird. Ursprünglich als revolutionärer Erfinder gefeiert, hat Musk zunehmend eine rechte politische Position eingenommen und nutzt seine Plattform, um Verschwörungstheorien und Hetze zu verbreiten. Der Autor beschreibt, wie Musks Verhalten und politische Radikalisierung nicht überraschend sind, sondern vielmehr das Ergebnis einer Kultur sind, die exzentrische Genies feiert, ohne deren oft konventionelle und problematische Einstellungen zu hinterfragen. Musk wird als Produkt einer wohlhabenden, privilegierten Schicht dargestellt, dessen Handeln und Ansichten zunehmend problematisch und weniger innovativ sind. Seine politischen Interventionen und seine Neigung zu Verschwörungstheorien werden als Teil eines größeren Trends gesehen, in dem prominente Persönlichkeiten des Silicon Valley zunehmend mit rechten Ideologien sympathisieren. Der Text kritisiert dabei den Mythos des "Genies" und zeigt auf, dass hinter der Fassade des exzentrischen Unternehmers oft nur konventionelle und sogar gefährliche Ansichten stehen. (Adrian Daub, Zeit)

Das komplette Abrutschen Musks ist in der Tat ein Phänomen, das sich seit mehreren Jahren beobachten lässt und das nur Leute überraschen kann, die sich entweder nicht damit beschäfigt haben (entschuldbar) oder es nicht sehen wollten (unentschuldbar). Wie man immer noch irgendjemandem, egal aus welchem Spektrum (wobei das aktuell, wenngleich nicht historisch eine rein rechte Geschichte ist) diesen Meinungsfreiheitsextremismus abnehmen kann, ist mir völlig unklar. NIEMAND zieht das jemals durch. Niemals. Siehe dazu auch diese Kolumne mit dem treffenden Titel "Heul leiser, Elon!" - Ansonsten bleibe ich dabei, dass es ein zentrales Problem ist, dass eine einzelne Person so viel Macht hat, weil sie zuviel Geld hat. Milliardäre und Demokratie sind unvereinbar.

3) Yes, She Can

Der Artikel beleuchtet die Herausforderungen, vor denen Kamala Harris steht, da sie als voraussichtliche Kandidatin der Demokratischen Partei für die US-Präsidentschaftswahl 2024 ins Rennen geht. Dabei wird die weit verbreitete Wahrnehmung hinterfragt, dass Joe Bidens Präsidentschaft eine der erfolgreichsten in der modernen Geschichte sei, insbesondere im Vergleich zu Präsidenten wie FDR oder LBJ. Trotz des Lobes aus den Reihen der Demokraten zeigen Bidens niedrige Zustimmungswerte und die politische Gesamtlage, dass Harris mit erheblichen Schwierigkeiten konfrontiert ist. Harris wird empfohlen, sich von einigen der linksliberalen Positionen und der Rhetorik zu distanzieren, die Bidens Administration geprägt haben, und stattdessen einen pragmatischeren, moderateren Kurs einzuschlagen. Der Artikel legt nahe, dass Harris sich von dem politischen Ansatz abwenden muss, der zu Bidens sinkender Beliebtheit geführt hat, und sich auf eine Botschaft konzentrieren sollte, die in der breiten Wählerschaft Anklang findet, insbesondere im mittleren Amerika. Zudem reflektiert der Artikel über den Wandel der Demokratischen Partei, die sich von Barack Obamas Erbe entfernt hat und zunehmend von einer anti-neoliberalen Bewegung innerhalb ihrer Reihen geprägt wird. Während Harris sich auf die Wahl 2024 vorbereitet, argumentiert der Artikel, dass sie einen Mittelweg finden muss zwischen progressiven Zielen und der Notwendigkeit, zentristische Wähler zu gewinnen, um einen Sieg zu sichern. (Jonathan Chait, New York Magazine)

Chait hat definitiv einen Punkt, wenn er die relative Unterschätzung von Obamas Leistungen anspricht. Das ist ja auch schon länger sein Thema; bereits 2017 hat er ein Buch darüber geschrieben (hier besprochen). Ich habe aber das Gefühl, er schießt mit seiner Kritik an Biden etwas über das Ziel hinaus. Es macht für mich nur eingeschränkt Sinn, dass er bei Obama stark betont, wie wichtig dessen Fiskalpolitik in der Krise war und dass die Ineffizienzen der Reaktion dem damaligen politischen Klima geschuldet waren. Umgekehrt betont er bei Bidens Reaktion dessen Ineffizienzen als starke Negativpunkte und bringt dessen Reaktion auf das politische Klima ebenfalls als Negativpunkt. Wenn aber Obama dadurch gehindert war, muss dasselbe auch für Biden gelten. - Inhaltlich bin ich ansonsten durchaus auf seiner Seite. Ich gehe auch davon aus, dass Harris dringend die Mitte des politischen Spektrums besetzen muss und einen Fehler begehen würde, wenn sie die Begeisterung der linken Aktivist*innenszene für allgemeingültig erklärt. Den Fehler kann man den Republicans überlassen.

4) Der Gesetzesirrsinn von Brüssel

Der Artikel kritisiert die aktuelle Regulierungspolitik der Europäischen Union unter der Führung von Ursula von der Leyen. Obwohl die EU-Kommissionspräsidentin verspricht, das Wirtschaften einfacher und schneller zu machen, zeigt sich bei genauerer Betrachtung, dass die angekündigten Maßnahmen hauptsächlich auf neue Bürokratie hinauslaufen. Statt bestehende Überregulierungen abzubauen, werden neue, komplexe Vorschriften eingeführt, die vor allem kleine und mittelständische Unternehmen stark belasten. Als Beispiel wird das neue Gesetz zur Umweltwerbung genannt, das Unternehmen dazu zwingt, teure Gutachten und Zertifizierungen für "grüne" Werbung vorzulegen. Dies schafft zusätzliche Bürokratie und hohe Kosten, ohne dass der Nutzen klar erkennbar ist. Ähnlich problematisch ist die neue EU-Nachhaltigkeitsberichterstattung, die Unternehmen dazu verpflichtet, umfangreiche Daten über ihre Lieferketten zu erheben, was besonders kleinere Unternehmen überfordert. Der Artikel argumentiert, dass die EU durch ihre übermäßige Regulierung den wirtschaftlichen Abstand zu den USA vergrößert und in wichtigen Bereichen wie der Digitalwirtschaft und Klimatechnologie hinterherhinkt. Anstatt weitere Regelungen einzuführen, sollte die EU den Mut haben, bestehende Vorschriften zu reduzieren und so die Wettbewerbsfähigkeit Europas zu stärken. Die Gefahr bestehe darin, dass die Wirtschaft durch zu viel Regulierung ebenso geschädigt werden könne wie durch Sparmaßnahmen. (Michael Sauga, Spiegel)

Ich glaube, sowohl die Unfähigkeit zur Deregulierung als auch die Neigung zur Regulierung haben zwei spezifische Ursachen. Zuerst die Deregulierung: Es ist ein Evergreen besonders unter bürgerlichen Politiker*innen, Deregulierung zu fordern. Gerne wird dann dafür eine eigene Behörde geschaffen (erinnert sich noch jemand an Edmund Stoiber?). Die Ergebnisse sind üblicherweise überschaubar. Ich halte dafür zwei gegenläufige Versagen für maßgebend. Einerseits ein Versagen des progressiven Spektrums, das aus Backlash-Mentalität einerseits und Policy-Vorliebe andererseits die Möglichkeit, etwas nicht zu regulieren oder zu deregulieren gar nicht erst in Betracht zieht; das geht mir sicher auch oft genug so. Auf der anderen ein Versagen des bürgerlichen Spektrums, das aus ideologischer Ablehnung bestimmter Regulierungstätigkeit gar nicht in der Lage ist, den Sinn und Unsinn von Regulierungen überhaupt zu erfassen. Wer aber nicht versteht, was er oder sie da eigentlich angehen will, kann das auch nicht effektiv tun.

Dazu kommt eine lagerunabhängige Tatsache hinzu: viele Regulierungen entstehen zumindest in ihrer spezifischen Art ja auf Betreiben von Lobbyverbänden. Oft genug ist es ihr Ziel, ineffektiv zu sein; es ist ein Feature, kein Bug. Oder sie sollen Kollateralschäden anrichten, indem sie etwa der Konkurrenz das Geschäft erschweren. Auch hier: dagegen ist niemand immun, ob FDP oder Grüne, SPD oder CDU. Und damit kommen wir zum zweiten Aspekt: warum wird überhaupt so viel reguliert, und zwar offensichtlich über alle Parteigrenzen hinweg (was sich unterscheidet ist ja immer nur, was man als "gute" und "schlechte" Regulierung sieht)? Ich glaube, dass ein zentraler Aspekt dafür der Unwille der Politik, Politik zu machen, ist. Regulierungen sind kleinteilig und juristisch, und die ständige Verrechtlichung der Politik findet auch hier ihren Niederschlag. Alle Instinkte

5) Die ideologiegetriebene Debatte um Grenzkontrollen

Der Artikel beleuchtet die kontroverse Debatte um die aktuellen Grenzkontrollen in Deutschland. Während die einen das freie Reisen in der EU durch solche Kontrollen gefährdet sehen, warnen andere vor Sicherheitsproblemen, sollten sie nicht durchgeführt werden. Der Artikel stellt klar, dass die Realität weniger dramatisch ist, als beide Seiten es darstellen. Grenzkontrollen sind ein Mittel zur besseren Steuerung irregulärer Migration, aber sie sind weder die Lösung aller Probleme noch eine massive Bedrohung für den europäischen Zusammenhalt. Drei Beobachtungen werden hervorgehoben: Erstens gab es trotz der Kontrollen keine großen Einschränkungen im Grenzverkehr. Zweitens verbessern die Kontrollen nicht automatisch die Kriminalitätsbekämpfung, da die Bundespolizei auch ohne flächendeckende Kontrollen erfolgreich war. Drittens ging die Zahl der Asylbewerber zurück, was teilweise auf die Kontrollen zurückzuführen ist, aber auch auf den generellen Rückgang irregulärer Einreisen in die EU. Der Artikel kritisiert zudem die widersprüchliche Kommunikation der Innenministerin, die die Fahndungserfolge hervorhebt, gleichzeitig aber die Kontrollen wieder reduzieren möchte, was für Verwirrung sorgt. Insgesamt plädiert der Artikel für eine sachlichere Auseinandersetzung mit dem Thema, die der tatsächlichen Lage besser gerecht wird. (Ricarda Breyton, Welt)

Ich halte hier ein ähnliches Problem am Wirken wie in Fundstück 4: dass beide Seiten der Debatte in ideologischen Reflexen agieren. Auf der einen Seite sind jegliche Grenzkontrollen Zeichen von Rassismus und Nationalismus, quasi bereits nahe Schießbefehl und Machtergreifung; auf der anderen Seite ist jede Kritik ein Zeichen von open-borders-Gutmenschentum. Beides wird der Sachlage nicht gerecht. Keine Grenzkontrolle der Welt kann die Migrationsströme stoppen. Wer so verzweifelt ist, dass er oder sie das eigene Leben zigfach riskiert, wird sich nicht von Kontrollen abhalten lassen. Aber natürlich ist das kein Argument, nicht Grenzen zu schützen. Auch hier war ich früher etwas arg unbeeindruckt und habe gerne in Bausch und Bogen jeden Regelungsversuch verworfen. Noch schwieriger wird die Lage dadurch, dass es unklar ist, wie viel das überhaupt nützt (wie Breyton ja auch anspricht). Aber inzwischen ist der politische Effekt so wichtig geworden, dass um ostentative Grenzkontrollen kein Weg mehr herumführt, selbst wenn sie nichts nützen.

Resterampe

a) Korrekt. So als Nachtrag zu dieser Diskussion um Fertilitätsraten von letzter Woche.

b) Diese Umfrage zeigt mal wieder schön, dass die Frage nach der "Wirtschaftskomptenz" von Kandidat*innen wenig mit Wirtschaftskompetenz zu tun hat, sondern vor allem Ausdruck der eigenen Wahlpräferenz ist.

c) Die Unseriosität bestimmter Teile des Journalismus in einem Skeet.

d) No shit.

e) Als Nachtrag zur Diskussion um CDU-AfD-Koalitionen: AfD: Fast die Hälfte der CDU-Mitglieder kann sich laut Umfrage Kooperation vorstellen.

f) Why is everyone keeping mum about that hacked J.D. Vance material?


Fertiggestellt am 14.08.2024

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