Wenn ich von jemanden höre, dass er eine alternative Behandlungsweise anbietet, die unwirksam oder gar gefährlich ist, da frage ich mich häufig, ist das jetzt ein Narr oder ein Betrüger? Um diese Frage zu beantworten, ist es sinnvoll, erst einmal diese Begriffe zu definieren.

Betrüger

Die Kennzeichen eines Betrügers in der Medizin – und die gibt es leider nicht nur in der Alternativmedizin - sind meiner Meinung nach, dass er erstens lügt und zweitens versucht, an Ihr Geld zu kommen (so viel wie möglich). Mit "lügen" meine ich, dass er Unwahrheiten als Fakten präsentiert, obwohl er sehr gut überschaut, dass sie nicht stimmen. Im Wesentlichen bedeutet dies, dass ein Betrüger unehrlich ist und sich möglicherweise sogar einer Straftat schuldig macht (was wiederum bedeutet, dass wir in der Lage sein sollten, rechtliche Schritte gegen ihn einzuleiten).

Betrüger sind egoistisch und kümmern sich wenig um ihre Kunden oder um die Tatsache, dass sie Schaden anrichten könnten. Dass Betrug zudem unethisch ist, bedarf wohl kaum der Erwähnung.

Narren

Im Gegensatz dazu sind Narren in der Medizin naiv, verblendet und fehl-informiert. Sie sind nicht unbedingt unehrlich; obwohl sie Unwahrheiten erzählen, glauben sie, dass sie die Wahrheit sagen. In gewisser Weise sind Narren auf ihre eigenen Lügen hereingefallen. Wie Betrüger könnten auch Narren versuchen, an Ihr Geld heranzukommen, aber sie sind dabei überzeugt, dass sie lediglich für ihre guten Dienste entlohnt werden.

Narren leben oft unter dem Eindruck, altruistisch zu sein, und sind überzeugt, dass sie viel Gutes tun und ethisch handeln. Dass Narren sich jedoch ebenso unethisch verhalten, liegt auf der Hand: Wer Patienten behandelt, hat automatisch die ethische Pflicht, adäquat informiert zu sein; und jemanden mit einer unwirksamen oder gefährlichen Therapie zu behandeln in der Annahme, sie sei evidenzbasiert, ist zweifelsohne eine Verletzung dieser Pflicht.

Wer ist wer?

Die Unterscheidung zwischen dem Narren und dem Betrüger in der Alternativmedizin ist oft nicht so einfach wie es vielleicht scheinen mag; es gibt viele Überschneidungen zwischen den beiden Gruppen.

Ich habe in den letzten Jahrzehnten viele ärztliche und nicht-ärztliche alternative Behandler kennengelernt. Wenn ich nun versuche, sie rückblickend in eine der beiden Kategorien einzuordnen, dann stoße ich auf erhebliche Schwierigkeiten. Viele gehören zu keiner von beiden; und die meisten haben Eigenschaften, die an beide erinnern. Falls ich aber gezwungen wäre, eine binäre Wahl zu treffen, so würde ich wahrscheinlich die meisten von ihnen in das Lager der Narren stecken. Vielleicht habe ich Glück gehabt, aber mit ausgesprochenen Betrügern hatte ich nur selten zu tun.

Und wer ist gefährlicher?

Habe ich gerade gesagt, dass ich "Glück" hatte? Ja, das Glück, dass ich nicht oft mit gerissenen Gaunern konfrontiert war. Aber was das Schadenspotenzial angeht, so bringen die naiven Narren sicher keinen Vorteil – ganz im Gegenteil! Für den Verbraucher sind Betrüger in der Regel leichter zu erkennen als Narren. Und wenn sie einmal als solche erkannt sind, dann sind sie selbst redend weit weniger schädlich. Narren sind oft so felsenfest überzeugt von ihren "Wahrheiten", dass Verbraucher und insbesondere schwer-kranke Patienten leicht auf ihre Unwahrheiten hereinfallen. Und genau diese scheinbare Glaubwürdigkeit macht die Hauptgefahr der vielen Narren in der Alternativmedizin aus: Sie neigen dazu, sich so sicher zu sein, dass sie etwas Gutes zu tun, dass viele Menschen auf sie hereinfallen. Dementsprechend folgen viele Verbraucher, Patienten, Politiker, Journalisten usw. ihrer törichten und oft gefährlichen Quacksalberei.

Fazit

Wir neigen dazu, Betrüger als unmoralisch, unethisch und dementsprechend verachtenswert zu empfinden und halten Narren oft für ehrlicher und sozial akzeptabler. In Anbetracht ihres Potenzials, Schaden anzurichten, sind die Narren jedoch weitaus schlimmer als die Betrüger. Ich komme daher zu dem Schluss, dass wir gegenüber Betrügern wachsam sein müssen, aber gleichzeitig gegenüber Narren misstrauischer werden sollten.

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