Portugiesische Wissenschaftler haben mit Hilfe der Forschungs-Neutronenquelle Heinz Maier-Leibnitz (FRM II) der Technischen Universität München (TUM) erstmals Flechten aus Gebieten mit traditioneller Holzkohleproduktion analysiert. Flechten in der Nähe der Holzkohleproduktion enthielten eine mehr als doppelt so hohe Konzentration von Phosphor, der bei der Verbrennung anfällt.

In der Region um Ponte de Sor (Landkreis Portalegre, Portugal) wird seit Jahrhunderten Kohle durch Verschwelen von Holz in Kohlenmeilern hergestellt. Doch die traditionelle Holzkohleherstellung sorgt nicht nur für Arbeitsplätze, sondern auch für schlechte Luft.

Klagen über den Geruch, Rauchschwaden im Winter, Berichte von Asthma und anderen Atemwegserkrankungen seien keine Seltenheit, sagt Chemiker Dr. Nuno Canha vom Instituto Superior Técnico der Universität Lissabon. Offizielle Messungen der Luftqualität gab es bisher jedoch nicht.

Flechten nehmen Schadstoffe aus der Luft auf

Auf der Suche nach einer Methode, die Luftqualität auf Umwegen zu messen, stieß Dr. Nuno Canha auf die Prompte Gamma Aktivierungsanalyse (PGAA), die dank der Neutronen des FRM II in Garching möglich ist. Neutronen aktivieren hier Schadstoffspuren, die dann auch in kleinsten Konzentrationen noch nachweisbar sind.

Für seine Untersuchung sammelte Dr. Canha Flechten, die an Olivenbaum-Stämmen in der Gegend der Holzkohle-Öfen wachsen. Flechten sind eine Lebensgemeinschaft aus Pilz und Alge ohne Wurzeln. „Weil sie alle ihre Nährstoffe über die Luft aufnehmen, eignen sie sich hervorragend als Indikator für Luftqualität“, sagt Nuno Canha. Eine Charge pflückte er im Frühjahr, die andere im Herbst, um jahreszeitliche Unterschiede auszuschließen.

Mehr Stress in der Nähe der Kohlenmeiler

Ein Indikator für die Belastung der Flechten mit Luftschadstoffen ist ihre Leitfähigkeit, denn die feinen Zellmembranen brechen unter extremer Belastung, was die Leitfähigkeit der Flechten erhöht.

Nuno Canha fand heraus, dass Flechten in direkter Nähe der kohleproduzierenden Öfen im Herbst eine doppelt so hohe Leitfähigkeit aufweisen wie Flechten in größerer Entfernung der Öfen. Im Frühjahr machte sich dieser Unterschied zwischen einzelnen Standorten nicht so deutlich bemerkbar.

Der Wissenschaftler vermutet, dass das an der vorausgegangenen Regenperiode vor dem Pflücken der Flechten im Frühjahr liegt, die das Stresslevel der Lebewesen senken, während es vor dem Pflücken im Herbst eher trocken war.

Andere Schadstoffquellen im Herbst und Frühling

Gemeinsam mit den TUM-Wissenschaftlern Dr. Zsolt Révay und Dr. Christian Stieghorst wies Nuno Canha mit der Prompten Gamma Aktivierungsanalyse 22 Elemente in den Flechten nach.

Besonders auffällig im Herbst unterschieden sich die Konzentrationen der Elemente Phosphor (P) und Schwefel (S), die im Rauch von brennendem Holz vorkommen. Die Flechten, die Canha in der direkten Nachbarschaft von Köhlern sammelte, enthielten im Herbst mehr als doppelt so viel P und die höchsten Konzentrationen von S, im Vergleich zu allen anderen Orten.

„Das passt gut zu den Leitfähigkeitsmessungen, die den Flechten im Herbst direkt neben den Öfen ebenfalls höheren Stress attestieren“, sagt Canha. Dagegen waren es im Frühling vor allem die Flechten in der Nähe einer bewohnten Gegend mit wenig Verkehr, die mehr Schwefel und Phosphor enthielten. Nuno Canha führt das auf die Abgase aus privaten Holzöfen und meteorologische Einflüsse zurück.

Nuno Canha hofft, dass die Studie den Einfluss der traditionellen Kohleherstellung auf die Luftqualität mehr in den Fokus der Behörden rückt. Beispielsweise könnten Luftfilter die Schadstoffe aus dem Abgas entfernen.


Publikationen:
Nuno Canha, Ana Rita Justino, Catarina Galinha, Joana Lage, Christian Stieghorst, Zsolt Revay, Célia Alves, Susana Marta Almeida·
Elemental characterisation of native lichens collected in an area affected by traditional charcoal production
Journal of Radioanalytical and Nuclear Chemistry 325:293–302 (2020)

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