In Glasgow findet ja gerade die UN-Klimakonferenz statt, und anlässlich dessen meldete sich auch die Kanzlerkandidatin der Grünen Annalena Baerbock zu Wort, und zwar auf durchaus forsche und markige Art und Weise. Und auch wenn sie mit ihren Aussagen durchaus sehr richtig liegt, so nehme ich ihr doch nicht ab, dass sie wirklich ernsthaft meint, was sie da so von sich gibt.

Es müssten „jetzt wirklich alle Hebel in Bewegung gesetzt werden, um diese Erderwärmung in den Griff zu bekommen“, es „zählt jedes Zehntel Grad“, eine „Riesen-Kraftanstrengung“ sei notwendig, und Deutschland spiele dabei „eine große Rolle“ – so geht es dann noch ein bisschen weiter mit dem, was Baerbock da voller Tatendrang verlautbaren lässt (s. hier).

Blöderweise hat das gerade mit der Realität, und da insbesondere mit den Koalitionsverhandlungen der Grünen mit SPD und FPD zwecks einer Ampelkoalition, nicht so richtig viel zu tun. Oder wie soll es etwa zusammenpassen, dass schon im Sondierungspapier ein Tempolimit auf Drängen der FDP ad acta gelegt wurde? Das wäre ja nun alles andere als eine „Riesen-Kraftanstrengung“ gewesen, für die jetzt „wirklich alle Hebel in Bewegung gesetzt werden“, sondern eher ein kleiner, aber schnell umzusetzender Schritt in die richtige Richtung.

Doch nicht mal das haut hin – oder: Nicht mal das bekommen die Grünen auf die Reihe.

Wobei man sich ja ohnehin die berechtigte Frage stellen kann, wie man denn derartigen vollmundigen Forderungen entsprechende Taten in einer Koalition mit einer Partei wie der FDP umsetzen möchte, die ja nun im Wahlkampf sehr deutlich gemacht hat, dass sie in puncto Klimaschutz, wenn überhaupt, dann allenthalben auf irgendwelche technologischen Lösungen setzen will, auch wenn diese bisher noch nicht existieren oder nicht funktionieren. Mal von notwendigen Regulierungen und Verboten ganz abgesehen – die FDP beharrt ja nach wie vor darauf, dass der Markt schon alles richten wird und der Staat sich gefälligst in seiner Rolle als Nachtwächter zu gefallen hat.

Tolle Voraussetzungen, um „jetzt alle Hebel in Bewegung“ zu setzen, oder?

Und wenn man etwas lauthals herausposaunt, von dem man ohnehin weiß, dass man es nicht umsetzen wird oder das es gar nicht umsetzbar ist, dann ist das eben ziemlich übler Populismus. Und genau das betreibt Baerbock hier.

Na ja, Rechtspopulismus haben wir ja schon zur Genüge, und das nicht nur von der AfD, Wirtschaftspopulismus gehört zum Standardrepertoire der Neoliberalen aus CDU/CSU, FDP und auch SPD und Grünen – warum dann also nicht auch noch ein bisschen Ökopopulismus?

Wie toll nämlich die Marktmechanismen den Klimaschutz voranbringen, sieht man auch gerade hieran: Die Preise im ÖPNV werden in vielen Regionen angehoben (s. hier). War da nicht mal was, so von wegen Verkehrswende, dass die Leute weg vom Auto hin zu Bussen und Bahnen gebracht werden sollen? Tja, erhöhte Fahrpreise werden das mit Sicherheit nicht so richtig toll nach vorn bringen, schätze ich mal …

Vermutlich hat man bei den Grünen von Angela Merkel gelernt: Man verschafft sich ein Image und erzählt etwas ganz anderes, als man nachher dann tatsächlich politisch umsetzt (s. hier, hier und hier). Hat ja 16 Jahre lang super geklappt, kann man also gut noch mal probieren.

Blöderweise haben wir nur nicht mehr so viel Zeit. Das deutsche CO2-Budget beträgt noch 3,3 bis 4,4 Milliarden Tonnen, wobei der letztere Wert von einem Szenario ausgeht, bei dem das 1,5-Grad-Ziel des Pariser Klimavertrages nur noch mit einer Wahrscheinlichkeit von 63 % erreicht werden kann. Deutschlands CO2-Ausstoß beträgt zurzeit jährlich gut 700 Millionen Tonnen (s. hier).

Da muss man nun kein Mathegenie sein, um sich auszurechnen, dass, wenn sich nichts Gravierendes ändert, in fünf bis sieben Jahren dieses Budget aufgebraucht sein wird. Und dann muss man eben auf Kosten anderer Länder weitermachen. Ob die das so toll finden? Und ob das aus globaler Sicht sinnvoll ist? Ich weiß ja nicht …

Und dass sich nichts Gravierendes ändern wird, darauf deutet ja gerade alles hin – vor allem eben dank der FDP, die wie kaum eine andere Partei für eine Weiter-so-Politik steht.

Insofern kann Baerbock da ruhig anlässlich des Klimagipfels tönen, wie wahnsinnig wichtig es nun sei, endlich die richtig dicken Bretter zu bohren – Taten werden in der Konstellation einer Ampelkoalition absehbar nicht folgen.

Aber vielleicht hofft sie ja auch, dass dann in vier Jahren bei der nächsten Wahl, wenn die Klimakatastrophe noch deutlicher spürbar geworden sein wird, die Menschen sich nur an ihr populistisches Gequake und nicht an die tatsächlich praktizierte Politik erinnern werden, sodass die Grünen dann doch noch ein paar Prozentpunkte mehr rausholen können.

Populisten halt …

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