Berlin/Brüssel 05.07.2021

Die Diskussion um die Allianz Arena und deren farbliche Gestaltung nahm in den Medien einen großen Platz ein, doch um was geht es eigentlich? Und welche Rolle spielt die Europäische Union?

Viktor Orbán | Foto: European People's Party (EPP) | CC BY 2.0

Gesetzesänderung

Die ungarische Regierungspartei Fidesz brachte einen Entwurf ins Parlament ein, in welchem unter anderem Bildungsprogramme und Fernsehbeiträge über LGBTIQ-Themen unmöglich gemacht werden - sobald diese für Kinder und Jugendlich zugänglich sind.

LGBTIQ ist eine  Abkürzung für Lesbian, Gay, Bisexual, Transgender, Intersexuals and Queers. Früher verwendete man häufig LGBT, dieser Begriff wurde ergänzt um alle Menschen einbeziehen zu können. Gerade Queer steht offen für alle LGBTI-Menschen, welche die anderen Begriffen (Begriffe im Bezug zu sexuellen Handlungen) ablehnen.
Für weitere Informationen: https://queeraltern.ch/wp-content/uploads/2016/05/Begriffserklaerung.pdf

Dieses Gesetz erinnert stark an das sogenannte "Homosexuellen-Propaganda"- Gesetz aus Russland. Die ungarische Führung verklärt Homosexualität so zu einem Feindbild. In der Verfassung des Landes ist das klassische Familienbild festgeschrieben. Mutter, Vater und Kinde, so soll die Familie aussehen - auch wenn die Wirklichkeit eine andere ist. Scheidungsraten sind unter den "klassischen Beziehungsarten" nicht gerade selten und ein solches Ideal bildet die Lebenswirklichkeit nur sehr ungenau ab.

Besonders pikant ist an diesem Vorgehen: Aus der Öffentlichkeit können so LGBTIQ Inhalte einfach getilgt werden und so ein gesellschaftlicher Teil in "Verbannung" geraten. Bereits im vergangen Herbst machte Viktor Orbán im Radio eines klar:
"Ungarn ist sehr tolerant und geduldig gegenüber Homosexuellen", jedoch gebe es eine rote Linie "Die darf man nicht überschreiten: Lasst die Kinder in Ruhe."
Homosexuellen Paaren wurde es verboten Kinder zu adoptieren.
Transmenschen dürfen den Geschlechtseintrag nicht ändern lassen, auch wenn der Körper an die Geschlechtsidentität angepasst wurde.

Künftig sind nun Aufklärungskampagnen, Bücher, Broschüren, Werbung und allgemein audiovisuelle Inhalte verboten, wenn diese eine andere Familienform zeigen. So ist nicht nur die Aufklärung in der Schule unmöglich, sondern eben auch eine Werbung. Weitergedacht lässt sich so allesmögliche aus dem Alltag oder den Medien entfernen, sobald dies von dem "Familien Ideal" Ungarns abweicht. Diese klare Form von Unterdrückung und Diskriminierung ist in der Europäischen Union eigentlich verboten.

Neben all diesen abscheulichen Vorgängen wurde Homosexualität mit Pädophilie gleichgesetzt. Ursprünglich war das Gesetzes-Paket dafür gedacht, den rechtlichen Schutz gegen Pädophilie und Sexualverbrechen an Kindern zu stärken. Kurz vor der Abstimmung reichten Fidesz-Mitgliederung noch eine Änderung ein, so verwandelte man ein Gesetz zum Schutz von Kindern - in ein Unterdrückungswerkzeug.  In Regierungs-Datenbanken können so gezielt Wohnadressen abfragt werden.

Auch die Formulierung trägt ihren Beitrag zur Unterdrückung, denn dieses Gesetz soll bewusst schwammig formuliert worden sein. Der Journalist Keno Verseck teilte Deutschlandfunk dazu folgendes mit: "Wenn eine Ermittlungsbehörde das will, dann könnte sogar das Zeigen einer Regenbogenfahne in der Öffentlichkeit oder eine Firma, die damit Reklame betreibt, verboten werden."

199 Abgeordnete sitzen im Országgyűlés (ungarisches Parlament), davon stimmten 157 dafür und nur ein fraktionsloser Linker dagegen. Neben diesem Linken beteiligten sich nur die rechtsgerichtet Regierungspartei Fidesz und die rechte Jobbik-Partei an der Abstimmung. Linke und liberale Parteien verließen das Parlament als Zeichen des Protestes.

Verstoß gegen europäisches Recht

Diese Änderungen verstoßen jedoch gegen das Diskriminierungsverbot, welches in den EU-Verträgen und der EU-Charta verankert wurde. Kritik kam von 17 Mitgliedsstaaten gegen das Vorhaben, weil Menschen aufgrund des Geschlechtes bzw. wegen ihrer geschlechtlichen Orientierung diskriminiert würden.

"Wir müssen weiterhin gegen die Diskriminierung der LGBTI-Gemeinschaft kämpfen und erneut bekräftigen, dass wir ihre Grundrechte verteidigen."
Aus dem Brief der Staats und Regierungschefs

Die EU-Kommission pochte in einem Brief an die ungarische Regierung auf Aufklärung. Für Mittwoch den 7 Juli ist eine Debatte von Rat und Kommission der  EU geplant. Beobachter erwarten eine deutliche Verurteilung des jüngsten Schrittes von Orbán, welcher mit seiner Regierung schon früher systematisch den Abbau von Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Grundrechten betrieb. Eine Resolution ist die voraussichtliche Folge. Erwartbar ist zu dem die Nutzung der Instrumente zur Wahrung der Rechtsstaatlichkeit. Am Anfang steht hier ein Dialogverfahren zwischen Kommission und Ungarn. Sollte Ungarn sich jedoch weigern und an der Diskriminierung festhalten, wäre am Ende sogar ein Rechteentzug möglich. Ungarn würde nach dem dem Artikel 7 EUV (Vertrag über die Europäische Union) so das Stimmrecht verlieren. Damit dieser Entzug vollzogen werden kann, bedarf es jedoch der Einstimmigkeit.

Laut Viktor Orbán sei das Verhalten der EU: Das Resultat der Kolonialvergangenheit. Die Union würde sich wie Kolonialisten verhalten und zu dem wolle man Ungarn diktieren, wie diese sich zu verhalten hätten.

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