Die Serie „Vermischtes“ stellt eine Ansammlung von Fundstücken aus dem Netz dar, die ich subjektiv für interessant befunden habe. Sie werden mit einem Zitat aus dem Text angeteasert, das ich für meine folgenden Bemerkungen dazu für repräsentativ halte. Um meine Kommentare nachvollziehen zu können, ist meist die vorherige Lektüre des verlinkten Artikels erforderlich; ich fasse die Quelltexte nicht noch einmal zusammen. Für den Bezug in den Kommentaren sind die einzelnen Teile durchnummeriert; bitte zwecks der Übersichtlichkeit daran halten.

1) »Vertiefte Grundskepsis« bei vielen Ostdeutschen gegenüber Politik // Tweet

Der Ostbeauftragte der Bundesregierung, Marco Wanderwitz, musste für Aussagen über die politische Haltung seiner Landsleute zuletzt viel Kritik einstecken. Wanderwitz hatte kurz vor der Wahl in Sachsen-Anhalt einigen Menschen im Osten »gefestigte nichtdemokratische Ansichten« unterstellt. Nun präzisiert der gebürtige Sachse seine Kritik. Viele Ostdeutschen würden eine »vertiefte Grundskepsis« gegenüber der Politik und der Demokratie hegen, sagte der CDU-Politiker der Nachrichtenagentur dpa. »Das ist zwar eine Minderheit, aber die Minderheit ist größer als in den alten Bundesländern«, so Wanderwitz weiter. »Das ist demokratiegefährdend. Wir müssen es schaffen, die Menschen von Demokratie und Rechtsstaat zu überzeugen. Der Zustand muss aufhören, dass wir vor jeder ostdeutschen Landtagswahl wie das Kaninchen auf die Schlange auf die Wahlergebnisse schauen und zittern, wie viel Prozent extreme Kräfte erreichen.« [...] Er bleibe bei seinen Aussagen, sagte Wanderwitz. »Wir haben die Situation, dass es bei vielen Menschen eine vertiefte Grundskepsis gegenüber der Politik und der Demokratie im Osten gibt.« (dpa, SpiegelOnline)

"Es kann doch nicht die Reaktion der Politik sein, dass als Dank für rechtsradikales Verhalten noch eine besonders liebevolle Ansprache gewählt wird." – @wanderwitz, Ostbeauftragter der Bundesregierung, über den Umgang mit der AfD, ihren Themen und Wählern. pic.twitter.com/j8QO43lwOE

— Bericht aus Berlin (@ARD_BaB) July 7, 2021


Ich bin Wanderwitz ziemlich dankbar für seine Offenheit und ich finde die Kritik, die ihm dafür entgegenschlug (das übliche reflexhafte "man darf nicht schlecht über Ostdeutschland reden") völlig überzogen und deplatziert. In Ostdeutschland wählen bis zu einem Drittel der Leute eine verfassungsfeindliche, rechtsextreme Partei. Es ist in Ostdeutschland, wo von Neonazis kontrollierte No-Go-Areas bestehen, es ist in Ostdeutschland, wo die CDU einen Maaßen aufstellt, es ist in Ostdeutschland, wo es ständig zu Gewalt gegen Menschen mit Migrationshintergrund kommt, es ist in Ostdeutschland, wo rechtsradikaler Terror gegen Linke und Mitglieder der Zivilgesellschaft besteht. Das kann man nicht wegdiskutieren.

Gleichzeitig überzeugt mich die Argumentation von der Diktatur-Sozialisierung immer weniger. Um in der DDR sozialisiert worden zu sein - vor allem politisch - muss man bei der Wende um die 20 gewesen sein, das sind also Leute, die heute über 50 sind. Aber das Problem in Ostdeutschland beschränkt sich nicht auf Leute über 50. Da ist mehr am Werk. Ich bin zu wenig Kenner des Landes und der Leute, um eine vernünftige Theorie zu haben, was das Problem ist. Ich bin ziemlich sicher, dass es eine Reihe von Faktoren ist. Aber einfach nur die Schultern zu zucken und es wahlweise auf die DDR zu schieben, wie es die CDU gerne tut, oder die unfaire Behandlung des Ostens durch den Westen zu bejammern, wie es die Standardverteidigung der LINKEn ist, die das Problem auch 30 Jahre tabuisiert hat, greift wesentlich zu kurz.

2) Sind Kinder keine Menschen?

Dann kommt der eigentliche Schreck. Hatte Heiko Maas wirklich gesagt: »Allen Menschen kann ein Impfangebot gemacht werden«, wo doch 10 bis 15 Millionen keines bekommen? Allen Menschen? Nachschauen: Die Formulierung war doch sicher anders, und die Nachrichten haben das nur flugs um der sprachlichen Geschmeidigkeit willen geändert. Sicher hat er gesagt: »allen Erwachsenen«, »allen, für die medizinisch nach derzeitigem Stand eine Impfung vorgehalten wird und empfohlen ist«. Aber bestimmt, sage ich mir beruhigend, hat er nicht gesagt: »allen Menschen«. Das kann nicht sein. [...] Aber die über ein Jahr dauernde Pandemie hat uns leider eines Besseren, nein, eines Schlechteren belehrt: Die Schulen waren früh dran, wenn es um Schließungen ging. Und als in der ersten Welle Baumarktbesucher jubeln durften (»Es gibt immer was zu tun!«), blieben die Schulen zu. In der zweiten Welle wurden Kinder als »Virenschleudern« gebrandmarkt. Und in der dritten fand die Bundesregierung nur müden Protest und keine echte Gegenwehr, als die Uefa quasi im rechtsfreien Raum ihre Europameisterschaft nun wirklich als Mega-Ischgl ausrichtet, obwohl gleichzeitig jedes Schulfest abgesagt bleibt. Die Maskenauflagen wurden auch in München nicht streng durchgesetzt, während Jens Spahn kurz zuvor in einem unbedachten Moment, der eben viel über seine Prioritäten und Einstellungen verriet, wie selbstverständlich Wechselunterricht nach den Sommerferien prophezeite. [...] Festzuhalten ist mit Stand 6. Juli 2021: Es liegt auch im 17. (!) Monat der Pandemie kein gemeinsam als dringend notwendig und deshalb auch gemeinsam von Bund und Ländern erarbeitetes und verantwortetes Konzept vor, wie Kindern sicher gewährleistet werden kann, dass nach 2020 nicht auch 2021 ein »Katastrophenschuljahr« (Karl Lauterbach) beginnt. Von der Umsetzung ganz zu schweigen. [...] Noch am Wochenende hat der Journalist Hilmar Klute an ein verheerendes Zitat der Bundeskanzlerin aus dem Winter erinnert: »Ich halte es auch für richtig, die Schulen – etwa durch Verlängerung der Ferien – zu schließen bis zum 10. Januar oder aber Digitalunterricht zu machen oder was auch immer. Das ist egal.« »Egal« oder »Kinder fallen nicht in die Gruppe der Menschen« – diese Äußerungen sind keine unbedachten Entgleisungen, sie spiegeln leider das Niveau, dem Kinder und Familien vonseiten der Bundesregierung zu oft begegnen. Mehr »Respekt!« und (nicht nur) #wegenmorgen, möchte man mit den Wahlkampfmottos der Regierungsparteien dagegenhalten. (Peter Dabrock, SpiegelOnline)

Die Kinderfeindlichkeit Deutschlands ist kein neues Phänomen. Das merkt man an vielen Stellen, von der Gestaltung der Infrastruktur über die Haltungen, mit denen Leute Kindern begegnen - im Supermarkt, auf der Straße und so weiter. Diese Haltung erstreckt sich auch nicht nur auf Kinder, sondern auch auf Familien. Diese werden von der Politik, allen Sonntagsreden zur Bedeutung von Ehe und Familie zum Trotz, bestenfalls stiefmütterlich behandelt. Neben den Selbstständigen gab es in der Corona-Pandemie keine Gruppe, die von der Politik trotz der Gefahren so ostentativ ignoriert wurde wie Familien mit Kindern.

Dass von Spahn bis Maas nun quasi Kinder aus der Menschheit herausdefiniert werden, hat daher System und Tradition in der Politik. Die Interessen von Kindern und Jugendlichen spielen einfach keine Rolle. Sie werden nicht wahrgenommen, und wo sie wahrgenommen werden, wie das etwa bei den #FfF-Protesten der Fall war, werden sie lächerlich gemacht und verurteilt.

Es ist eben Ausdruck einer tiefgreifenden Feindseligkeit gegenüber der Jugend, die ständig durch das Prisma des Unzureichenden, des Defekten betrachtet wird. Wenn Jugendliche in den Zeitungen vorkommen, dann eigentlich immer wegen irgendwelcher Trends, die von den Erwachsenen als negativ betrachtet werden. Soziale Netzwerke, Mode, Freizeitbeschäftigungen, Internet, Gaming, völlig egal - immer werden die Interessen und Identitäten von Jugendlichen als defizitär begriffen. Da braucht man sich über diese Ergebnisse nicht zu wundern.

3) World War II’s Lesson for After the Pandemic

In response, Roosevelt assembled an agency that became known as the Office of Scientific Research and Development, or OSRD. Led by Vannevar Bush, the former dean of the MIT School of Engineering, the office ultimately employed more than 1,500 people and directed thousands of projects around the country. By the end of the war, it had spawned military inventions such as the proximity fuse, radar, and—after one of its programs spun off to become the Manhattan Project—the atomic bomb. OSRD’s breakthroughs went far beyond missiles and bombs. It supported the first-ever mass production of penicillin in part by contracting with the chemical manufacturer Pfizer (yep, that one) to produce key antibiotic materials. The agency invested in malaria treatments and developed an early influenza vaccine. It invested in microwave communications and built the foundations for early computing. Not many people today have ever heard of OSRD—which was dissolved in 1947 and whose peacetime responsibilities were strewn across a range of government agencies—but its fingerprints are all over some of the most important breakthroughs of the 20th century. [...] Overall, our scientific response to COVID-19 was the opposite of OSRD’s response to World War II: not a centralized mobilization of applied research, but the decentralized emergence of basic research. That’s an important distinction. Since the pandemic began, more than 130,000 academic articles on the disease have been published online, and many different researchers have helped figure out how the coronavirus works. But the U.S. lacked an OSRD-like agency to determine which new technologies should be sent to the front lines to help health-care workers and sick patients stop an advancing enemy. “Outside of Operation Warp Speed,” Gross told me, “the federal government seems to have abdicated a lot of responsibility. Goals were never clearly articulated.” (Derek Thompson, The Atlantic)

Das Schlimme ist, dass die USA mit Operation Warpspeed (übrigens noch unter Trump) in der gesamten westlichen Welt konkurrenzlos führend sind, was planmäßige Reaktionen auf die Pandemie angeht. Das Komplettversagen des Staates, das wir über die letzten 18 Monate betrachten durften, ist wirklich atemberaubend. Das hat auch mit dem Anspruch zu tun, über den ich kürzlich geschrieben habe. Weder die Medien noch die Wählerschaft noch die Politik selbst von sich erwarten ein planmäßiges, sinnvolles Handeln. Wenig überraschend bekommen wir auch keines.

Dabei wäre es nicht nur im Hinblick auf künftige Pandemien wichtig, solche Reaktionen wie OSRD an der Hand zu haben. Wir reagieren auf den Klimawandel schließlich auch wie auf Covid: in kleinen, völlig unklaren Maßnahmen, ohne jeden Plan, ohne vernünftige Evaluation, ohne Förderung. Teuer ist das trotzdem, oder vielleicht gerade deswegen. Die hastigen Improvisationen, bei denen Jens Spahn Milliarden verbrannte - ob in Maskenbeschaffung oder bei der Lachveranstaltung der "Schnelltests" - finden ihre Entsprechung in wenig durchdachten Subventionen und ad-hoc-Regulierungen bei der Bekämpfung des Klimawandels. Es wird Zeit, dass wir mehr fordern und die Politik einen höheren Anspruch an sich stellt.

4) The Meaning of the Native Graves - They're good, actually

This is not to discount the deaths of children altogether. Of course, it would have been better if each and every one of the First Nations tykes Christianized by the union of Church and state had lived a long and happy life. But it is absolutely to discount the blame fixed on the Church by vicious opportunists. If anyone is at fault here—and the residential school system, for all the good of its evangelizing purpose, was hardly without flaws—it is, without a doubt, the secular authority. Had the Canadian government, which in word endorsed the Christian mission of the residential schools, upheld that word in deed by providing the funding which Church authorities repeatedly said was necessary for adequate operation, living conditions could have been improved and a great many premature deaths avoided. [...] But this failure of the secular authority to sufficiently serve the Church does not in any way indict that Christian mission. And make no mistake, the residential schools were first and foremost Christian. [...] Likewise, the certain fact that souls were saved by the missionaries, the enduring belief of Christians that the Gospel is true and must be spread, is paramount; everything else is secondary. [...] Whatever good was present at the Ossossané ossuary—where those who had not yet encountered the fullness of Truth honored their dead as best they knew how—is increased a thousandfold in the cemeteries of the residential schools, where baptized Christians were given Christian burials. Whatever natural good was present in the piety and community of the pagan past is an infinitesimal fraction of the grace rendered unto those pagans’ descendants who have been received into the Church of Christ. Whatever sacrifices were exacted in pursuit of that grace—the suffocation of a noble pagan culture; an increase in disease and bodily death due to government negligence; even the sundering of natural families—is worth it. (Declan Leary, The American Conservative)

Ich habe die Enthüllungen über die indianischen Massengräber im vorletzten Vermischten besprochen. Als ich diesen Artikel las, erwischte ich mich permanent dabei, darauf zu hoffen, es möge sich um Satire handeln. Aber das ist keine Satire. Diese fundamentalen Spinner meinen das Ernst. Man steht mit völliger Fassungslosigkeit, wie dieses Gesindel es wagt, die Verantwortung dem "säkularen Staat" zuzuschreiben, weil der die Kirchen nicht mit allem versorgt habe - die gleichen Kirchen, die sich jede Einmischung in ihre Angelegenheiten verbieten und Verbrechen um Verbrechen decken. Diese Leute sind gefährlich, sie sind abstoßend, sie sind einfach nur böse. Wenn irgendwo Moralisieren angebracht ist, dann wohl hoffentlich hier.

5) The EU Cannot Save Us

The EU leaders and the leaders of Hungary and Poland live in different realities. They are using different languages – metaphorically speaking. It just follows that what the EU can do is not reverse the changes, not even to improve the already lost judicial independence or increase compliance with the rule of law and human rights commitments. Revising procedures, strengthening the protection of the values of the EU, and trying to make them more enforceable are for the future, for autocratic leaders to be. On the other hand, I do not see how these new political and legal mechanisms could help if these autocratic leaders to be do follow the Polish (and Hungarian) example: gradually transforming their systems through (formal and) informal constitutional changes, based on democratic legitimacy won in (initially) fair and competitive and free election(s), abusively invoking national sovereignty arguments (or their constitutional identity) at both political and legal level, maintaining their support with right-wing populistic rhetoric, always being one step ahead of the reactions to their wrongdoings. Political measures coming from the EU would be counterproductive. These would be communicated as attacks from Brussels and would trigger more severe defense using national sovereignty or constitutional identity narratives (as it happened in the EU-Polish „dialogue” on the judicial reform). Legal measures would be ineffective, too: the „value-oriented” EU law infringement procedures will not make these governments rectify their infringements but could result in the same political response: non-compliance and pushing the limits even further. (Tímea Drinóczi, Verfassungsblog)

Ungarn ist mittlerweile, fürchte ich, verloren (man sehe sich nur dieses leider alltägliche Beispiel an, oder die Anti-EU-Hetze des Landes). Die EU hat aber tatsächlich keine Lösung für das von Drinòczi angesprochene Problem: non-compliance. Während noch jedes Investitionsabkommen vor der WTO einklagbar ist, wo drakonische Milliardenstrafen verhängt werden, ist die EU unfähig, auch nur ein Fitzelchen zum Schutz der Demokratie hinzubekommen. Wenn es aber möglich ist, Staaten zu zwingen, Unternehmen Milliarden auszubezahlen, ist nicht einsichtig, warum es nicht gelingen sollte, dieselben Staaten zu verpflichten, die Demokratie nicht zu zerstören. Es ist der fehlende Wille der Beteiligten.

6) Wer profitiert, wer verliert // Tweet

Wahlkampf? Manche Bürger halten dieses politische Großereignis für eine fade Sache. Die etablierten Parteien unterscheiden sich doch kaum, finden sie. Schwer, sich überhaupt für eine zu entscheiden – so die Ansicht. Doch für den Wahlkampf 2021 stimmt das nicht. Das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) hat für die Süddeutsche Zeitung berechnet, was zentrale Vorschläge der Parteien für den Geldbeutel der Bürger bedeuten. Und siehe da: Die Unterschiede sind gewaltig. (Cerstin Gammelin/Alexander Hagelüken, SZ)

„Die Grünen sind gar keine linke Partei. Die machen nur Politik für die gut situierte, bürgerliche Mittelschicht.“ pic.twitter.com/hCwEA11yOk

— Tarik Abou-Chadi (@tabouchadi) July 8, 2021


Was diese Steuerpläne besonders gut zeigen ist in meinen Augen, dass die ihr vielfach zugesprochene Wirtschaftskompetenz und Seriosität der CDU eine reine Mirage ist. Die CDU will die Steuern für ALLE senken, will keine Ausgaben kürzen, will für den Klimaschutz investieren und keine neue Schulden aufnehmen und alte Schulden abbauen. Das ist reine Fantasie. Es ist komplett unehrlich, und aus mir völlig unerfindlichen Grünen kommen sie mit dem Blödsinn durch.

Davon abgesehen ist es natürlich wieder beeindruckend, wie CDU und FDP Steuergeschenke für die Reichen beschließen. Wenig überraschend natürlich, dass die linken Parteien die Steuern der Reichen erhöhen wollen - nicht, dass das sonderlich sinnvoll wäre, schließlich ist das größte Problem nicht über die Einkommenssteuer greifbar - aber es spielt halt in der Wählerschaft politisch gut. Wie problematisch die Definition von "reich" ist, haben wir ja in den Kommentaren auch schon besprochen. Solange Vermögen und Kapitalerträge nicht vernünftig miterfasst werden, ist das alles nicht zielführend.

7) BMW und VW müssen 875 Millionen Euro Strafe zahlen

Es waren gewaltige Vorwürfe, die die deutsche Industrie erzittern ließen: Im Juli 2017 wurde bekannt, dass die EU-Kommission ein Kartell der deutschen Autobauer vermutet. Es ging unter anderem um Abgasreinigungsanlagen: Gemeinsam hätten die deutschen Autobauer Volkswagen inklusive der Töchter Audi und Porsche sowie Daimler und BMW Partikelfilter für Benzinmotoren verhindert, aber auch dem Dieselskandal den Weg bereitet. Mitarbeiter der EU durchkämmten in der Folge gewaltige Datenmengen aus den Konzernen auf der Suche nach Indizien und Beweisen. [...] BMW müsse deshalb ein Bußgeld in Höhe von 373 Millionen Euro zahlen, der VW-Konzern, der sich als zweiter Kronzeuge selbst angezeigt hatte, bekommt einen Rabatt und zahlt 502 Millionen Euro. Daimler muss nichts zahlen, da der Konzern erster Tippgeber war in dem Verfahren. Die Hersteller verweisen indes darauf, dass die besprochenen Verfahren niemals umgesetzt worden seien - was aber nicht vollständig hilft, weil allein die entsprechende Diskussion als illegale Verabredung gilt. (Max Hägler/Klaus Ott, Süddeutsche Zeitung)

Angesichts dessen, dass VW (!) 2020 einen Reingewinn von 12 Milliarden Euro eingefahren hat, sind diese Zahlungen eher eine Aufforderung, auch künftig kriminelle Geschäfte zu machen. Der einzige Vorteil aus der Affäre ist, dass sich die Unternehmen panisch alle gegenseitig verraten haben und nun nicht mehr vertrauen. Zumindest ist es das, was sie öffentlich sagen. Vielleicht erschwert das die nächste Verbrechenswelle, aber ich würde nicht darauf wetten. Dafür geht es um zu viel Geld.

8) Trump Country Rejects Vaccines Despite Growing Delta Threat

Two Americas have emerged from the growing vaccination gap. In one, dominated by states that Biden won in the November election, most adults got their shots and daily life is rapidly returning to normal, with assurances from health officials that the worst is over. But in the other — overwhelmingly Trump country — fewer adults are vaccinated and health officials fear that the new, more transmissible delta variant, first observed in India, is driving a surge of cases, hospitalizations and deaths. [...] A stark partisan divide over the virus has emerged: a Gallup poll last week found that 57% of Republicans say the pandemic is over, compared with 4% of Democrats. [...] Davis’s resistance to vaccination isn’t rooted in her politics, but some health officials in the region wonder whether Biden inadvertently hamstrung himself by setting his July 4 target. “There’s a part of me, in thinking through this — are there folks who are still going back to the election results and saying, ‘you know what, the current administration set a goal so we’re going to do our part to make sure they don’t hit their goal?’” said Craig McCoy, a former paramedic who’s president of Mercy Springfield Communities [...] (Josh Wingrove, Bloomberg)

Es ist kompletter Irrsinn. Die Republicans in den Red States behindern aktiv (!) die Impfkampagne, was wieder zehntausende von Opfern - durch Tod, schwere Krankheit und/oder langfristige Nebenwirkungen - fordern wird, von der Weiterverbreitung der Pandemie einmal ganz abgesehen. Dank FOX, der republikanischen Prawda, wird diese Botschaft kontinuierlich in die Zuschauenden gehämmert. Diese bewusste Gefährdung von Menschenleben, so sieht Populismus aus. Aber die Republicans verstehen eben, anders als die abgehobenen Küsteneliten, die Sorgen und Nöte der ruralen Bevölkerung ohne Krankenversicherung.

9) Senate Democrats: Go Ahead, Scrap the Filibuster

The ultimate irony, however, and the real pitfall for Democrats lies elsewhere. A padded, filibuster-free Republican Senate majority stemming from their opponents’ potentially looming misstep could, in combination with a Republican House majority and president, be used after 2024 to pass the kinds of sweeping legislation that President Trump agitated for back in 2017 and 2018. Such victories are improbable otherwise: even with a 59 seat Senate majority (one seat short of being filibuster-proof) and control of the House, Democrats struggled to pass the bulk of their agenda during Obama’s first two years in office. Republicans who patiently await public policy triumphs of the sort that have evaded the party time and time again since the dawn of the New Deal should be salivating as they watch Democrats naively edge closer to the grand trap they are setting up for themselves. Like the nomination of George McGovern in 1972, eliminating the filibuster would be little more than a symbolic pyrrhic victory for the hard-left. Television pundits and grassroots activists would cheer on the move and commend moderate Democrats for “growing a spine” only to be left scratching their heads asking what went wrong when election day comes around and Democrats lose their Senate majority after two years of little to no substantive legislative achievements. All the while, Republicans would be wise to reflect upon the old adage attributed to Napoleon Bonaparte: “Never interfere with an enemy in the process of making a mistake.” (Milton Zerman, The American Conservative)

Zerman macht früher im Artikel den Punkt, dass die Democrats auch ohne den Filibuster nicht in der Lage wären, die notwendige 50-Stimmen-Mehrheit für ihre politischen Unternehmungen zusammenzubekommen. Diesen Punkt halte ich für wesentlich relevanter als die obigen, zu denen ich gleich kommen will. Tatsächlich brauchen die Democrats die Stimmen von Siema und Manchin, so oder so. Und die haben sie meistens nicht. Das spricht aber nicht für die Beibehaltung des Filibuster.

Denn erstens erlaubt dieser es gerade, dass Manchin und Siema (als pars pro toto) sich effektiv hinter der undemokratischen Notwendigkeit von Super-Mehrheiten verstecken, und zweitens ist das Argument Kokolores, die Republicans könnten dann 2024 durchregieren, weil die Democrats ihn abgeschafft hätten. Als ob die auch nur eine Sekunde zögern würden, das selbst zu tun! Man hört dieses Argument ständig, als ob die 50-Stimmen-Mehrheit, die die Abschaffung erfordert, nur für die Democrats gälte.

Die GOP kann mit derselben Mehrheit 2024 den Filibuster abschaffen und dann machen was sie will. Und ich weiß genau, wer dann doof aus der Wäsche schauen würde und sich fragen, warum die andere Seite nicht fair spielt. Niemals würden sich Republicans von den "Traditionen" des Senats an ihrer radikalen Agenda hindern lassen. Was sie bisher abgehalten war, dass sie keine Mehrheiten gebraucht haben, weil sie eine rein destruktive Kraft sind. Aber das kann sich ändern.

10) Tweet

We asked if the streets of LEGO City could be less car centric. @LEGO_Group responded: "We do not partake in political statements"

So we decided to help them out!
Alternative LEGO road plate #2: the Dutch roundabout!

Would you buy this?
(part of: https://t.co/PoFDASLVac) pic.twitter.com/RsdEw9SkT4

— Cycling Professor (@fietsprofessor) July 10, 2021


Wie bereits hier in Fundstück 9 angesprochen ist diese Ausrede komplett haltloser Unfug. LEGO macht ein politisches Statement, so oder so. Wenn sie ihre autozentrische Stadtgestaltung unverändert beibehalten, legen sie sich ebenso politisch fest wie wenn sie anfangen, Radwege in ihre Städte zu bauen. Dass es mit LEGO City, das stark auf die "Gangster vs. Polizei"-Dynamik setzt, wenig spannend ist, Fahrräder einzubauen - LEGO verkauft hier gepanzerte Trucks, Sportwagen, Helikopter etc. - ist völlig offensichtlich. Aber das ganze "unpolitisch" zu nennen ist Heuchelei.

11) Er lässt die AfD nicht mitspielen

Die Gespräche über die Bildung einer Allianz nahmen nach und nach Konturen an. Erste Entwürfe eines Manifests machten die Runde. Bald öffnete sich der exklusive Dreierclub aus ungarischer Fidesz, polnischer PiS und italienischer Lega, weil kleinere Parteien unruhig wurden und ihre Berücksichtigung einforderten, berichtet ein Teilnehmer der Gespräche gegenüber t-online. Hinzustießen der Rassemblement National (RN) die Fratelli d'Italia und die spanische Vox. Wieder nicht dabei: die AfD. [...] Dabei ist Meuthen, so scheint es, gar kein Vorwurf zu machen. Im neuen Bündnis reden sie gut über ihn, insbesondere bei der Lega und dem Rassemblement National hat Meuthen Sympathien. [...] Doch der AfD-Chef ist auch nicht das Problem, seine Partei ist es. Genauer: jene Teile um den Rechtsaußen Björn Höcke, die sich auf dem AfD-Parteitag im April mehrheitlich für den deutschen EU-Austritt ausgesprochen haben. "Die EU muss sterben, wenn Deutschland leben will", sagte damals ein Redner. Der Dexit wurde offizielle Parteilinie der AfD – und zum Sargnagel für Meuthens Europapläne.  [...]  "Wenn ich die Bismarck-Lobreden von Alexander Gauland höre oder so manche Äußerungen von Björn Höcke, dann bin ich skeptisch, dass die Partei in naher Zukunft so weit ist", sagt Krasnodebski. Zudem sei das Russland-Bild der Partei aus polnischer Sicht verstörend. "Wir können nicht akzeptieren, dass jemand Putin verehrt." (Daniel Mützel, t-online)

Ich finde es immer wieder faszinierend, wie solche Dynamiken gegenläufig sein können. Was der AfD hier half, das rechtsradikale Spektrum hinter sich zu vereinigen, ist ihr in der EU ein Klotz am Bein. Zudem bahnt sich damit ein ähnliches Problem für die AfD an wie für die LINKE: selbst wenn die Partei sich irgendwann zu Demokratie und Rechtsstaat bekennt, wie das die LINKE mittlerweile tut, und ihre Vorstellungen ein wenig modereriert, wäre die Außenpolitik ein unüberwindbares Hindernis für das geliebte Bündnis mit der CDU (oder ein Dreierbündnis mit der FDP, um die R2G-Parallele zu vervollständigen).

Wie schließlich sollten die bürgerlichen Parteien auf Bundesebene ein Bündnis mit einer Partei schließen, die einerseits sämtliche ihrer Verbündeten in der EU antagonisiert und andererseits "Freundschaft" mit Russland gegen die osteuropäischen Nachbarn und einen Austritt aus der EU fordert? Da mögen sich die Abgeordneten beim Kampf gegen den Genderstern und für die Kürzung des Sozialstaats noch so sehr die Hand reichen können. Ich hoffe daher, dass die AfD sich da richtig schön weiter in die Ecke manövriert und nicht in der Lage ist, diesen "Klotz am Bein" loszuwerden. Das bewahrt uns dann mittelfristig erstmal vor dem Laden.

Dir gefällt, was Stefan Sasse schreibt?

Dann unterstütze Stefan Sasse jetzt direkt: