„Als Pädagogin weißt du das doch eh schon alles“ – für meine Tochter aber bin ich Mutter. Und das habe ich nicht studiert. Es ist der härteste und schönste Job, den ich je hatte.
„Du bist ja Pädagogin, du musst das doch wissen“. Ich habe 10 Semester studiert, mit einer Eins vor dem Komma abgeschlossen und kann auf eine durchaus fundierte und langjährige Berufserfahrung zurückblicken. In keiner Vorlesung jedoch habe ich gelernt, was ich meiner Tochter anziehe, wenn wir draußen 13 Grad haben, ich wurde emotional nicht darauf vorbereitet, was es mit mir macht, wenn sie plötzlich aus einer Klamottengröße herausgewachsen ist und ich habe nie auch nur eine Klausur über „wie packe ich einen Wickelrucksack“ geschrieben.
Natürlich hilft mir oft mein Wissen über Entwicklungspsychologie, meine pädagogische Haltung und meine Erfahrung in der Arbeit mit Kindern, wobei ehrlicherweise meine tatsächliche Expertise bei Kindern mit ungefähr 10 Monaten beginnt. Ich bin sicher an der einen oder anderen Stelle gelassener, kreativer, informierter. Das alles aber hilft nur marginal im Alltag mit einem Säugling.
Ich habe schon unzählige Kinder gewickelt und trotzdem noch nie zuvor ein Neugeborenes. Wann und wie auch, meine Krippenkinder sind 10 Monate alt und älter. Wie klein so ein neugeborenes Baby doch ist und wie mini so eine 1er Windel! Tatsächlich habe ich meine Tochter am Anfang oft zu locker gewickelt. Naja, ich habe schnell gelernt. Zwangsläufig und das werde ich nun nicht näher erläutern, denn ich denke, der Grund ist selbsterklärend.
Ich erkenne Läuse auf 10 m Entfernung, habe schon unzählige Hautrötungen begutachtet und viele Male entschieden, wann ein Kind bitte aus der Einrichtung abgeholt werden soll, weil krank. Dennoch war ich verunsichert, als mein Baby plötzlich Hautreizungen an den Speckfalten hatte, fuhr lieber einmal mehr zum Kinderarzt, als es mit 10 Wochen heftigen Durchfall hatte und überlege unschlüssig, ob das rote Ohr vom Zahnen oder nicht doch von einem Infekt rühren könnte.
Ich habe schon 2x eine komplette Kita eingerichtet und verzweifelte fast an der Auswahl einer geeigneten Wickelkommode für uns zuhause. Beim Kauf einer Babyschale fürs Auto habe ich (haben wir) die komplett falsche Wahl getroffen.
Ich habe schon sehr viele Eingewöhnungen sowohl selbst durchgeführt als auch Kolleg:innen fachlich dabei begleitet und weiß aber jetzt schon, dass ich im November mit Sicherheit das eine oder andere Mal heulend im Auto sitzen werde, weil dann mein eigenes Kind in der Krippe eingewöhnt wird.
Ich habe schon mehrfach interne Fortbildungen gehalten sowie Papers über Bindungs- und bedürfnisorientierte Begleitung geschrieben und mich dennoch tatsächlich schon dabei erwischt, wie ich meiner 8 Monate alten Tochter so unsägliche Sätze wie „Das war doch nur … du musst doch keine Angst haben“ … gesagt habe – immerhin habe ich mich danach sofort darüber geärgert und mich bei ihr dafür entschuldigt (es ist ja ihre Angst und gerechtfertigt, wer bin ich, über ihre Angst entscheiden zu können?).
Ich weiß also vieles und vieles auch nicht. Ich lerne viel von meinem Kind und orientiere mich wenig an Fachliteratur. Ich agiere oft nach dem Motto „Trial-and-Error“, mache die gleichen Erfahrungen und vermeintlichen Fehler wie jede andere Mutter auch. Ich muss in meine Rolle als Mutter finden, mich mit meiner Tochter eingrooven und gemeinsam mit ihr und meinem Mann und der Katze zu einer Familie wachsen. Ich bin oft genauso unsicher, überfordert und ohne Plan wie jede andere auch.
Am Ende kochen wir doch alle nur mit Wasser, lernen stetig dazu und versuchen, das Beste für unsere Kinder zu geben.
Ich vertraue viel auf mein Bauchgefühl, auf mein Kind, lasse sie machen und bin an vielen Stellen sehr gelassen. Gleichzeitig gibt es Situationen, da sitze ich gedanklich schon im Helikopter, verzweifle an den einfachsten Entscheidungen und bin froh, gleich 4 Mütter mit Kindern im ähnlichen Alter im Freundeskreis zu haben, mit denen ich mich auf eine sehr wertschätzende Art und Weise austauschen kann.
Als Mama bin ich noch Azubi. Meine Lehrmeisterin ist meine Tochter. Es ist die schönste und gleichzeitig herausforderndste Aufgabe, die ich je hatte. Wenn ich da mit einer soliden 2 am Ende abschließen werde, dann ist das mehr, als ich erhoffen kann.
Let’s rock and roll.
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