Meine Tochter ist jetzt knapp 8 Monate alt und ich möchte euch erzählen, was für eine Mutter ich bin, beziehungsweise, nicht bin.

Auf Twitter erzähle ich gerne von meinem Alltag mit meiner Tochter. Auf Instagram poste ich auch mal ein Foto von ihr. Nie mit Gesicht, denn ihr Gesicht wird man, solange sie das selbst nicht entscheiden kann, auf Social Media nicht finden.

Was man von uns ebenfalls nicht finden wird, sind inszenierte Social Media – Hochglanzfamilienfotos in einem arrangierten Home.

Versteht mich nicht falsch. Wer so lebt, wer das so möchte, wer sich so inszeniert, kann das gerne tun. Wer sich am Ende gar nicht inszeniert, sondern es tatsächlich schafft, so zu leben, dem zolle ich höchsten Respekt. Wer es eben so mag.

Wenn es bei uns jetzt an der Tür klingeln würde und Instagram würde vor der Tür stehen, dann würden wir ganz bestimmt keinen Account damit füllen. „Schöner Wohnen“ würde auch enttäuscht weiterziehen.

Bei uns ist es immer sauber und ordentlich. Ich gebe zu, ich habe alle zwei Wochen eine Putzperle, die uns hilft, das Haus in Ordnung zu halten. Aber auch ohne diese Hilfe kann man gefahrlos darin leben.

Auf unserem Esstisch, den wir selbst gebaut haben, steht eine wunderschöne Dekoschale. So schön, so gut. Drum herum drapiert liegen aber auch irgendwelche Kassenzettel, Zeitschriften und mittlerweile auch Babyspielzeug. Unser Wohnzimmer hat sich verwandelt in ein kleines Spielzimmer. Das wollten wir eigentlich nie. Wir wollten unser Wohnzimmer immer „Spielzeug frei“ halten, naja, dann kam unser Kind und wir lachen heute noch darüber.

Unser komplettes Haus sieht so aus, als ob Menschen darin leben. Überraschung: machen sie auch. Ich staune manchmal über Häuser, die einer Ausstellung in einem Möbelhaus gleichen. Jedem so, wie er / sie es gerne möchte, keine Frage. Mir persönlich sind Häuser und Wohnungen, in denen gelebt wird, jedoch viel sympathischer.

Ich kenne (vor allem) Mütter, die stellen sich den Wecker, um einen straffen Tagesplan mit dem Baby zu absolvieren. Mütter, die noch zuhause sind und keine weiteren Verpflichtungen wie weitere Kinder oder ihren Job haben. Mütter wie ich in der Erziehungszeit.

Ich genieße es, mit meiner Tochter auszuschlafen - zum Glück habe ich eine kleine Langschläferin und wir genießen es, nach dem ersten Fläschchen und Wickeln noch mal in den Tag zu kuscheln und gerne auch nochmal einzuschlafen. An manchen Tagen sogar bis 9:30 Uhr, erst dann stehen wir auf und starten in den Tag. Der Alltag und das Weckerklingeln kommt noch früh genug. Ab November wird meine Tochter in der Krippe eingewöhnt, ab Januar werde ich wieder arbeiten. Spätestens ab dann hat uns der Alltag und eine dann unvermeidliche Struktur gefangen. Solange das aber noch nicht der Fall ist, genießen wir unsere Zeit und unser Lotterleben. Wir stehen irgendwann auf, wir frühstücken, ich mache das Nötigste: zum Beispiel räume ich die Spülmaschine ein und aus, aber ich kann mich hüten, jeden Tag das Bad zu putzen.  Und dann machen wir das, worauf wir Lust haben. Es gibt kein älteres Geschwisterkind, somit gehört der Tag mir, meiner Tochter und wenn es die Arbeitszeit des Mannes zulässt, uns allen drei.

Bei uns kann jederzeit Besuch kommen, so ist es nicht. Wenn jetzt das Telefon klingeln würde und sich Besuch ankündigen würde (natürlich vor Corona Zeiten), dann würde ich nicht in nackte Panik verfallen. Aber ich würde auch nicht den Wischmob aus der Waschküche holen. Eventuell würde ich schon mal den Prosecco aus dem Kühlschrank holen. Das wäre wahrscheinlicher.

Unser Baby darf alles anfassen, was es möchte. Gefährliche Gegenstände natürlich ausgeschlossen. Sind wir im Garten, so entdeckte meine kleine Tochter die Welt da draußen. Ich mag nicht ausschließen, dass sie auch schon mal Gras gegessen hat.  Gras rauchen wäre wohl schlimmer in diesem Alter. Natürlich passe ich auf, dass sie keine giftigen Pflanzen - die wir hoffentlich eh nicht im Garten haben - zu sich nimmt, die Menge an Erde überschaubar ist und natürlich achte ich darauf, dass sie sich nicht wirklich ernsthaft verletzen kann. Am Ende so eines Tages sieht sie aus, wie meiner Meinung nach ein Kind im Sommer aussehen muss: schmutzig, mit Erdbeergesicht und glücklich.

Wir haben nicht eine Flasche Sagrotan zuhause.

Mit unserer Tochter haben wir schon früh mit der Beikost angefangen. Zum Glück haben wir einen Kinderarzt, der sehr entspannt und auf unserer Wellenlänge ist. „Alles rein und alles druff“ scheint sein Motto zu sein und das gefällt uns sehr gut. Unsere Tochter darf bei uns alles mitessen.  Sie bekommt ihren Babybrei, sie bekommt aber auch all das, was wir auch essen (Zucker tatsächlich ausgenommen). Essen wir Spaghetti Bolognese, isst auch sie Spaghetti Bolognese. Wir achten darauf, dass sie nichts Scharfes zu essen bekommt, ansonsten würzen wir nicht anders. Da wir auch schon vor ihrer Zeit sehr salzarm gegessen haben, müssen wir auch diesbezüglich unser Essen nicht besonders anpassen. Und sind wir mal ehrlich – das meiste landet im Moment eh noch in ihrem Gesicht, in ihren Haaren, auf dem Hochstuhl oder auf dem Boden. Man kann sozusagen wortwörtlich bei uns vom Boden essen. Guten Appetit! Ihr Milchfläschchen bekommt sie natürlich auch noch, in der Früh und nach Bedarf. Sie sagt mir schon, was sie braucht.

Wir haben eine sehr großzügige 3 – Sekunden – Regel, wenn Dinge wie der Schnuller zum Beispiel auf den Boden fallen. Den Schnuller darf sie übrigens auch haben, wenn sie ihn braucht.

Unser Haus ist sehr gut isoliert, so dass unsere Tochter meistens nur im Body bekleidet ihre heimische Welt erkundet. (Nein, es ist nicht zu kalt).

Ich weiß, manchen Menschen sind wir zu entspannt im Umgang mit unserer Tochter.

In einem Mütterforum würde ich für viele Dinge gesteinigt werden.

Und das ist mir ziemlich egal. Unsere Tochter wächst und gedeiht, es geht ihr gut, sie ist gesund, sie ist neugierig und munter und das Allerwichtigste: sie wird geliebt, sie darf sich ausprobieren, sie wächst in einem unkomplizierten Umfeld auf.

Es kann passieren, dass die Spülmaschine nicht rechtzeitig ausgeräumt wird, ein Wäschekorb im Weg steht und wir uns sehr beeilen müssen, einen Termin um 11.00 Uhr zu schaffen. So. What.

Diese wertvolle Zeit verbringe ich viel lieber mit meinem Kind. Unser Kuschelkonto ist stets gut gefüllt und das ist mir tausend Mal wichtiger als gebügelte Wäsche.

Mein Körper hat auch noch nicht wieder die Figur wie vor der Schwangerschaft. Ich bin zuversichtlich, dass sich das spätestens mit dem Zeitpunkt, an dem ich meiner Tochter hinterherlaufen muss, ändert. Allerspätestens, wenn ich wieder arbeite und mein Tag organisiert und verplant ist. Dann bewege ich mich automatisch mehr und das muss reichen. So ist das menschliche Klettergerüst meiner Tochter eben noch eine Weile gut gepolstert.

Kommen wir nun zu den besonders bösen Dingen.

Ich sitze manchmal neben ihr und habe mein Handy in der Hand. Ich beantworte eine WhatsApp oder einen Tweet, ich schaue Fotos durch oder recherchiere irgendwelche Dinge oder verkaufe Babyklamotten im Internet. Meine Tochter kann sich bereits sehr gut selbst beschäftigen, ich bin in ihrer Nähe, alles gut. Wir verbringen sehr viel Zeit zusammen, ich genieße diese Zeit, habe aber auch kein schlechtes Gewissen, wenn ich hin und wieder auf mein Handy schaue. Natürlich könnte ich das alles auch am Abend machen, wenn sie schläft. Aber der Abend gehört mir, der gehört mir mit meinem Mann oder mit meinem Laptop. Heute Abend zum Beispiel, wenn ich diesen Beitrag schreibe.

Ich bin eine Mutter, die sehr glücklich mit ihrer Tochter ist. Die sich aber auch freut, wenn diese Tochter abends auch irgendwann mal schläft. Und das ist absolut legitim. Ich bin nämlich nicht nur Mutter, ich bin auch noch Ehefrau, Geliebte, Freundin, Partnerin, Katzenmama. Und ich bin immer noch ich selbst. Ich freue mich, wenn ich nach einem langen Tag, den ich sehr intensiv mit meiner Tochter verbracht habe, einfach nur mal in Ruhe duschen kann. Und weitere Dinge machen kann, die nichts mit einem Baby zu tun haben. Ich darf genervt sein, wenn die Einschlafbegleitung länger dauert. Ich darf drei Kreuze schlagen, wenn meine Tochter nach einem anstrengenden Tag endlich schläft.

Ich kann mich nur gut um andere kümmern, wenn es mir gut geht.

Und dann darf ich auch einen Prosecco im Bällebad trinken. Oder mit meinem Partner ein Glas Weißwein an einem lauen Sommerabend. Auch das dürfen Mamas tun, wenn sie verantwortungsvoll damit umgehen.

Ich bin überzeugt, die meisten Eltern geben jeden Tag das Beste für ihr Kind. Ich bin überzeugt, die meisten Eltern wollen auch nur das Beste für ihr Kind.

Wir Eltern machen einen verdammt guten und harten Job. Jeden Tag. Und oft machen wir uns das Leben noch zusätzlich schwer, weil irgendwelche vermeintlichen Konventionen oder Regeln das angeblich so vorgeben. Wie viele gestresste Eltern habe ich beruflich und auch privat schon erlebt, die aufgrund irgendwelcher Tabellen, Vorgaben und Doktrinen so dermaßen unter Druck stehen, dass sie gar keinen Blick mehr für das Wesentliche haben: nämlich ihre Kinder.

Was ich eigentlich nur sagen möchte: Lasst uns alle ein bisschen mehr durchatmen und entspannen. Unseren Perfektionismus herunterschrauben und perfekt unperfekt sein.

Unsere Kinder machen schon ihr Ding, sie teilen uns mit, was sie brauchen. Und das ist mit Sicherheit nicht der sofort weggeräumte Wäschekorb. Ganz ehrlich.

Dir gefällt, was Mrs.Mary schreibt?

Dann unterstütze Mrs.Mary jetzt direkt: