Etwa die Hälfte aller Befragten hielten Umfragen zufolge nächtliche Ausgangssperren zur Eindämmung der Corona-Pandemie für richtig.

Reisen ins Ausland erschienen nahezu unmöglich. Reisende, die sich trotzdem auf eine balearische Insel wagten, mussten den Shitstorm ihrer Mitmenschen fürchten. Selbst innerdeutsche Ausflüge zu den eigenen Zweit- oder Ferienwohnungen wurden entweder komplett unterbunden oder nur noch mit merklich schlechtem Gewissen und der Angst, erwischt oder verraten zu werden, unternommen. Touristische Reisen waren sowieso faktisch untersagt, weil kein Hotel touristisch beherbergen durfte. Kita- und Schulschließungen gehörten zum akzeptierten Alltag.

Andere Umfragen wollen belegen, dass etwa die Hälfte oder sogar zwei Drittel der Befragten für ein generelles Tempolimit auf Autobahnen sind. Fleischverbote in Kantinen oder ein Billigfleischverbot in Supermärkten rücken immer mal wieder in den Focus der Öffentlichkeit. Eine Homeofficepflicht für Unternehmen ist genauso im Gespräch, wie es die täglich zweimalige Gassigehpflicht für Hundebesitzer war. Ein Verbot von Inlandsflügen erscheint mindestens diskussionswürdig. Das Eigenheim, Traum und Synonym vieler Menschen für ihre Unabhängigkeit und ihren Wohlstand, wird zum bodenfressenden und damit eindeutig klimaschädlichen Monstrum.

Sind unsere verfassungsmäßig verankerten Grundrechte - unsere Freiheit – gemeint, wird zuweilen gar von Privilegien gesprochen.

Situationen, Pläne und Bemerkungen, die nicht nur leere Hülle oder in ihrer Formulierung falsch ausgedrückt oder falsch verstanden sind. Dies sind ganz bewusst gesetzte Punkte als Grenzmarken zur Dehnbarkeit staatlicher Eingriffe.

Regelmäßig durchgeführte Umfragen, wöchentlich auch zum Bundeswahltrend zeigen, inwieweit die Menschen bereit sind, diese Grenzmarken verschieben zu lassen oder gar aufzugeben.

Bemerkenswert ist dabei, dass der umfragewertbedingte Zuspruch umso höher schien, je stärker und härter ein- bzw.durchgegriffen werden sollte. Dies mutet zuweilen an, wie ein Schulterschluss des Wählers mit der Begrenzung der eigenen Freiheit durch die verantwortliche Politik. Ist uns unsere Freiheit wirklich so wenig wert?

Jedes Jahr gab es anlässlich der Jubiläumsfeierlichkeiten zum Republikgeburtstag der DDR einen Fackelzug der Jugendorganisation FDJ in Berlin. Jedes Jahr sollte damit die Verbundenheit der Jugendorganisation mit der SED-Führung symbolisiert werden. Und jedes Jahr fuhren viele tausendJugendliche aus der ganzen Republik nach Berlin. So auch 1989. Die Fahrt nach Berlin war für mich als damals 15jährige das Ereignis des Jahres 1989. Michail Gorbatschow hat in der Sowjetunion für Glasnost und Perestroika gekämpft und in der ehemaligen DDR wurden die Montagsdemos immer gewaltiger.

So bin ich nach Berlin gefahren, habe mit vielen anderen Jugendlichen in einer Schule übernachtet und diskutiert. Abgesehen davon, dass mir an dem Abend des 06.10.1989 die Haare durch eine hinter mir laufende Fackel angesengt wurden, war ich, wie wohl viele andere junge Menschen, wie elektrisiert, von der fast schon greifbaren Stimmung, dass etwas Großes passieren wird. „Gorbi“ wird kommen.

So sind wir an der Bühne der SED-Führung vorbeigezogen,mit  dem immer lauter werdenden  Ruf. „Gorbi, Gorbi, Gorbi...“.  Eine Hoffnung auf Änderung, eine Hoffnung auf Zukunft, eine Hoffnung auf Freiheit - gemeinsam vereint. Erich Honecker hat trotzdem tapfer weiter gewunken. Blind für den Wandel, den die Menschen der DDR anstrebten.

Es ging um Freiheit. Reisefreiheit. Pressefreiheit. Berufsfreiheit. Meinungsfreiheit.

Wir leben heute in einem vereinten Deutschland. Und Freiheit scheint selbstverständlich zu sein.

Bis vor gut einem Jahr. Mit dem Beginn der Corona-Pandemie wurden unsere Grundrechte und unsere Freiheit massiv eingeschränkt. Ganze Berufsgruppen wurden und werden an der Ausübung ihres Berufes gehindert. Selbst innerdeutsches Reisen wird sanktioniert.

Bundesweite Ausgangssperren im Infektionsschutzgesetz wurden dahingehend kommentiert, dass Menschen auf ihren abendlichen Spaziergängen oder Besuchswegen „erwischt“ werden sollen.

Die Änderungen im Infektionsschutzgesetz mit den massivsten Grundrechtseingriffen der letzten Jahrzehnte wurden gegen die ausdrückliche Einschätzung entsprechender Sachverständiger mehrheitlich im Bundestag beschlossen. Der Bundesrat erhob trotz angeblich erheblicher rechtlicher und praktischer Bedenken keinen Einspruch gegen diese Novellierung.

Gerichte mussten und müssen daher zunehmend angerufen werden, um erlassene Rechtsvorschriften und Verbote der Regierungen zur Bekämpfung dieser Pandemie zu überprüfen. Und sie kippen diese regelmäßig.

Das Bundesverfassungsgericht hat die Mietpreisbremse des Berliner rot-rot-grünen Senats für nichtig erklärt. Zwar im Grunde wegen fehlender Regelungskompetenz des Berliner Senates. Doch zeigen nicht zuletzt diese und all die anderen nicht für verfassungskonform erachteten Gesetze und Regelungen, wie nachlässig zunehmend mit unseren Grundrechten umgegangen wird. Der Staat wird überbordend eingreifend.

Und wenn selbst ein Pressevertreter die Ankündigung der FDP, gegen diese beschlossene Bundesnotbremse im Falle ihres Inkrafttretens Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht einzulegen, damit (privat) kommentiert, dass die FDP hoffentlich „die Anschnallpflicht im Auto weiterhin für verfassungskonform (hält). Weil es die Bewegungsfreiheit doch massiv einschränkt.“, dann scheint Verfassungspatriotismus vollends vergessen zu sein.

Freiheit gerät mehr und mehr ins Abseits und mit ihr die Menschen, die an ihre Freiheit und die Freiheit anderer erinnern. Sie selbst geraten schnell ins argumentative Abseits. Sie werden gleichgestellt mit radikalen Querdenkern oder Leugnern. Wird der allgemeine Ruf nach mehr Freiheit und damit die Forderung nach dem konsequenten Blick auf unser Grundgesetz zu laut, kommt nicht selten ein Abwehrmechanismus aus Negativmeldungen in Gang, der Angst schürt.

Freiheit muss geschützt werden. Unsere Verfassung schütztunsere freiheitlichen Grundrechte und uns vor dem unrechtmäßigen Eingriff des Staates in unser selbstbestimmtes, freiheitliches Leben. Recht und Gesetz müssen sich an dieser Verfassung messen lassen, im Zweifel dann eben durch das Bundesverfassungsgericht.

Freiheit muss aber auch gewollt und zuweilen täglich neu persönlich erstritten und erkämpft werden. Wie Goethe einst dichtete: "Das ist der Weisheit letzter Schluss: Nur der verdient sich Freiheit wie das Leben, der täglich sie erobern muss."

Denn Freiheit ist nicht selbstverständlich. Freiheit ist nicht automatisch. Freiheit ist auch nicht leicht. Freiheit bedeutet auch Verantwortung. Verantwortung für sich selbst, für andere und für unsere Gesellschaft.

Es braucht keinen Staat, der uns sagt, was wir essen sollen und dürfen oder wie wir von A nach B kommen und wie oft wir von A nach B gehen. Es braucht auch keinen Staat, der uns sagt, was wir anziehen, wo und wie wir wohnen und wann wirmit wem vor die Tür gehen dürfen. Wir selbst haben die Verantwortung für all diese und noch mehr Entscheidungen in der Hand.

Wir dürfen daher unseren Blick nicht verschleiern, vor den immer wiederkehrenden und immer ausgedehnteren Grundrechtseingriffen und Beschneidungen unserer Freiheit. Wir dürfen nicht nachlassen in unserem Ringen um unsere Freiheit. Freiheit täglich erobern bedeutet, wachsam zu sein und die Trägheit der eigenen Verantwortungslosigkeit abzustreifen. Nur dann bewahren wir uns unsere Freiheit.

Verantwortungsvolle Menschen sind frei.