Fast täglich hört und liest man heute von Betrieben, die schließen oder in die Insolvenz geraten. Dabei sind von kleineren Unternehmen bis großen Konzernen alle dabei. Während nun natürlich CDU und andere Rechtsspacken wieder „die Grünen“ dafür verantwortlich machen, sind die Gründe dafür wohl doch etwas vielschichtiger – und vor allem schon seit Längerem absehbar.

Esprit, Arko, die Meyer Werft, Weck, Depot, FTI, Bosch, Varta, Weltbild und sogar VW – alles renommierte und bekannte Unternehmen, die gerade in arge Schwierigkeiten geraten sind, Personal entlassen müssen und teilweise sogar Insolvenz anmelden.

Natürlich sind bei so unterschiedlichen Betrieben auch jeweils individuelle Gründe für das wirtschaftliche Scheitern auszumachen, aber generell kann man doch ein paar Tendenzen erkennen, die schon ein Stück weit Allgemeingültigkeit haben. Und natürlich überschneiden sich die verschiedenen Ursachen auch bei einzelnen Unternehmen.

Preissteigerung

Aufgrund der hohen Energiepreise infolge des Ukraine-Krieges haben viele Unternehmen ohnehin schon Probleme, diese Kosten zu stemmen. Zudem müssen sie diese dann auch an die Kunden weitergeben, die ihrerseits mit hohen Energiepreisen, aber vor allem auch überproportional gestiegenen Lebensmittelpreisen zu kämpfen haben. Und bevor nun die Bude kalt und der Kühlschrank leer bleibt, wird eben dann an anderer Stelle gespart, nämlich bei Artikeln, die nicht unbedingt lebensnotwendig sind: Kultur, Deko, Klamotten, Süßigkeiten – was dann entsprechend Anbieter wie Weltbild, Depot, Esprit und Arko zu spüren bekommen.

Nun kann man natürlich hier die Schuld bei der Bundesregierung suchen, da diese ja am Ruder war, als die Preise so nach oben schossen, allerdings sind die Grundlagen dafür auch schon in den Jahren davor gelegt worden. Durch die Privatisierung der Energieversorgung hat Deutschland ohnehin schon stark gestiegene Energiepreise erlebt in diesem Jahrtausend, und die enormen Übergewinne der Energiekonzerne seit dem Krieg in der Ukraine fließen eben dann auch nicht zurück in die Gesellschaft, sondern beglücken die Aktieninhaber und Führungsriegen dieser Firmen. Mal davon abgesehen, dass die Energiewende unter den Merkel-Regierungen massiv ausgebremst wurde, sodass wir in Deutschland immer noch in großem Maße vom Import von fossilen Energieträgern abhängig sind.

Da die Inflation der letzten Jahre keine klassische war, die von steigenden Löhnen ausgelöst wurde, sondern eben auf dem externen Faktor der kriegsbedingten hohen Energiepreise basierte, kann man die Privatisierung des Energiemarktes schon als einen der Hauptgründe für die hohen Preise ansehen – und damit auch für die Schwierigkeiten, in denen nun nicht wenige Unternehmen stecken.

Internet

Man braucht ja nur mal durch deutsche Innenstädte zu gehen, dann sieht man massenweise Leerstand von Geschäften. Klar, von Luft und Liebe können die Einzelhändler nicht leben, und da immer mehr Menschen aus Bequemlichkeit oder weil es ein paar Euro billiger ist, ihre Einkäufe online machen, ist es auch kein Wunder, dass Firmen wie Weltbild, Depot, Arko (ja, auch Lebensmittel werden immer mehr im Netz gekauft) und Esprit, aber auch Reiseveranstalter wie FTI da Probleme bekommen.

Nun kann man natürlich feststellen, dass es sehr kurzsichtig ist, den lokalen Einzelhandel links liegen zu lassen und nur noch online zu bestellen, da man so nicht nur die Vor-Ort-Lebensqualität mindert, sondern sich eben auch der Möglichkeit beraubt, Beratung zu bekommen, zumal es ja auch Leute gibt, die sich erst in Geschäften beraten lassen und dann doch im Internet kaufen, weil der Artikel dort 3,50 Euro billiger ist. Aber das ist nun mal ein Phänomen, das zu unserem Zeitgeist passt, der Menschen eben vor allem auf ihren kurzfristigen eigenen Vorteil und nicht aufs große Ganze schauen lässt – insofern kann man das nicht so einfach ändern.

Daran sieht man aber, dass auch dies nun nicht die Alleinschuld der aktuellen Bundesregierung ist, sondern eben ein Vorgang, der schon seit mehr als zehn Jahren andauert. Was noch hinzukommt: Je mehr Menschen ihren manierlich bezahlten Arbeitsplatz im Einzelhandel verlieren und dafür dann für weniger Geld bei Amazon im Lager oder als Auslieferer knüppeln müssen, desto mehr sinkt auch die Kaufkraft – was dann wiederum der Einzelhandel zu spüren bekommt.

Corona

Die Corona-Pandemie hat nicht nur viele Betriebe, beispielsweise in der Gastronomie oder der Event-Branche, direkt hart getroffen aufgrund der Lockdown-Maßnahmen, sondern hat auch zu Hilfszahlungen an Unternehmen geführt, um die Folgen dieser Krise ein wenig abzufangen. Das Problem dabei: Auch Unternehmen, die sowieso schon in Schieflage waren, haben einiges an Geldern bekommen, konnten sich somit über Wasser halten und damit eine drohende Insolvenz hinauszögern.

Nun sind diese Hilfszahlungen aufgebraucht, die Situation dieser Firmen hat sich nicht sonderlich gebessert, auch aufgrund der nachfolgenden Krisen wie beispielsweise des Krieges in der Ukraine, und jetzt kommt dann das bittere Ende. So findet sich beispielsweise in einem Artikel im manager magazinzur Insolvenz des Reisekonzerns FTI diesbezüglich eine klare Aussage:

Die Bundesregierung hatte erklärt, nach den hohen staatlichen Hilfen während der Coronakrise nicht erneut einspringen zu wollen.

Es gibt Ökonomen, die schon vor ein paar Jahren genau auf dieses Phänomen hingewiesen haben, aber irgendwie wurde auf die nicht so richtig gehört, und jetzt sind auf einmal alle ganz überrascht. Und so hat man eben einfach so die Unternehmen mit Unterstützung bedacht, die sowieso schon immer an den Fleischtöpfen sitzen – und nicht mit Bedacht darauf geachtet, vor allem gesunden und zukunftsfähigen Betrieben zu helfen. „Weiter so“ war auch bei diesen Hilfsgeldern das Gebot der Stunde, wie ich schon 2020 in einem Artikel feststellte. Und da war die Ampel noch nicht an der Regierung.

Arbeitskräftemangel

Dass der Arbeitskräftemangel in einigen Branchen ebenfalls etwas (aber nicht nur) mit der Corona-Pandemie zu tun hat, hab ich ja vor einiger Zeit schon mal in einem Artikel zu dem Thema beschrieben. Und wenn nun Betriebe wie eine Traditionsbäckerei im fränkischen Zirndorf trotz großen Kundenzuspruchs vor dem Aus steht, da keine Mitarbeiter gefunden werden können (s. hier), dann sind das die direkten Folgen davon.

Dabei war Corona nur ein Beschleuniger für eine Entwicklung, die sowieso schon eingesetzt hat, nämlich das Nachwuchsproblem. Viele junge Menschen haben keine Ausbildung mehr, wollen Influencer werden, haben (vor allem auch pandemiebedingt) psychische Probleme oder schlichtweg eine sehr niedrige Frustrationstoleranz, die bei der Berufsausübung durchaus sehr problematisch sein kann.

Betonköpfigkeit

Gerade die Probleme in der Automobilbranche (und somit auch bei deren Zulieferern, wie beispielsweise Bosch – s. hier) sind ja nun mehr als hausgemacht. Da lobbyiert man seit Jahren dafür, das schöne Modell der Verbrennerfahrzeuge, mit dem man seit Jahrzehnten viel Geld macht, aufrechtzuerhalten, und dann wollen die Leute in anderen Ländern einfach lieber E-Autos kaufen (s. hier). Tja, das war dann wohl nicht weit genug gedacht …

Dabei wurde die neue und sehr strenge Abgasnorm in China, die letztes Jahr eingeführt wurde, schon 2016 angekündigt. Da hätte man ja durchaus ein bisschen Zeit gehabt, sich darauf vorzubereiten, oder? Hat man aber nicht, und mittlerweile hat China Deutschland den Rang bei E-Autos längst abgelaufen, produziert qualitativ manierliche Fahrzeuge und verkauft diese (nicht nur) im eigenen Land wie warme Semmeln. So was sind doch eindeutig Managementfehler, wenn man eine derartige Entwicklung nicht erkennt oder schlichtweg ignoriert, und diese Fehler wurden auch schon vor vielen Jahren gemacht. Gut, da war man bei VW vielleicht noch mehr damit beschäftigt, die Scherben nach dem Dieselskandal zusammenzukehren und sich irgendwie halbwegs aus der Affäre zu ziehen.

Und dann kommt noch hinzu, dass hierzulande auch eine Menge Aufwand betrieben wurde, um der Öffentlichkeit E-Fuels irgendwie schmackhaft machen zu können, die sich ja schon vor Jahren als kompletter Unfug für den Automobilverkehr erwiesen haben (s. hier). Das hat in jedem Fall auch nicht dazu beigetragen, sich zukunftsorientiert aufzustellen, sondern man hing halt betonköpfig an überalterten Geschäftsmodellen fest.

Exportorientiertheit

Deutschland hat sich jahrelang dafür feiern lassen, „Exportweltmeister“ gewesen zu sein. Dass das kein sehr rühmlicher Titel ist, darauf haben einige schlaue Ökonomen ja schon seit Längerem hingeweisen. Man könnte „Exportweltmeister“ nämlich auch mit „Binnennachfragedefizitweltmeister“ übersetzen. Und die Binnennachfrage wurde ja auch seit viele Jahren immer weiter geschwächt: durch hohe Energiepreise (s. o.), durch enorm steigende Mieten, durch einen immer größer werdenden Niedriglohnsektor und durch einen zunehmend demontierten Sozialstaat.

Dann hat man eben das Problem, dass man darauf angewiesen ist, was in anderen Ländern so passiert, da man ja vor allem dort seine Produkte absetzt. Wenn diese dann mal nicht mehr so wollen, wie es einem selbst genehm ist, Kriege ausbrechen oder auch Lieferketten unterbrochen werden, dann hat man recht wenig Einflussmöglichkeiten darauf. Und eben auch keine starke Binnennachfrage, die das dann kompensieren könnte. In einem Artikel von ntv zur aktuellen VW-Krise wird das ganz gut kompakt auf den Punkt gebracht:

… die globalisierten Produktions- und Lieferketten wurden erst durch ein Virus namens Protektionismus gestört, dann durch ein Virus namens Corona, später kamen noch Kriege und Konflikte hinzu; und der kluge Kostenmix ist heute auch verloren, da Lieferketten nicht mehr funktionieren und sich die Märkte abschotten.

Auch hier kann man wieder feststellen: alles nicht überraschend, alles nicht erst seit gestern so.

Neoliberalismus

Der neoliberale Kapitalismus ist so angelegt, dass immer weniger Marktanbieter immer größer werden und damit auch immer größere Marktmacht erhalten. Da in der neoliberalen Theorie so etwas wie Monopole oder Kartelle nicht existieren und jede Wettbewerbssituation absurderweise so gesehen wird, als hätten die Wettbewerber keine Vorgeschichte, sondern exakt die gleichen Voraussetzungen, ist das eine ganz natürliche Entwicklung, da etwas man, was nicht vorgesehen ist, auch nicht entgegenwirken kann (s. hier). Und genau das erleben wir nun gerade: Viele kleinere Betriebe (beispielsweise Lebensmittelhändler) sind bereits verschwunden, nun sind eben zunehmend die Unternehmen dran, die etwas größer sind – wie man an den aktuellen oben genannten Beispielen sieht.

Dazu kommt noch die absolute Profitorientiertheit. Klar, Unternehmen wollen immer Gewinn machen, das ist ja in der Regel der Zweck der Sache, nur hat das mittlerweile Ausmaße angenommen, die grotesk sind. So hat beispielsweise VW im letzten Jahr noch 4,5 Milliarden Euro Dividende an die Aktionäre ausgezahlt, wie auf der Facebook-Wall von der ARD-Sendung Monitor festgestellt wird.

Das hat fast schon neofeudalistische Züge, oder? Aber auch das ist im Neoliberalismus so vorgesehen und nicht verwunderlich, wenn man sich dessen elitäre Vordenker wie Hayek, von Mises und Co. mal anschaut.

Passend dazu haben es dann die führenden VW-Manager gerade noch mal richtig krachen lassen und ein paar Millionen Firmenkohle auf einer Luxusveranstaltung in Schweden verprasst (s. hier). Man gönnt sich ja sonst nichts. Klar, mit dem Betrag könnte das Defizit auch nicht ausgeglichen werden, aber die Signalwirkung ist doch schon nicht nur fatal, sondern auch bezeichnend für eine Kaste von Personen, die hoch bezahlte Jobs haben, aber keinerlei Verantwortung übernehmen – und im schlimmsten Fall dann eben mit einer fetten Abfindung zu einem anderen Unternehmen wechseln.

So kann man als Fazit feststellen, dass man kein Freund der aktuellen Bundesregierung sein muss, um die Schuld an der derzeitigen Welle von Pleiten und Insolvenzen eher anderswo zu suchen: Zum einen sind die Ursachen systemischer Natur, zum anderen sind das Entwicklungen, die schon seit Jahren bestehen und sogar noch forciert wurden, obwohl vor den negativen Folgen gewarnt wurde.

Das kommt eben dabei raus, wenn man Wirtschaftspolitik nur ideologisch denkt und nicht ergebnisoffen ökonomisch, inklusive der Infragestellung von Systemstrukturen, die sich als nicht mehr funktional erwiesen haben. Blöderweise ist Letzteres von so gut wie keiner Partei zu erwarten, von den Rechtsparteien CDU/CSU, FDP und AfD schon mal erst recht nicht. Und diese sind ja zurzeit die, die leider den Ton angeben hierzulande und auch wohl in den kommenden Jahren angeben werden.

Keine guten Aussichten – stellen wir uns also besser aus weitere Insolvenzen ein wirtschaftliche Schwierigkeiten von Unternehmen ein.

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