Als Schüler schrieben wir diesen Spruch in die Poesiealben unserer Klassenkameraden, ohne uns um den Herkunftsnachweis zu kümmern:

  • Hab Sonne im Herzen, ob's stürmt oder schneit,‌‌
    ob der Himmel voll Wolken, die Erde voll Streit.‌‌
    Hab Sonne im Herzen, es komme was mag,‌‌
    das leuchtet voll Licht dir den dunkelsten Tag. ‌‌
    Cäsar Flaischlen (1864-1920) deutscher Schriftsteller

Auf Missionsreise empfahl der Apostel Paulus den Philippern:

  • Was  wahrhaftig ist, was ehrbar, was gerecht, was rein,
    was liebenswert, was  einen guten Ruf hat,
    sei es eine Tugend, sei es ein Lob – darauf seid  bedacht!
    ‌‌Brief des Paulus, Philipper 4, 8 (NT)

Der Begriff Positives Denken (im Gegensatz zu defizitorientierten Denken) wurde von amerikanischen Transzendentalisten in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts geprägt. Wortführer waren Ralph Waldo Emerson, Prentice Mulford, Phineas Parkhurst Quimby und Ralph Waldo Trine.
1954 führte der amerikanische Psychologe Abraham Maslow den Begriff Positive Psychologie (im Gegensatz zur defizitorientierten Psychologie) ein, der in 1990er Jahren von dem Psychologen Martin Seligman weiter ausgebaut wurde.

Kurze Laufzeit des Clubs der positiven Menschen
Mit 18 Jahren, kaum volljährig, fand ich den Weg in die bayerische Landeshauptstadt. Die erste und einzige Vereinsgründung (ohne Registereintrag), bei der ich anwesend war, hob den
Club der positiven Menschen aus der Taufe. Wenn ich mich recht entsinne, war ich es, die das Logo des Clubs malte. Beim  zweiten oder dritten monatlichen Treffen hielt ich vor einer überschaubaren Gruppe meinen ersten Vortrag über das Zwillingspaar "Freiheit und Verantwortung". Ein viertes  Treffen dieses Clubs kam womöglich nicht mehr zustande.

A set of yellow smiley stickers
Foto von Nick Fewings / Unsplash

Positives Denken ist eine Frage der richtungsweisenden Perspektive, die man einnimmt.

  • Als Goliath den Israeliten entgegentrat, dachten alle Soldaten:
    Er ist so groß, den können wir niemals überwältigen.
  • Als David mit der Schlinge sich den Riesen genau ansah und dachte er sich:
    Der ist so groß, den kann ich gar nicht verfehlen.

Optimusmusforschung
Der  deutsche Erziehungswissenschaftler, Kriminologe,  Sozialisationstheoretiker, Aggressionsforscher, Hochschule für  Angewandte Wissenschaften, Hamburg, Managementtrainer, Redner und Autor Prof. Dr. Jens Weidner (*1958) machte deutlich, dass das menschliche Gehirn das Positive Denken begeistert aufnimmt und realistische Erwägungen oder Statistiken gern in den Wind schlägt. Allerweltsmenschen haben ein irrational positiv eingestelltes Gehirn.
In seinem Buch Optimismus. Warum manche weiter kommen als andere, Campus Verlag, 2017 führte Weidner aus:

  • Eine Umfrage der Universität Hohenheim ergab:
    Nur 28 Prozent der Deutschen sehen die Zukunft ihres Landes optimistisch.
    Aber 63 Prozent sind guten Mutes, was ihr eigenes Los betrifft – als lebten sie woanders.  
  • Der  Unterschied ist nur scheinbar widersinnig. Zum einen ist das  menschliche Gehirn ein unermüdlicher Problemlöser, es kann gar nicht  anders. Wer sich eine widrige Situation vorstellt, hat sofort vor Augen,  wie er dagegen angeht: Die Jugend verlottert? Wir erziehen unsere  Kinder besser. Der Hautkrebs nimmt zu? Wir cremen uns ein.
  • In der Geschäftswelt steigt der Optimismus erst mit der  Beeinflussbarkeit der beruflichen Entwicklung, egal auf welcher  Hierarchieebene. Je größer der Einfluss ist, desto optimistischer wird  man. Kein Wunder also, dass Führungskräfte und Mitarbeiter, die  mitbestimmen können, die Dinge in der Regel positiver sehen als reine Befehlsempfänger. Im Privaten ist es aber anders, denn da haben alle einen direkten Einfluss auf ihr Leben, egal ob sie eine Wohnung einrichten, den Urlaub planen oder sich einen Teich im Garten anlegen. Hier sind sie die Macher und Bestimmer und deswegen empfinden sie, dass es ihnen ganz gut geht und anderen im Vergleich schlechter. Das gibt  auch ihnen die Illusion der Überlegenheit und unterstreicht, dass viele  Pessimisten bei der Beurteilung ihrer Kollegen kritisch sind und keine rosarote Brille tragen, mit sich selbst aber eher milde umgehen.
  • Werfen wir einmal einen Blick auf die Eheschließung. Sicher ist sie eine der folgenreichsten und verbindlichsten Entscheidungen im Leben von Paaren, die mit großem Mut angegangen werden muss, denn die Wahrscheinlichkeit einer Scheidung liegt heute bei zirka 40 Prozent. Das heißt, viele Paare werden sich trennen und dann um das Sorgerecht, den gemeinsamen Besitz und das Vermögen streiten. Das ist bekannt und unerfreulich. Fragt man aber Frischverheiratete, wie es bei ihnen aussehen wird, antworten die meistens, die Wahrscheinlichkeit für eine Scheidung läge bei ihnen bei 0 Prozent.
    Die Scheidungswahrscheinlichkeit von Optimisten entspricht übrigens im Durchschnitt ebenfalls der 40-Prozent-Marke. Doch die Wahrscheinlichkeit, sich erneut zu verheiraten, liegt in ihrem Selbstverständnis deutlich höher – wegen des Above-Average-Effekts. Sie halten sich selbst für attraktiver als andere und meinen deshalb bessere Karten zu haben, ein weiteres Mal erwählt zu werden. Die Neurowissenschaftlerin Tali Sharot nennt daher die Eheschließung mit einem Augenzwinkern den Triumph der Hoffnung über die Erfahrung.
  • Sollten wir uns ganz nüchtern die 40-prozentige Scheidungsquote vor Augen halten und gar nicht erst heiraten?
    Sollten wir dann auch keine Unternehmen gründen, nur weil die meisten Neugründungen die ersten drei Jahre nicht überleben?
    Auf gar keinen Fall! Wir sollten nicht den Mut verlieren, und das ist dank einer optimistischen Einstellung kein großes Problem, denn sie schützt unser Gehirn wie eine Art Regenmantel. Sie behütet das irrational positive Denken, das sogenannte Irrational Positive Brain.
    Buchauszug, 26. März 2018

Optimismus-Paradoxon
Das weltweit existierende Optimismus-Paradoxon wurde unter anderem von Angus Deaton bestätigt.

  • Das Optimismus-Paradoxon – die Kluft zwischen persönlicher Hoffnung und öffentlicher Verzweiflung – ist eine verblüffende, verhaltensökonomisch erklärbare Eigenart. Einerseits ist unser Glaube, dass unsere Zukunft in unserem persönlichen Leben besser sein wird als unsere Vergangenheit, bekannt als Optimismus-Verlagerung. Nach den jüngsten Untersuchungen des Nobelpreisträgers Angus Deaton, die sich auf Daten beruft, die im Zeitraum von 2006 bis 2016 von 1,7 Millionen Menschen in 166 Ländern erhoben wurden, sind die Menschen unerschütterlich hoffnungsvoll, bis zu dem Punkt, dass sie konsequent, aber irrational glauben, es ginge ihnen in fünf Jahren besser.
    Mittlerweile glauben etwa 62% der Befragten, dass sich der Zustand der Welt verschlechtere. Dieses Ergebnis ist die Folge von falschen Vorstellungen darüber, wie sich die Welt verändert hat.
    Newsletter What is an Optimism Bias, why is it important? [Was ist das Optimismus-Vorurteil? Weshalb ist es wichtig?], präsentiert von der Publikation South Africa. The Good News, 6. November 2018

Seligman bestätigte, depressive Menschen sind bodenständiger und realistischer als Optimisten.

  • [Übersetzung] Die abwegigste Erkenntnis der Positiven Psychologie der letzten zwanzig bis dreißig Jahre ist, dass pessimistische oder depressive Menschen, dazu neigen, die Realität besser zu erfassen, besonders wenn die Realität brutal ist und man keine Kontrolle darüber hat, als optimistisch eingestellte Menschen.
    Videointerview mit Dr. Martin Seligman (*1942) US-amerikanischer Professor für Psychologie, Universität von Pennsylvania, Pittsburgh, Glücksforscher, öffentlicher Redner, Autor von Selbsthilfebüchern, Counter-Intuitive Findings [Verblüffende Forschungsergebnisse], 1:04 Minuten Dauer, eingestellt 4. Oktober 2009

Positives Denken neu überdacht
Die deutschstämmige Professorin für Psychologie an der New York University und der Universität Hamburg Dr. Gabriele Oettingen plädiert in ihrem E-Buch Die Psychologie des Gelingens (2015) dafür, das Positive Denken zu überdenken.

  • Einige Kritiker des Positiven Denkens haben den Menschen geraten, alles fröhliche Geschwätz zu verwerfen und das Tagträumen einzustellen und sich den Herausforderungen oder Hindernissen zu stellen. Das wiederum ist eine zu krasse Maßnahme. Studien haben nachgewiesen, dass diese "realistische" Strategie nicht besser funktioniert als weiterhin positiven Phantasien nachzuhängen.
    Besser funktioniert eine gemischte Vorgehensweise, die positives Denken mit "Realismus" verbindet. […]
    Positives Denken ist angenehm, was nicht bedeutet, dass es gut für uns ist. Wie so vieles im Leben, erfordert die Verwirklichung von Zielen eine ausgewogene und moderate Vorgehensweise. Es nützt uns weder, im Reich der Schatten zu verweilen noch erzwungenermaßen, vor Freude herumzuhüpfen.
    Kolumne von Dr. Gabriele Oettingen (*1953), The Problem With Positive Thinking [Das Problem mit dem positiven Denken], präsentiert von der Sunday Review, sonntäglicher Meinungsteil der The New York Times, Gray Matter, 24. Oktober 2014

  • Es kommt der Tag, der alles lösen wird.
    Friedrich von Schiller (1759-1805) deutscher Philosoph, Historiker, Dichter, Schriftsteller, Drama Die Braut von Messina, Figur Don Manuel im 2. Aufzug, 1. Szene, uraufgeführt in Weimar 1803

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