Eine Frage, welche man sich wohl immer wieder stellen kann und eine einfache Antwort dürfte es genau darauf nicht geben. Was beschäftigt diese Menschen und sollte man sich darauf überhaupt einlassen?

Querdenker, was treibt diese Menschen nur an?

Es war der 1. Mai 2022 und die Sonne strahlte vom fast wolkenlosen Himmel herab und besonders dieser blaue Himmel machte es zu einem schon fast sommerlichen Tag, doch die Menschen, welche sich auf der Mainwiese sammelten, waren nicht zum Vergnügen hier.

Für die meisten Menschen war es der Kampf gegen die Obrigkeit und gegen die verlogenen Medien. Mittlerweile sprach ich mit einigen Versammlungsteilnehmern von “Würzburg steht auf”. Es ist schwer, die Motivation dieser Leute zu ergründen. Manche wollten gar nicht reden und andere wiederum wollten mit dem Monolog gar nicht aufhören. Was man jedoch schnell merkt, was für eine Klientel sich dort versammelte: Die Enttäuschten, so müsste man sie wohl nennen und diese waren deutlich in der Überzahl. Man zeigte sich von der Regierung, den Medien, der Wissenschaft und vielmehr frustriert.  

Unterschiedliche Ansichten

So verschieden die Menschen nun einmal sind, genauso unterschiedlich waren die spezifischen Beweggründe. Ein Mann um die 60, welcher sich mir als gelernter Krankenpfleger vorstellte, machte sich um einiges einen Kopf und Sorgen plagten Walter Meier* förmlich.
Aus der Pflege war er schon einige Jahre raus und investiert mittlerweile in einige Immobilien. Er erzählte von seinen Reisen um die Welt und wie ihm das dort erlebte prägte. Er beschrieb, wie er China und einige Diktaturen besuchte und was genau diese Besuche auslösten. Aufrichtig besorgt zeigte er sich über den wachsenden Einfluss der Chinesen. Einige seiner Aussagen und Denkweisen waren erstaunlich offen und liberal. Wenn nicht die Verschwörungserzählungen gewesen wären, hätte man Walter einfach für einen liberalen Bürger halten können, welcher beunruhigt ist. Ein besorgter Bürger, nur ohne rechte Tendenzen, aber dafür voll mit Verschwörungserzählungen.

Eine Beschreibung, welche wohl für die meisten Menschen dort gelten dürfte. Hinter dieser bürgerlichen und freundlichen Fassade befindet sich jedoch noch mehr. Die dort versammelten eint nicht sehr viel, aber Angst und Sorge treiben dort alle um. Sie haben Angst vor der Antifa, dem Impfstoff und einer Weltverschwörung. Walter ging sogar so weit, dass die Chinesen die Welt übernehmen wollen und daher das Virus entwickelt hätten, dass die Weltelite die Wirtschaft zerstören will, damit man das Bargeld abschaffen kann, und die Ausbreitung von HIV mittels Corona-Impfstoff. Nach seiner Meinung hat jeder nach der vierten Dosis Aids.

Alles Dinge, welche kaum jemand mit normalem Verstand glauben würde oder?

“Die Medien machen wir nun selbst.”

Es ist schwierig zu sagen, ab welchen Punkt solche Menschen abgedriftet sind. Was sich bei fast allen Demonstranten zeigte, war die Abneigung gegen die etablierten Medien und besonders der Öffentlich Rechtliche Rundfunk kam bei den Befragten nicht gut an. Selbst gegen die regionale Tageszeitung richteten sich einige Teilnehmer direkt. “Die Medien seien im Grund doch nur Komplizen der Reichen und Mächtigen”, meinte Walter. Einen sehr wichtigen Satz sagte er eigentlich nur beiläufig: “Die Medien machen wir nun selbst”. In diesem Satz steckt das große Problem der Bewegungen rund um die “Querdenker”, denn diese Menschen sind für die seriöse Presse kaum noch erreichbar. Viele hören sich zwar noch das Radioprogramm an oder schauen die Tagesschau, doch viel wichtiger sind RT deutsch, Ken Jebsen, Boris Reitschuster oder die bekannten Akteure auf Telegram. Medien macht man halt selbst.
Und gerade während der Anfangszeit der Querdenken-Bewegung kamen immer mehr Streamer und Pseudo-Journalisten dazu, wie etwa Elijah Tee oder die Freiheitsboten-Initiative von Bodo Schiffmann. Gerade die Freiheitsboten spielen hier eine besondere Rolle, denn auf der einen Art wollen sich die Gruppen, welche eine zumindest lose Verbindung untereinander pflegen, als eine Form von Bürger-Journalisten verstanden wissen oder vielleicht doch eher als “Boten der Wahrheit” und auf der anderen Seite sind diese selbst Aktivisten. Gerade in Würzburg konnte man dies gut beobachten. Die Demonstration wurde durch die Kanäle der “Freiheitsboten Würzburg” beworben und vor Ort im Grunde organisiert.


Gerade unerfahrene Mediennutzende treffen hier auf eine Mischung aus Manipulation und Dummheit. Kaum einer der Querdenken-Medien-Machenden hat Ahnung von Recherche oder geschweige denn von Wissenschaft und der Auswertung von Studien. Nur einige wenige der Beteiligten haben theoretisch eine Vorstellung von dem, was diese dort machen und liefern damit Argumente für die Vielen. Einige von diesen Aussagen klingen für Laien erst einmal glaubhaft, denn diese kommen durchaus auch von Doktoren und Professoren, wie von der Würzburgerin Ulrike Kämmerer. An der Würzburger Universität ist diese als wissenschaftliche Mitarbeiterin tätig und ihre Spezialgebiete sind Humanbiologie, Immunologie und Zellbiologie, dies klingt erst einmal nach einer ausreichenden Expertise. Zusätzlich trägt Kämmerer zwei Titel, was für viele Menschen die Glaubwürdigkeit einer Person steigert, doch Frau Apl. Prof. Dr. rer. hum. biol. Ulrike Kämmerer fiel dabei schon früher mit falschen Aussagen auf. Vor dem begeisterten Publikum in Würzburg hielt die Frau eine Rede. Zusammen mit anderen Autoren schrieb die Doktorin ein Werk über ketogene Ernährung bei Krebs und behauptete dort eine Wirkung, so empfahl sie krebskranken Menschen diese Diät als mögliche Heilung. Es sind Aussagen, welche bis heute nicht nachweisbar zu untermauern sind. Recht früh begann diese in der Pandemie mit Aussagen zum PCR-Test aufzufallen. Die Aussagen einer Person mit akademischem Hintergrund werden dabei natürlich erst einmal als legitim verstanden, dies wird auch als Authority Bias bezeichnet und bedeutet, dass viele Menschen die Aussagen von Autoritäten besonders stark gewichten. Ärzte, Wissenschaftler und CO. werden eben als Sachkundige wahrgenommen. Zusätzlich vermischen sich noch einige weitere Auswirkungen bei solchen Aussagen. Der Bestätigungseffekt tritt ebenso auf und wie auch der Ingroup Bias (Gruppeneffekt). All diese Mechanismen machen die Aussagen für Querdenker oder Verschwöhrungsgläubige deutlich glaubhafter, selbst wenn ein weitaus größer Teil der Wissenschaft einen anderen Standpunkt vertritt.

Die intellektuellen Querdenker-Vertreter*innen werden so zu Stichwortgeber der Gruppierung. Mit einer seriösen und evident-basierten Wissenschaft hat dies jedoch nichts zu tun. Eben durch die Bestätigung einiger Wissenschaftler sehen sich die Anhänger der “Querdenker” auf der vermeintlich richtigen Seite und nehmen gegenteilige Äußerungen längst nicht mehr wahr. Schuld daran ist eben auch die menschliche Psyche. Je mehr man in einer Sache investiert hat, auch wenn es nur Zeit sein mag, umso eher bleibt man in diesen Vorstellungen verharren. Zusätzlich macht es eine menschliche Schwäche nicht einfacher, denn der Bestätigungsfehler bringt uns dazu eher Aussagen zuzustimmen, wenn wir diesen eh schon glauben. So verharren eben viele dieser Menschen in diesen Vorstellungen und dies egal wie sehr es einen von der Gesellschaft isoliert. Oft nehmen Menschen, wie Walter, dies als eine Spaltung der Gesellschaft war, doch im Grunde spalten diese Menschen sich selbständig von der Mehrheitsgesellschaft ab und dies wirkt wie ein zusätzlicher Katalysator, so rücken die Anhänger eben noch mehr zusammen. Am Ende radikalisieren sich die Menschen weiter und einige Individuen scheuen so auch nicht mehr vor gewaltsamen Taten. Es ist im Grunde nur eine Frage der Zeit, bis sich die Wut und Verzweiflung der “Querdenker” nach außen bahnt. Immerhin sehen sie sich selbst als Opfer einer ungerechten und böswilligen Diktatur. Für diese Menschen ist es eben schlüssig gegen die Gesellschaft vorzugehen, denn man fühlt sich im Recht. Ist man in diesem Gedankenkonstrukt gefangen, verleitet dies auch zu unsagbaren Vergleichen mit wahrhaftigen Freiheitskämpfern. Für Außenstehende mögen diese Vergleiche nur eine widerliche Provokation sein, doch für diese Menschen sind solche Aussagen oft einfach nur schlüssig. Eines der bekanntesten Beispiele dürfte dabei Jana aus Kassel sein, welche bei ihrem Vergleich die Motivation mitlieferte. Jana sah sich selbst als Widerstandskämpferin, welche bereits seit Monaten gegen das, aus ihrer Sicht, ungerechte System vorging. Der Vergleich mit Sophie Scholl ist für uns nicht vorstellbar und wurde aus diesen Gründen auch geächtet. Selbst für einen Ordner war diese Aussage zu viel. Viele dieser selbsternannten Widerstandskämpfer*innen konnten die Aufregung nicht verstehen. Immer wieder finden sich auf den Demonotationen daher auch die Abbildungen einern weißen Rose. Für mich und für die meisten meiner Lesenden ist dies einfach ekelhaft und geschichtsrevisionistisch - Eine Verharmlosung des dritten Reiches / der Nazis. In Würzburg fand sich auch ein entsprechendes auf Pappe gemalte Rose, nur war ich nicht schnell genug mit der Kamera und konnte es nicht festhalten. Auch wenn einigen Individuen eine Böswilligkeit zu unterstellen sein mag, so gilt eben wohl auch hier Hanlons Rasiermesser:
“Schreibe nicht der Böswilligkeit zu, was durch Dummheit hinreichend erklärbar ist”²

In der Wissenschaft hinterfragt man daher alles und ständig, so ist eben die Evidenz der einzige Schlüssel. Wissenschaftler*innen wollen Beweise sammeln, denn nur so kann es gelingen den Kenntnisstand zu erweitern.

Die Existenz von Corona wird immer noch abgestritten

Immer noch streiten viele der Coronaskeptiker, Querdenker und selbsternannte Freiheitsboten die Existenz des Virus ab, auch in Würzburg ist dies mehrfach geschehen. Walter war sich nicht ganz sicher, ob es sich hier einfach nur um die Grippe handeln könnte, denn diese sei seit Corona ja verschwunden oder würde umgedeutet werden, oder ob es sich um ein harmloses Virus handeln würde, welches von China bewusst ausgesetzt wurde. Am Ende ginge es jedoch immer um eine Kontrolle der Gesellschaft. Alles, und hier war sich Walter sicher, müsse mit dem Geld zusammenhängen. Laut seiner Aussage hätten China und die USA sich sonst immer gegenseitig Geld geliehen oder Kredite gegeben, doch “seit dem die USA es nicht mehr wollten”… Man merkt schon, dass der Mann sich um wirklich vieles Gedanken gemacht hatte, doch schlüssig erklären konnte er jedoch nichts. Einige seine Aussagen begannen sich zudem zu widersprechen.

Oft kam es einem so vor, als wenn die Menschen eine gewisse Form von Kälte in der Gesellschaft spüren würden und sich versuchten dies zu erklären. Nur verkennen diese Menschen dabei den eigen Anteil.
Bei der Suche nach der vermeintlichen Wahrheit rutschten viele der Aktivisten und Demonstranten sehr weit an der Wirklichkeit vorbei. Sie selber glauben, dabei von Verschwörungen förmlich umzingelt zu sein. Im Grunde sind sie es jedoch selbst, welche einen Verschwörungsmythos nach dem anderen in der Welt verbreiten. Sie glauben im Grunde an das Böse und sehen in vielen Dingen einfach eine boshafte Handlung beziehungsweise Absicht. Auf Widersprüche angesprochen reagierten einige verdutzt, andere gingen einfach und Walter erzählte einfach weiter. Von der Manipulation der Medien bis zur ausgemachten Weltverschwörung war in Würzburg alles dabei. Den Sinn einer solchen weltweiten Verschwörung konnte ich jedoch nie finden. Sobald ich nach folgendem fragte, wurde es immer still: Wie es möglich sei, dass über so viele unterschiedliche Regierungssysteme hinweg, gleiche Maßnahmen getroffen wurden, wenn man sich sonst auf wirklich nichts einigen kann?

Der Tag an sich war für mich ein ambivalentes Vergnügen. So wurde ich hier in Würzburg zwar stets freundlich begrüßt und dennoch konnte ich die Verachtung in vielen Menschen spüren. Wäre ich von der Main Post gewesen oder von den Öffentlichen Rechtlichen, dann hätte man mit mir wohl kaum gesprochen. Nur als unbeschriebenes Blatt, für die Leute dort am Main, war es mir ein leichtes an Antworten zu kommen. Doch ob Walter und seine Freunde mir weiterhin Antwort geben würden?

Bei all den Äußerungen von Walter, bei all den falschen Aussagen, blieb er doch Mensch und sympathisch. Meine Begleitung verwundete es förmlich, wie sehr man doch Sympathie für jemanden empfinden kann, welcher so voll von Zweifeln und Verschwörungsmythen ist. Walter wirkte an vielen Stellen einfach nur wie ein weltoffener Mensch, der einfach irgendwo falsch abgebogen war. Bei seinen Reisen um die Welt und so viel war durch seine Erzählungen klar, ging er offen auf die Menschen zu und wollte erleben, wie diese dort den Alltag bestreiten. Er konnte über seine Aufenthalte, etwa in China, wirklich viel Interessantes berichten und danach brachen sich die Verschwörungsmythen immer wieder freie Bahn. Wenn man Walter irgendwo anders erleben würde, vielleicht in einem Café oder bei seinen Reisen, so würde man wohl gar nicht darauf kommen, wie sehr doch in ihm die Angst herrscht. Ich halte Walter nicht für böse, aber für naiv und kaum Medien-affin.

Zwangsläufig kommt irgendwann die Frage auf, was macht man nur mit diesen Menschen?

Sie vertrauen nur sich selbst. Der Staat ist für sie zu einer Art Feind geworden. Selbst der sonst eher mäßige Walter forderte irgendwann rechtliche Konsequenzen für die Regierung. Lauterbach gehöre ohnehin in den Knast und dürfe nie mehr herausgelassen werden. Gerade der Gesundheitsminister war unter den Demonstranten verhasst und auch das gebrochene Versprechen, dass eine Impfpflicht nie kommen würde, nahm man der Politik übel. Walter selbst vertraute eher wenig auf die Parteien und selbst die anwesende Schwurbel-Partei “die Basis” kam bei ihm nicht gut weg. Früher wäre er ein Anhänger der Grünen gewesen, doch die Agenda 2010, welche durch die damalige rot-grüne Regierung getragen wurde, habe ihm deutlich enttäuscht.

Walter gehört zu einer Generation, welche kurz vor der Rente steht und das Internet zwar nutzten kann, aber sich meist eher wenig mit der technischen Seite auskennt. Sie können sich vernetzten und austauschen, aber das kritische recherchieren haben diese Menschen nie gelernt. “Das steht im Internet” hört man daher recht oft, aber die Nachfrage “Wo genau?” ist größtenteils schon zu viel. Vielen dieser Menschen scheint es nicht bekannt zu sein, dass jeder Depp sich eine eigene Webseite bauen kann und dort eben alles behaupten kann. Meine Mutter ist in einem ähnlichen Alter und immer wieder versuchte ich auch ihr dies zu erklären. Für einige scheint das Internet, wie das Fernsehen oder das Radio einfach eine Blackbox zu sein. Sie erkennen nicht, wie das Medium funktioniert und wie einfach man dort Inhalte erstellen kann. Heute kann eben jeder seine Meinung ins Netz blasen, was auch ein positiver Beitrag sein kann, aber man muss eben kritisch an solche Dinge gehen können.

Wie solche Menschen jedoch wieder für die seriösen Medien begeistert werden sollen, ja dies ist eine wirklich komplizierte Frage. Ob es jemals gelingen kann, bleibt im Grunde offen. Erst wenn die Pandemie zu Ende ist, kann man dieser Frage wohl nachgehen. Einige Akteure werden wohl ins “normale Leben” zurückfinden, doch die meisten Menschen, welche noch jetzt in der Gruppierung verharren, werden in unserem System ein Feind sehen. Bei dem nächsten “großen Ding” werden sie womögliche wieder dabei sein. Ob sich die Strukturen selbst halten, bleibt dabei fraglich. Die “Querdenker” haben sich so schon teilweise selber zerfleischt und auch die Prominenten der Szene haben mit verschwindendem Vertrauen zu kämpfen.

Nazi will niemand sein

Wer mit mir sprach, wollte sich nicht als Rechten oder Antisemiten verstanden wissen, doch man habe auch nichts dagegen, wenn solche Leute mitdemonstrieren würden. Im Grunde ist derjenige Freund, welcher Feind des Systems ist. Der Feind des Feindes sozusagen. Eine homogene Bewegung fand sich vor Ort nicht und einige Menschen kamen deutlich aus esoterischen, religiösen oder rechten Strömungen. Verschiedene Erzählungen vom bösen Staat machten die Runde, aber wirklich einig war man sich eben nur im Feindbild der “Reichen und Mächtigen”.

“Frieden, Freiheit und Demokratie”?

Angst und Sorgen sind für diese Bewegungen weiterhin der eigentliche Motor, was bei so vielen Gesprächen spürbar war. Eltern machten sich um ihre Kinder Sorgen, denn die Angst vor Impfstoff trieb sie an. Mal hieß es, dass das Vakzin die Kinder töten würde oder diese unfruchtbar mache, auch von einer Kontrolle per Chip sprachen einige Anwesende. Menschen mit so vielen unterschiedlichen Meinungen, Ansichten und Vorstellungen und wieder merkt man die Uneinigkeit der Bewegungen selbst.
Auch bei den klassischen “Querdenkern” gibt es eben keine ultimative Wahrheit, aber eben der Grundgedanke “Irgendetwas stimmt nicht und man verarscht uns” sei bei allen vorhanden - so sagte es eine Teilnehmerin selbst. “Frieden, Freiheit und Demokratie” skandierten die Teilnehmenden der Demo mehrfach. Für viele dieser Menschen herrscht in der Bundesrepublik eben keine Demokratie. Die individuelle Freiheit war für viele der Aufzugsteilnehmenden ein grundlegendes Thema, so wollte man ein “Ende aller Maßnahmen”. Der Staat solle sich aus dem Leben der Menschen möglichst raushalten, eine Auffassung, welche viele Demonstrant*innen vertraten. Der Schutz von vulnerablen Gruppen sei dabei nicht die Aufgabe der Allgemeinheit und man könne sich eben nicht vor allen Dingen schützen, dies war dabei längst keine Einzellmeinung.

Frieden, Freiheit und Demokratie fordert man dabei für sich ein, doch Zugeständnisse wollte und will man nicht geben. Es ist schon seltsam, wenn man sich doch das Motto der Veranstaltung anschaut: “Finger weg vom Grundgesetz - Ende alle Corona-Maßnahmen”.

Im Grunde widerspricht sich das Motto bereits nach dem Wort Grundgesetz, denn das Bundesverfassungsgericht hatte schon vor einiger Zeit festgestellt, dass der Staat eine Schutzpflicht gegenüber vulnerablen Gruppen hat. Diese Menschen haben eben auch einen Anspruch auf die Würde des Menschen und dazu gehört eben auch das Leben an sich, doch dieser Umstand wird auf solchen Demos verdrängt oder negiert. Auf der einen Seite beruft man sich auf die verfassungsgemäße Ordnung, doch im Grunde will man auch hier nur die guten Kirschen herauspicken und so für sich Vorteile ableiten. Es wird also nur das akzeptiert, was einem selbst passt.

Begrüßung durch Rechtsanwalt Dierkes

Bevor der Aufzug begann, sammelten sich etwa 1.500 Menschen, so schätzte es die Polizei im Nachhinein ein und auch ich kam zu dieser Einschätzung. Der bekannte Würzburger Anwalt Georg Dierkes leitete die Versammlung ein. Dierkes³ fiel schon im Vorfeld bei anderen Demonstrationen mit seinen Aussagen auf und lässt sich leicht der losen “Aufstehen-Bewegung” zuordnen. Der Rechtsanwalt trat bereits in der Vergangenheit mehrfach als Corona-Leugner in Erscheinung. Während einer Demo im April 2021 bezeichnete er den PCR-Test als "Scharlatanerie in Reinform" und Covid sei "letztlich eine Lüge"³ᵃ. Teilweise schien der Anwalt in der Vergangenheit an Viren und deren Potenzial allgemein zu zweifeln. Statt der Vorsichtsmaßnahmen empfahl er lieber die Lektüre einer Bibel. Die damaligen Vorsichtsmaßnahmen seien „eine Verführung zum Bösen" gewesen³ᵃ.

Im Grußwort von Georg Dierkes zur Demo in Würzburg , welche im Vorfeld veröffentlicht wurde, hieß es unter anderem:
Wir sagen ‚Nein‘ zu den menschenverachtenden Praktiken des ‚Social Distancing‘, zu Masken-, Test- und Impfzwang.“³ᵇ

Aufzug durch Würzburg

Nach dem Redebeitrag sammelten sich die Teilnehmenden zum Aufzug durch die Stadt. Während des Marsches durch Würzburg wurde der Aufzug mehrfach durch Blockaden von Gegendemonstranten aufgehalten, was zu einer massiven Verkehrsbehinderung in der Stadt geführt hatte. Durch diese Verzögerungen verschob sich der Zeitplan für die stationäre Kundgebung deutlich. Gäste wie Wolfgang Greulich oder Bodo Schiffmann sah man anschließend auf einer großen Videowand. Für die musikalische Untermalung hatte man sich den Rapper SchwrzVice eingeladen, welcher bereits auf vielen verschiedenen Anti-Corona-Demonstrationen aufgetreten war und Szenekennern als zumindest deutlich rechtsgerichtet gilt.
Aus den Kreisen der “Würzburger Freiheitsboten” war zu erfahren, dass der Rapper nicht rechts sein kann, weil dieser ja selbst “schwarz” sei. Es ist natürlich eines der berühmten Scheinargumente, auch eine farbige Person (POC) kann sehr wohl rechtsgerichtet und nationalistisch veranlagt sein. Die Texte des Musikers spielen jedenfalls in eine sehr eindeutige Richtung und kritisieren Medien gerne auch einmal pauschal. In der Telegram Gruppe “Freiheitsboten Würzburg” ärgerte man sich aber im Nachhinein über den Text der Main Post, mit welcher man längst davor auf Kriegsfuß stand. Dem zuständigen Redakteur warf man vor, Hetze zu betreiben, da dieser einen Satz aus einem der Lieder in seinen journalistischen Text verwendete, doch nicht darauf hinwies, dass der Musik schwarz sei. Der Vorwurf Fake News stand damit im Raum, doch die Position der Zeitung und der journalistische Standard lassen sich eben nicht mit den Vorstellungen jener Aktivisten vereinen. Zu tief sind die Gräben zwischen den Freiheitsboten und den etablierten Medien. Die Main Post lässt sich dennoch nicht von der Arbeit abhalten und versucht weiterhin zu berichten, was nicht immer ganz einfach sein dürfte. Die Redakteure müssen jedenfalls über ein dickes Fell verfügen, denn die Artikel stoßen bei Telegram auf reges Interesse. Selbstverständlich teilt man dazu eben gerne auch mal den Artikel des “Schmieren-Journalisten”, weil man der Zeitung kein Geld geben will. Solche und andere Äußerungen finden und fanden sich regelmäßig.

Der Bericht des Bayrischen Rundfunks (BR) stieß jedenfalls auf ein positives Echo. Nur waren die Kollegen des BR eher verkürzend unterwegs. So verwundert es auch nicht, dass der Verwalter der Würzburger Freiheitsboten-Telegram-Gruppe Werner A. den Chefredakteur der Main Post, Michael Reinhard, per Mail aufforderte, die beiden Beiträge zu vergleichen. Der BR zeigte nur einige eher gemäßigte Banner und hielt sich im Beitrag selbst eher kurz. Es war im Grunde genommen nur eine kurze Beschreibung und Hintergründe über die Demonstration wurden dabei eher offen gelassen. Beide Formen der Erzeugnisse lassen sich daher auch eher schlecht vergleichen. Wenn ein Medienbericht gefällt, auch wenn es vom eigentlichen Feinde kommen mag, dann teilt man dies natürlich gerne. Man nutzt es dann gerne als “seriösen Beleg”. Es ist schon eine gravierende Diskrepanz…

#euerOBI

*Name durch Redaktion geändert

² Die Urheberschaft von Hanlon’s Razor ist nicht völlig geklärt. Einige gehen davon aus, dass Hanlon ein realer Mensch war und dieser daher als Autor genannt werden kann. Andere wiederum sehen Robert Heinlein als Ursprung, diese hatte 1941 in sein Werk Auktion auf der Venus folgendes geschrieben: “Sie haben Gegebenheiten auf Schurkerei zurückgeführt, die lediglich auf Dummheit beruhen”

³
“Biblische Todesdrohung gegen Verantwortliche?”

Grußwort in der Beschreibung

Ochsenfurt: "Bürger stehen auf" demonstrieren gegen Corona-Maßnahmen (€)

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