Das Schicksal von Murat Kurnaz ging ja Anfang bis Mitte der 2000er-Jahren mehrmals und unter verschiedenen Aspekten durch die Presse: Erst wurde er als „Taliban aus Bremen“ bezeichnet, hinterher wurde dann über seine jahrelange Inhaftierung im US-Foltergefängnis von Guantanamo berichtet. Nun gibt es eine ausgesprochen gelungene Verfilmung des Stoffs – die vor allem aufgrund der gewählten Perspektive sehr interessant ist.
Die Hauptfigur in dem deutsch-französischen Film „Rabiye Kurnaz gegen George W. Bush“ (119 Minuten) ist nämlich nicht Murat Kurnaz, sondern, wie der Titel ja schon vermuten lässt, dessen Mutter Rabiye, großartig dargestellt von Meltem Kaptan. Und die ist gleich zu Beginn erst mal sehr überrascht, dass ihr 19-jähriger Sohn Murat einfach so nach Pakistan abgehauen ist. Also versucht sie zunächst, Kontakt mit ihm aufzunehmen und ihn zur Rückkehr zu bewegen.
Als sich dann allerdings herausstellt, dass Murat gefangen genommen wurde und nun von den USA in Guantanamo festgehalten wird, nimmt das Geschehen ein Wende, denn nun weiß Rabiye erst mal nicht, wie sie weitermachen soll. Schließlich wendet sie sich an den Anwalt Bernhard Docke (Alexander Scheer), der zunächst mal nicht so richtig begeistert davon ist, dass sich die redselige Mutter (mal mit Bremer Slang, mal auf Türkisch, mal beides gemischt) bei ihm ohne Termin vorstellt. Als er jedoch erfährt, dass Murat in Guantanamo inhaftiert ist, beschließt er – auch entgegen dem Rat seiner Kanzleipartner – Rabiye zu helfen.
Das klingt jetzt erst mal nach einer recht drögen Justizgeschichte, aber das ist es nicht. Zum einen ist da Rabiye selbst, die mit ihrer direkten und auch etwas naiven Art immer wieder für Auflockerung und Schmunzeln beim Zuschauer sorgt. Und zum anderen nimmt der ganze Fall bald immer größere Dimensionen an, die so weit führen, dass Rabiye und ihr Anwalt mehrmals nach Washington fliegen, um dort mit anderen Angehörigen von Guantanamo-Häftlingen aktiv zu werden. Das ist natürlich alles immer wieder auch Neuland für Rabiye, die sich aber sehr bravourös behauptet.
Und dann kommt natürlich auch die politische Dimension hinzu, denn Murat ist zwar nicht deutscher Staatsbürger, sondern hat nur einen türkischen Pass, ist aber in Deutschland geboren und aufgewachsen. Und da werden dann die Abgründe der damaligen Politik des Auswärtigen Amts deutlich thematisiert. Ohne jetzt zu viel verraten zu wollen: Man hat sich da nicht gerade mächtig ins Zeug gelegt, um Rabiyes Sohn aus dem US-Folterknast herauszuholen.
Na ja, zumindest dem dafür verantwortlichen damaligen Bundesaußenminister hat das nicht geschadet, denn der ist mittlerweile schon in der zweiten Amtszeit Bundespräsident. Allerdings darf man sich dann doch schon mal fragen, ob aufgrund eines derart schäbigen politischen Agierens im Fall Murat Kurnaz wirklich die Eignung für dieses wichtige integrative Amt gegeben ist …
Bei aller Ernsthaftigkeit des Themas ist „Rabiye Kurnaz gegen George W. Bush“ eine recht kurzweilige Angelegenheit, die den Zuschauern einen sehr persönlichen und emotionalen Zugang bietet. Zudem sieht man an Fotos der realen Personen im Abspann, dass die Schauspieler wirklich exzellent ausgewählt wurden, denn die Ähnlichkeiten sind schon sehr stark.
Und da immer noch Menschen ohne Anklage oder Gerichtsverhandlung in Guantanamo festgehalten werden, ist das Ganze nach wie vor leider aktuell.
Zurzeit läuft der Film noch in einigen Kinos – unbedingte Empfehlung, sich den anzuschauen, denn das Veröffentlichungsdatum der DVD ist erst im November.
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