Früher war ich Aktivist, heute bin ich Rasist. Kennen Sie nicht? Rasisten sind Leute, die sich für den Frieden dieser Welt rasieren. Als ein Zeichen für den Protest. Und wir sprechen hier nicht davon, sich den Bart zu stutzen. Extremistische Rasisten rasieren sich komplett in ihrer ganzen Gänze. Und da wird nichts stehengelassen, was sich gegen den Gedanken des Weltfriedens auflehnen könnte. Ein Achsel-, kein schamhaftes Haar. Eben von Kopf bis Fuß auf Frieden eingestellt. Manch ein Aktivist sieht sich sogar gezwungen einen Sympathisanten zu suchen, der mit ähnlicher Akribie sich der Rasur hingibt, um sich die reich bepflanzte Rückenpartie enthaaren zu lassen. Mit Lupe und Pinzette wird sich gegenseitig der jeweilige Körper gescannt und durchforstet.
Selbst ein Ganzkörperpeeling wird aufgetragen, bis auch die letzte renitente Haarwurzel sich, dank chemischer Kriegsführung, bedingungslos ergibt.
Selbst das Haarbiotop, welches sich in den Ohren eingenistet hat, wird mittels eines spiritusgetränkten und entzündeten Wattestäbchen, flächenbrandmäßig dem Erdboden gleichgemacht.
Durch die gegenseitige Fellpflege, die eine gewisse Nähe ja zulassen muss, ist auch schon so manche Beziehung entstanden. Haarlose Haushalte werden zusehends an Bedeutung zunehmen. Rasisten und Rasistinnen zeigen sich auch immer häufiger in der Öffentlichkeit. Scham- und skrupellos.
Und diese Beziehungen sind sehr beständig, denn sie können sich ja nicht in die Haare bekommen.
Doch ist ihr Leben nicht frei von Neidern und missgünstigen Menschen, die gegen sie ins gerodete Feld ziehen.
Als da wären, der Industriezweig der Flusensiebhersteller und deren Facharbeiter für die Lochgewinnung. Die auch liebevoll Locher genannt werden. Auch die Barbiere laufen Sturm und fordern von der Politik dem Wahnsinn Einhalt zu gebieten. Friseure raufen sich die Haare, seitdem sich einige verblendete ihrer Zunft sich dem Haarlostrend angeschlossen haben und sich so den Ast abrasieren, auf dem sie sitzen.
Seitdem beispielsweise Hartmut Kahlowski, ein wahrer Meister und Liebling der Prominenten, sich seinem Nachnamen zum Vorbild genommen hat, wurde er wegen Insubordination aus der Innung geworfen. Sein Kahlschlag war selbst den tolerantesten Kollegen ein Dorn im Auge und sie ließen kein gutes Haar an ihm. Wie auch!
Ihre intoleranten Gegner beschimpfen sie als Nacktmull und Nacktschneckinnen.
Doch all der Protest, der immer aggressiver wird, kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Haarlosen ihren Siegeszug unvermindert fortsetzen. Sie blockieren ganze Straßenzüge und verharren dort, bis sie fortgetragen werden. Die rasierten dieser Welt, werden zum Stachel im Fleisch der Kriegstreiber und Invasoren.
Drum gilt ab heute die Aufforderung: Nur wer sich rasiert, sorgt dafür das nichts passiert.
Haarwuchs? Nein Danke!
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