Eine klare Meinung zu haben, die über gutmenschlichen Platituden hinaus geht, ist nicht einfach, wenn eine Mehrheit bereit ist, Utopien als realistisch zu betrachten, und folglich meinen, dass eine pragmatische Meinung durch ihre jeweiligen Mankos disqualifiziert wird.

Traditionell war der Grund für die Existenz unterschiedlicher Weltanschauungen, dass die unterschiedliche Abwägung von Stärken und Schwächen, von Pros und Contras solcher Anschauungen, zu unterschiedlichen Folgerungen führte. Für einen mochte der eine Wert wichtiger sein, für andere ein Anderer. Was ist höher zu werten, die Freiheit, ohne weiteres Schusswaffen besitzen zu können, oder die Sicherheit, dass diese stark reguliert sind? Usw..

Dass es heute einen so überwältigenden Einheitsbrei der Weltanschauung gibt, ergibt sich daraus, dass die Auffassung sich breit gemacht hat, es gäbe in der Tat eine ideale Lösung. Folglich liegt der Schluss nahe, dass wer diese ideale Lösung ablehnt, entweder dumm oder bösartig ist. Diese Idee einer idealen Lösung ist einer der wesentlichen Trugschlüsse der gegenwärtig herrschenden Postmoderne, und viele der Phänomene gesellschaftlicher Konflikte entstammen diesem Ursprung. Logischerweise ist es eben nicht mehr als ein Trugschluss: Es gibt keine ideale Lösung für die komplexen Probleme unserer Zeit. Jede Lösung muss pragmatisch sein, und eine Abwägung machen.

In der aufgeklärten (d.h. modernen) Erörterung einer Weltanschauung, passt sich diese pragmatisch an die Realität an, und versucht innerhalb der Möglichkeiten dieser Realität Lösungen für jeweilige Probleme oder Herausforderungen zu finden. In der poststrukturalistischen (d.h. postmodernen) Erörterung, wird zuerst ein Ideal definiert, und die Realität anschliessend verzerrt, bis sie sich an das Ideal angepasst hat, wobei diese Verzerrung nicht als solche anerkannt wird, sondern als vermeintlich objektive Realität präsentiert wird.

Dieses Konzept wird hier graphisch dargestellt:

Zuerst, die moderne Erörterung, worin ein blaues Dach über das Wort „Realität“ gezeichnet wird. Dieses ist in der Form an die Form des Wortes angepasst. Es ist somit kein perfekt gerades Dach, aber es erfüllt trotz dieses Mankos den Zweck, das Wort zu überdecken. Daneben, die postmoderne Erörterung, worin erst ein perfekter, idealer rosa Balken gezeichnet wird, und anschliessend das Wort „Realität“ verzerrt wurde, damit der Balken genau an dieses Wort angepasst ist (oder umgekehrt). Somit wird die ideale Lösung möglich gemacht, indem eine verzerrte Realität erkannt wird.

Von Bedeutung ist die Wechselwirkung zwischen der Weltanschauung, und der Kapazität, die Realität mit grösstmöglicher Objektivität erkennen zu können. Die verzerrte Wahrnehmung der Realität geschieht nämlich in Folge des Widerwillens, eine pragmatische, makelbehaftete Anschauung zu bilden. Das Begehren nach einer utopischen Lösung kann niemals zufriedengestellt werden, und folglich können daraus nur zwei Reaktionen resultieren: Entweder wird die utopische Lösung verlassen, und eine pragmatische Lösung akzeptiert (d.h. die Lösung passt sich an die Realität an), oder aber die Wahrnehmung der Realität wird zunehmends verzerrt, z.B. indem vermeintliche Störfaktoren definiert werden, bis eine derart verzerrte Erkenntnis der Realität erreicht wird, welche die utopische Lösung zulassen würde (d.h. die Realität passt sich der gewünschten Lösung an).

Dieses ganze Phänomen treibt sich wie ein Teufelskreis an, indem die Anhänger der utopischen Lösungen jegliche pragmatische Lösung aufgrund deren Mankos attackieren, und somit gerade diese Angst verbreiten eine klar definierte und pragmatische Meinung zu hegen, welche überhaupt erst zur Konzipierung der utopischen Lösungen geführt hat. Aus Angst vor der Auseinandersetzung fliehen die schwachen Intellekte in die Sicherheit einer idealen, makellosen, utopischen Position, welche auf jedes Problem eine perfekte Antwort hat, die alle zufriedenstellt. Nur dass diese Position letztlich vollkommen phantastisch ist.