Kürzlich habe ich ja schon mal in Form eines Artikels 57 Fragen beantwortet, die Über Medien nach der Europawahl gestellt haben. Dabei ging es auch um den Umgang der Medien mit Rechtsextremen, und dazu hab ich mir noch ein paar weitere Gedanken gemacht.

Wie ich bei den Fragen, bei denen es um den Umgang der Medien mit der AfD geht, schon schrieb: Es ist sehr wichtig, dass Journalisten hier Haltung zeigen, und zwar auch sehr deutlich. Auch wenn es öfter mal den Anschein hat, dass das doch schon der Fall sei, so ist es vielmehr so, dass die AfD durch ihre ständige Präsenz in Medien, extrem gefördert wurde, wenn zum Beispiel blaubraune Politiker in Talkshows eingeladen werden. In diesem Zusammenhang verweise ich immer wieder gern auf einen lesenswerten Artikel von David Goeßmann auf Telepolis, der das etwas genauer darstellt.

Und auch gerade jetzt konnte man das wieder wunderbar sehen, da wurde nämlich Alice Weidel von der AfD zum Sommerinterview im ZDF eingeladen – und hat dort, wie es nun mal blaubraune Art ist, gelogen, dass sich die Balken biegen. Da kann mir auch keiner erzählen, dass das nicht vorher schon klar war, und dennoch bietet man Weidel so eine prominente Bühne, um ihre manipulativen Unwahrheiten herauszuplärren.

Hinterher hat dann das ZDF zwar in Form eines Faktenchecks klargestellt, was Weidel alles an Unfug erzählt hat (s. hier), aber es wird auch keiner bei denen so naiv sein und glauben, dass so eine Richtigstellung im Nachgang auch nur ansatzweise die Wahrnehmung erfährt wie die zuvor verbreiteten falschen Tatsachen. Zumal ja AfD-Jünger auch grundsätzlich nur das wahrnehmen, was in ihr Weltbild passt, sodass deren Reaktion auf dieses Interview sein dürfte: „Siehste, da hat die Weidal mal Tacheles geredet! Und hinterher versuchen die vom ZDF dass dann so richtig im Stil der Lügenpresse wieder abzuwiegeln!“

Weidel ist so für ihren Anhang die Heldin – und sie nutzt die Medien ganz klassisch, um diese selbst vorzuführen. Da könnte man fast meinen, dass beim ZDF keine Profis am Werk sind, die solche Mechanismen mal vorher durchschauen.

Für mich wäre es zumindest gezeigte Haltung, wenn man gleich gesagt hätte: Zum Sommerinterview laden wir niemanden von der AfD ein, da das keine demokratische Partei ist und wir Faschisten keine Bühne bieten wollen. Dann hätten die AfD-Politiker und ihr dümmlicher Anhang zwar mal wieder gejault, dass das ja „Zensur“ sei und alle gegen die AfD seien – aber das machen sie ja sowieso. Nur mit dem Unterschied, dass nun noch mal vorher eine große Anzahl von Menschen über das öffentlich-rechtliche Fernsehen mit AfD-Lügen versorgt wurde. Bravo, ZDF!

Nun ist es aber nicht nur so, dass die AfD nach wie vor in den Medien viel zu viel Präsenz zum Verbreiten von Lügen, viel zu wenig Widerspruch und viel zu viel Verständnis für ihre menschenfeindlichen Ansichten bekommt. Auch in den Kommentarspalten vieler ausdrücklich nicht rechter Portale in sozialen Medien machen sich AfD-Jünger breit und dominieren dort den Diskurs – oder vielmehr den Antidiskurs, denn sobald Blaubraune irgendwo auftauchen, ist in der Regel kein konstruktiver Austausch mehr möglich (s. dazu hier und hier). Und das ist auch schon seit einigen Jahren bekannt, wie man an den beiden eben verlinkten Artikeln sieht.

Ich bin ja selbst auch bei Facebook bei einer politischen Seite (mit immerhin mehr als 120.000 Followern) als Admin tätig, und dort werden AfD-Jünger oder andere Rechtsaußen konsequent schon seit Jahren blockiert, also von der Seite geschmissen. Anders haut das auch nicht hin, denn sonst hat man schnell keine Diskussionen mehr, sondern nur noch Gepöbel und Gehetze in den Kommentarspalten. Das ist eine Menge Arbeit, denn ich schau mir in der Regel dann die „verdächtigen“ Profile an, um auf Nummer sicher zu gehen, aber insgesamt hab ich so bestimmt schon 20.000 oder mehr Rechtsaußen entfernt.

Das Problem, wenn man das nicht macht: Rechtsextreme suchen sich gern Themen im Netz, die sie triggern. Dann wird so ein Beitrag, in dem es um Geflüchtete, den Klimawandel, Gendern, Kritik an AfD-Politikern oder ein anderes rechtes Reizthema geht, geteilt in der Absicht, dann die eigenen Kumpel auf die Seite zu holen, sodass man dann dort gleich im Rudel ordentlich rumpöbeln kann. Wenn man da also nicht regelmäßig aufpasst, dann hat man schnell immer mehr vom rechten Pack an der Backe.

Und so geht es etlichen Seiten, beispielsweise auch von der ARD-Sendung Monitor. Sobald da ein Beitrag kommt, der was mit Geflüchteten zu tun hat, stammt der Großteil der Kommentare darunter von AfDlern und anderen rechten Spießgesellen, die dann hemmungslos ihrem Rassismus freien Lauf lassen. Das macht nicht nur keinen Spaß, wenn man dann als denkender Mensch mal in so eine Kommentarspalte gerät, sondern ist auch fatal für mitlesende Dritte, die dann meinen könnten, dass solcher rechter Unfug tatsächlich eine legitime und sogar weit verbreitete Meinung sei.

Hier wäre es m. E. ein Zeichen von Haltung, wenn auf solchen Social-Media-Präsenzen dann auch mal konsequent Rechte einfach rausgeschmissen würden. Sollen die doch in ihrer eigenen Bubble hocken und sich dort ihre Menschenverachtung gegenseitig vorbeten, aber eben den zivilisierten Teil der Gesellschaft mit solchem Verbalmüll nicht behelligen. Tja, leider passiert das nicht – oder nur sehr, sehr selten, sodass die Rechtsaußen ziemliche Deutungshoheit in sozialen Medien haben bei ihren „Spezialthemen“.

Woran mag das liegen? Übertrieben Rücksichtnahme auf rechte Menschenfeinde? Oder eher Angst vor dem Verlust von Followern und damit weniger Klicks und auch Reichweite? Diese Vermutung hatte ich ja schon mal vor fast sieben Jahren in Bezug auf die NGO Campact, was ich damals in einem Artikel niederschrieb. Ironischerweise ist Campact mittlerweile sehr präsent mit dem Thema, wie man die AfD wieder kleiner bekommt. Tja, da hätte man vielleicht schon mal was machen können, bevor die überhaupt so groß geworden sind – aber auf mich hört ja keiner. ;o)

Die Auswirkungen von dieser fehlenden Haltung sind in jedem Fall unübersehbar, denn so wird mittlerweile bei vielen Beiträgen zum Thema Geflüchtete, Klimakrise oder queeren Personen vor allem mit höhnischem Gelächter reagiert. Zu dieser Form der Äußerung hat Erik Flügge vor ein paar Jahren schon mal was auf seiner Facebook-Wall geschrieben – auch das ist also nichts ganz Neues:

Und so sieht das dann oftmals unter entsprechenden Beiträgen aus:

Und auch hier geht es wieder darum, dass mitlesende Dritte dann den Eindruck bekommen, dass das ja nun alles lächerlich sei, was dort berichtet wird. Wer Wert auf eine anständige Diskussion legt, der bedient sich zumindest nicht solch plumper Mittel, um ihm unliebsame Positionen zu diskreditieren. Es wäre also nicht schade für die Diskurskultur einer Social-Media-Präsenz, wenn man diejenigen, die den höhnischen Smiley nutzen, einfach von der Seite kicken würde. Macht aber so gut wie niemand …

Und so werden eben rechte Positionen weiter normalisiert und wichtige Themen wie Klimaschutz zunehmend diskreditiert. Und das nicht nur in rechten Filterblasen, sondern überall im Netz, wo darüber gesprochen bzw. geschrieben wird.

Man selbst kann natürlich Gegenrede leisten (was ich auch immer mache), da braucht man dann als Privatperson nur ein ordentlich dickes Fell, wenn man dann beschimpft oder auch bedroht wird.

Sinnvoller wäre es hingegen, wenn sich auch in der Medienbranche mal umfänglich rumsprechen würde, dass man rechtem Pack am besten mit Ächtung begegnet. Aber das scheint ja irgendwie nicht so richtig gewollt zu sein …

Dir gefällt, was Karl Haas schreibt?

Dann unterstütze Karl Haas jetzt direkt: