In den letzten Jahren sind die Medien ja zunehmend der Kritik ausgesetzt – teilweise undifferenziert aus der rechten Ecke in Form von „Lügenpresse“-Gekeife, teilweise aber auch durchaus fundiert, indem eine überwiegend einseitige Berichterstattung moniert wird. Nun bekommt die Position der „Staatsmedien“-Vorwürfe gerade neues Futter.
Vor einigen Wochen wurde ja bekannt, dass die ehemalige Tagesschau-Moderatorin (mittlerweile bei Pro7) Linda Zervakis vom Kanzleramt extra für ein Interview mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) auf der Medienmesse re:publica ausgesucht wurde, um ihm dort reichlich handzahme Fragen zu stellen. Und dafür gab es dann auch noch eine Entlohnung von etwa 1100 Euro (s. hier). Das sorgt natürlich für einen reichlich schalen Beigeschmack, da ein so geführtes Interview dann eben mehr PR ist als unabhängiger Journalismus, zumal wenn über die finanzielle Verbandelung Stillschweigen bewahrt wird.
Nun kam gerade heraus (s. hier), dass Zervakis im selben Jahr 2022 noch eine weitere Vergütung vom Kanzleramt erhielt, und zwar in wesentlich größerem Umfang, sodass sich ein Gesamtbetrag von etwa 12.000 Euro ergibt. Und auch in vorangegangen Jahren soll Zervakis Zuwendungen vom Kanzleramt erhalten haben.
Leider musste es dann ausgerechnet die eklige AfD sein, die eine Kleine Anfrage an die Bundesregierung richtete, wie es denn generell mit Honoraren für Medienvertreter in den letzten Jahren ausgesehen habe. Und die Antwort hat es dann schon in sich (s. hier):
Die Bundesregierung und nachgeordnete Bundesbehörden haben seit 2018 Honorare im Wert von 1.471.828,47 Euro an Journalisten für Moderationen, Texte, Lektorate, Fortbildungen, Vorträge und andere Veranstaltungen gezahlt. Dies geht aus der Antwort der Bundesregierung (20/5822) auf eine Kleine Anfrage der AfD-Fraktion (20/5437) hervor. Dabei entfielen Honorare in Höhe von 875.231.92 Euro an Journalisten des öffentlichen-rechtlichen Rundfunks und des Auslandssenders Deutsche Welle, 596.596,55 Euro an Journalisten privater Medien. Nicht enthalten in der Aufstellung sind nach Angaben der Bundesregierung aus Gründen des Staatswohls Honorare, die der Bundesnachrichtendienst (BND) an Journalisten gezahlt hat, weil die Kooperationen des BND „besonders schützenswert“ seien.
Wow – mal eben schlappe eineinhalb Millionen Euro, überwiegend an Journalisten der Öffentlich-Rechtlichen, aber auch in nicht unerheblichem Maße an solche von Privatsendern.
Das muss ja nun nicht bedeuten, dass man sich auf diese Weise konkrete Meldungen, mit denen die eigene Regierung in einem guten Licht dasteht, kauft, aber zumindest finde ich es nicht abwegig, dass die Empfänger solcher Zuwendungen eher wenig Interesse daran haben, es sich mit der Regierung durch kritische Berichterstattung zu verderben – man beißt schließlich nicht die Hand, die einen füttert.
Dass vonseiten der Politik Einfluss auf die mediale Berichterstattung genommen wird, ist ja nun nichts ganz Neues, das wird beispielsweise ja auch schon von Uwe Krüger in seinem hervorragenden Buch „Mainstream“ beschrieben (s. hier). So müssen beispielsweise Journalisten, die zu kritisch über Politiker oder Parteien berichten, damit rechnen, von deren Seite aus keine Infos mehr zu bekommen oder auch bei Frühstücksanlässen mit Parlamentariern und Ähnlichem nicht mehr gern gesehen zu sein. Auch dass ein Steffen Seibert direkt vom Moderatorenposten beim heute journal ins Amt des Regierungssprechers wechselte, spricht nicht dafür, dass er sich vorher mit besonders regierungskritischer Arbeit für den Job qualifiziert hat.
Fehlende Distanz zwischen Politik und Medien ist also schon länger ein Thema. Das waren bisher aber alles weniger direkte (wenngleich auch problematische) Vernetzungen, als wenn da gleich ganz plump Geld gezahlt wird, finde ich. Wie soll denn der Journalismus seiner Rolle als vierte Gewalt, als Kontrollinstanz der Herrschenden gerecht werden, wenn immer wieder Gelder vonseiten der Regierung an Journalisten gezahlt werden?
Dass dies seit Jahren offenbar mit großer Selbstverständlichkeit einerseits und vollkommen intransparent andererseits so betrieben wird, zeigt, dass die Geldgeber aus den Regierungen nicht allzu viel von demokratischer Kultur halten, wenn sie meinen, Medien auf solche Weise korrumpieren zu müssen.
Und wenn dann auf der anderen Seite regierungskritischen NGOs zunehmend der Status der Gemeinnützigkeit entzogen wird, sodass diese ihre Arbeit nur noch unter erschwerten Bedingungen leisten können, dann führt das zu einer Verengung des öffentlichen Meinungskorridors. Was ja eigentlich in letzter Konsequenz ein Merkmal von despotischen Regimes ist, nur dass dort die Kritik eben auf andere, ruppigere, weniger „marktkonforme“ Art und Weise mundtot gemacht wird. Das Resultat ist aber letztlich schon ganz ähnlich.
Wen wundert es da noch, dass so viele Wähler gegen ihre eigenen Interessen stimmen und Politiker mittlerweile mit jeder bürgerfeindlichen Klientelbedienung einfach so durchkommen? Mich jedenfalls nicht …
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