WELT:“Ein Experte erklärt, warum die Alternativmethoden auf Scheinargumenten basieren…." “Edzard Ernst antwortet" auf die häufig angeführten Argumente von Anhängern der Homöopathie:
„Mir hat es geholfen“
Edzard Ernst: „Anhänger der Homöopathie bringen regelmäßig ihre guten Erfahrungen mit dieser Behandlungsform ins Spiel und meinen, dass dies Beweis genug für eine Wirksamkeit sei….“
Replik(en) eines pragmatisch adjuvant-homöopathisch arbeitenden Arztes:
Dazu David Sackett (s.u.) in seiner allseits anerkannten Expertise zu den Säulen der Evidenz:
„…Gute Ärzte nutzen sowohl individuelle klinische Expertise [ Heil-Erfahrungen der Patienten] als auch die beste verfügbare externe Evidenz [Studien], und keine allein reicht aus. Ohne klinische Expertise droht die Praxis tyrannisiert zu werden durch Beweise, denn selbst hervorragende externe Beweise können für einen einzelnen Patienten nicht anwendbar oder ungeeignet sein. „
„Zumindest schadet es nicht“
Edzard Ernst: „…Dieses Argument lässt jedoch außer Acht, dass nicht das Mittel selbst, sondern der Homöopath ein Risiko darstellen kann….“
Replik: Ein verantwortlich homöopathisch arbeitender Arzt wird niemals von indizierten und erfolgversprechenden konventionellen Therapien abraten und sich auch nicht gegen sinnvolle Impfungen aussprechen. Studien dazu, dass „eine wirksame Behandlung zugunsten der Globuli verzögert oder unterlassen wurde“ existieren nicht.
Denn das Gegenteil ist der (häufigste) Fall: Die Patienten suchen den homöopathisch arbeitenden Arzt meist erst dann auf, wenn konventionelle Therapien versagt haben oder keine Heilung mehr versprechen.
„Sie hat sich bewährt“
Edzard Ernst: „…Dabei wird oft vergessen, dass etliche Therapien Jahrhunderte überdauert haben…“
Replik: Es gibt mit Ausnahme der Homöopathie KEINE Therapie, die sich über mehr als 200 Jahre derart reproduzierbar bewährt hat. Aderlaß und Quecksilber-Therapie, die – vor der Verbreitung der Homöopathie – praktizierten Verfahren der damaligen konventionellen Medizin, blieben auch wegen der deutlich besseren Erfolge der Homöopathie (zum Glück) nicht auf Dauer die Therapien der Wahl.
„Sie wirkt bei Babys und Tieren“
Edzard Ernst: „…Kleinkinder und Haustiere reagieren sehr wohl auf Placebos,…“
Replik: In der Tat kann die Wirkung der Homöopathie bei Babys und Tieren nicht als Beweis gegen die Placebotheorie herangezogen werden wie Ernst sehr richtig anmerkt. Der Anteil der Placebo-Wirkung bei diesen kann nämlich auch durch den sogenannten „Placebo by proxy“ Effekt erklärt werden.
„In manchen Studien wirkt sie“
Edzard Ernst: „Schaut man jedoch auf die Gesamtheit der belastbarsten Studien, so kommt kein positives Gesamtergebnis heraus. Daher haben alle unabhängigen Gremien in den letzten Jahren den Schluss gezogen, dass die Homöopathie unwirksam ist.“
Replik: Und was haben die bisherigen METASTUDIEN zum behaupteten alleinigen Placeboeffekt der Homöopathie bisher WIRKLICH ERGEBEN?
Hier eine übersichtliche Zusammenfassung, zusammengetragen vom INH (!), der Homöopathie-Skeptiker-Organisation selbst:https://www.homöopedia.eu/index.php/Artikel:Systematische_Reviews_zur_Hom%C3%B6opathie_-_%C3%9Cbersicht [Grossschreibung und [..] als zusätzlicher Kommentar]
Kleijnen (1991)
Derzeit sind die NACHWEISE aus klinischen Studien POSITIV, aber sie reichen nicht aus, um endgültige Schlussfolgerungen zu ziehen, weil die Methodik in den meisten Studien von geringer Qualität und der Einfluss des „Publication Bias“[B 2] unbekannt ist.[B 3]
Linde (1997)
Das Ergebnis unserer Meta-Analyse liefert KEINE BESTÄTIGUNG für die HYPOTHESE, dass die klinischen Effekte der Homöopathie alleine auf einer PLACEBOWIRKUNG beruhten. Wir fanden in diesen Studien jedoch nur unzureichende Nachweise dafür, dass die Homöopathie auch nur bei einem einzigen Krankheitsbild wirksam wäre.[B 6]
Linde (1998)
Die Ergebnisse der vorliegenden randomisierten kontrollierten Studien deuten darauf hin, dass die Homöopathie eine ÜBER PLACEBO HINAUSGEHENDE WIRKUNG aufweist. Die Nachweise sind jedoch wegen methodischer Schwächen und Widersprüchlichkeit nicht überzeugend.[B 8]
Cucherat (2000)
Es gibt ein paar wenige Nachweise dafür, dass homöopathische Therapien WIRKSAMER SIND ALS PLACEBO; die Aussagekraft dieser Nachweise ist wegen der nur niedrigen methodischen Qualität der Studien nur gering. Studien hoher methodischer Qualität waren eher negativ als solche von geringerer Qualität.[B 12]
Shang (2005)
… es zeigten sich SCHWACHE NACHWEISE für einen SPEZIFISCHEN EFFEKT HOMÖOPATHISCHER ARZNEIEN (…) Die Ergebnisse bestätigen den Eindruck, dass es sich bei den klinischen Effekten der Homöopathie um Placeboeffekte handelt.[B 13]
[Laut Lüdtke und Bendig wurden allerdings in der Arbeit von Shang et al. willkürliche Kriterien bzgl. der Anzahl der ausgewählten Studien angewandt]
Mathie (2014)
Arzneien, die als Homöopathika individuell verordnet wurden, zeigen möglicherweise einen KLEINEN SPEZIFISCHEN EFFEKT. (…) Die generell niedrige und unklare Qualität der Nachweise gebietet aber, diese Ergebnisse nur vorsichtig zu interpretieren.[B 14]
Mathie (2017)
Die Qualität der Nachweise als Ganzes ist gering. Eine Meta-Analyse aller ermittelbaren Daten führt zu einer ABLEHNUNG UNSERER NULLHYPOTHESE [dass das Ergebnis einer Behandlung mit nicht-individuell verordneten Homöopathika nicht von PLACEBO unterscheidbar ist ], aber eine Analyse der kleinen Untergruppe der zuverlässigen Nachweise stützt diese Ablehnung nicht. Meta-Analysen für einzelne Krankheitsbilder liefern keine zuverlässigen Nachweise, weshalb KEINE KLAREN SCHLUSSFOLGERUNGEN MÖGLICH sind.[B 17]
Mathie (2018)
Wegen der schlechten Qualität, der kleinen Anzahl und der Heterogenität der Studien ist anhand dieser Daten eine ENDGÜLTIGE SCHLUSSFOLGERUNG über die Vergleichbarkeit der Wirkung einer individualisierten homöopathischen Therapie AUSGESCHLOSSEN.[B 18]
Das heißt:
Ja, die (positive) Studienlage zur Evidenz der Homöopathie könnte eindeutiger ausfallen , jedoch muß angemerkt werden, dass die Studien zu Therapien der konventionellen Medizin insgesamt die gleiche „Uneindeutigkeit“ aufweisen (s.u.).
„Die Pharmaindustrie steckt dahinter“
Edzard Ernst: „Angeblich ist die Homöopathie derart effektiv, dass die Pharmaindustrie sie unterdrücken muss, um keine hohen Verluste einzufahren. Dieses verschwörerisch anmutende Argument….“
Replik: Dies ist nun tatsächlich das schlechteste Argument FÜR die Homöopathie bzw. für die Erklärung der Angriffe GEGEN die Homöopathie. Die Homöopathie erscheint (beim derzeitigen Stand der Wissenschaft) irrational. Für eine technokratisch ausgerichtete Generation, die sich Sicherheit ausschließlich von rational Erklärbarem erhofft , stellt die Homöopathie also eine willkommene Projektionsfläche für all ihre irrationalen Ängste dar, die sie im Unterbewußtsein mit sich herumträgt.
„Homöopathie kann Geld sparen“
Edzard Ernst: „Es stimmt, dass Homöopathika im Durchschnitt deutlich billiger sind, als konventionelle Arzneimittel….“
Replik: Homöopathisch arbeitende Ärzte haben erwiesenermassen deutlichst niedrigere Medikamentenkosten im Vergleich zu rein konventionell arbeitenden Ärzten. Die von Ernst genannte Studie dazu, die besagen soll, dass der „Einsatz von Homöopathie sogar die Kosten erhöht“, ist vielfach als unzureichend kritisiert worden
„Die Kosten sind gering“
Edzard Ernst: „Es ist richtig, dass die paar hundert Millionen, die für Homöopathie ausgeben werden, im Vergleich zu den Milliarden, die insgesamt im Gesundheitssystem umgesetzt werden, ein verschwindend kleiner Betrag sind….“
Replik: Ernst weist richtigerweise auf die garadezu absurde Kosten-Relation homöopathischer Therapie zu fast allen konventionellen Therapien hin. Er könnte aber auch manch eine völlig evidenzlose, rießige Summen verschlingende und geradezu unseriös wirkende konventionelle Therapie-Form erwähnen und dann darauf hinweisen, dass bei Verzicht auf eine solche TAUSENDE von Krankenschwestern bezahlt werden könnten.
„Konventionelle Medikamente wirken auch nicht immer“
Edzard Ernst: „…werden [in der konventionellen Medizin] Studien erstellt, um verlässliche Aussagen zu Wirksamkeit und Sicherheit zu treffen – sind diese nicht gegeben, wird das Verfahren nicht mehr angewendet…..“
Replik: Die Aussage zur Einstellung von Verfahren der konventionellen Medizin, die keine positive Evidenz ergeben haben (z.B. Knie-Arthroskopie), ist erwiesenermaßen nicht zutreffend! Und: Wie sich gezeigt hat, ist die Studienlage in der konventionellen Medizin fast identisch zu der in der Homöopathie:
Bis Ende 2014 wurden 189 randomisierte kontrollierte Studien zur Homöopathie bei 100 verschiedenen Erkrankungen in peer-reviewed Zeitschriften veröffentlicht.
Darunter fallen 104 Studien, die placebo-kontrolliert und für eine weitere detaillierte Bewertung in Frage kommen:
•41 % fielen positiv aus (43 Studien) – sie stellten fest, dass Homöopathie wirksam ist
•5 % fielen negativ aus (5 Studien) – sie stellten fest, dass Homöopathie unwirksam ist
•54 % waren nicht eindeutig (56 Studien)
Eine Analyse von 1016 systematischen Übersichtsarbeiten von RCTs zu Behandlungen der sog. wissenschaftlichen Medizin kam zu einem auffällig ähnlichen Ergebnis:
•44 % fielen positiv aus – die Behandlung war wahrscheinlich nützlich
•7 % fielen negativ aus – die Behandlung war wahrscheinlich schädlich
•49 % waren nicht eindeutig – die Ergebnisse zeigten weder einen Nutzen noch einen Schaden
„Man kann sie nicht wissenschaftlich untersuchen“
Edzard Ernst: „Dieses Argument ist so beliebt wie es falsch ist….“
Replik: Natürlich ist das Argument, man könne Homöopathie nicht wissenschaftlich untersuchen, falsch und wird von redlich argumentierenden Homöopathen nicht angeführt werden.
„Sie ist ganzheitlich“
Edzard Ernst: „Jede gute Medizin ist ganzheitlich….“
Replik: Da die konventionelle Medizin – wie fast jeder schon am eigenen Leib erfahren konnte – ganz offensichtlich KEINEN GANZHEITLICHEN Ansatz verfolgt, ist sie dann also keine gute Medizin?
„Sie ergänzt die konventionelle Medizin“
Edzard Ernst: „Dieses Argument steht in krassem Widerspruch zu den Intentionen des Homöopathie-Begründers Samuel Hahnemann, der jeden als „Verräter“ bezeichnete, der seine Heilmethode mit der konventionellen Medizin kombinierte…..“
Replik: Homöopathisch arbeitende Ärzte mit kritischem Geist denken und Handeln innovativ über die Axiome Hahnmanns hinaus und werden die Homöopathie immer im Sinn einer ADJUVANTEN THERAPIE als Ergänzung zur konventionelle Medizin nützen.
„Was ist mit der Schweiz?“
Edzard Ernst: „In der Schweiz wurde die Homöopathie per Volksabstimmung in die Grundversorgung aufgenommen. Es ist also keine Entscheidung gewesen, die auf der Grundlage einer wissenschaftlichen Evaluierung getroffen wurde….“
Replik: Nachdem sich in der Schweiz zeigte, dass die für das Gesundheitsministerium zu Beurteilung der Studienlage der Homöopathie angefertigte Studie von Shang et al. (s.o.) gravierende Mängel im Sinne eines „selektiven Bias“ aufwies und andererseits eine der drei wichtigen Säulen der Evidenz, die Erfahrungen der Patienten, positiv ausfiel, haben sich die Schweizer in einer Volksabstimmung zugunsten der Aufnahme der Homöopathie in die zu erstattenden Therapieformen entschieden.
„Wer heilt, hat Recht“
Edzard Ernst: „Dieses Totschlagargument kombiniert mehrere der bereits genannten Gedanken. Es impliziert, dass letztlich der gefühlte therapeutische Erfolg entscheidend ist…“
Replik: In seiner wissenschaftlich hochanerkannten Veröffentlichung“Evidenzbasierte Medizin: Was sie ist und was sie nicht ist Es geht um die Integration individueller klinischer Expertise und der besten externen Evidenz.“ führt David Sackett (s.a. oben) zur Bedeutung der klinischen Erfahrungen aus:
„Es geht um die Integration individueller klinischer Expertise“
sprich
Es geht [auch] um die [positiven] Erfahrungen der Patienten und Ärzte!
d.h.
Der [vom Patienten] gefühlte therapeutische Erfolg ist in der Tat entscheidend!
Dr. Heinrich Hümmer