Eleanor Janega - The Once and Future Sex: Going Medieval on Women's Roles in Society (Hörbuch)

"Zustände wie im Mittelalter" ist ein geflügeltes Wort, um vage rückständige und unattraktive Zustände zu beschreiben. Dabei wissen wir sehr wenig über diese Epoche und arbeiten oft mit Klischees, die Autoren aus der Renaissance und der Neuzeit prägten, um ihre eigene Zeit in strahlenderem Licht erscheinen zu lassen. Eleanor Janega hat es sich bereits seit Längerem zur Aufgabe gemacht, Fehlvorstellungen über das Mittelalter zu korrigieren. Auf ihrem Blog "Going Medieval" veröffentlicht sie immer wieder solche Betrachtungen. Nun liegt ein Buch von ihr vor, in dem sie die Rollenbilder von Frauen im Mittelalter untersucht - ihre ideengeschichtlichen Ursprünge, die Schönheitsideale, Sexualität, Arbeitswelt und natürlich die Frage, warum uns das alles heute überhaupt noch interessieren sollte.

In Kapitel 1, "Back to Basics", beginnt Janega mit der Darstellung der Rolle der antiken Autoren. Diese galten im Mittelalter wie auch in der Renaissance als unbestechliche Autoritäten, weil sie alt waren - und je länger etwas her war, desto näher war e san biblischen Zeiten, desto näher war es an Gott, und desto richtiger musste es also sein. So galt Hippokrates als unbedingte erste Autorität in der Frage der Unterscheidung von Männern und Frauen. Die seinerzeit unhinterfragte Vier-Säfte-Lehre, nach der jeder Mensch vier "Säfte" im Körper habe, deren Austarierung seine Gesundheit und sein Gemüt beeinflusse, diente auch der Herausstellung von Unterschieden zwischen Mann und Frau. Für Hippokrates stellte der Frauenkörper ein unkennbares Mysterium dar, da sich in ihm Prozesse abspielten, die von der Wissenschaft (in Gesellschaften, die Anatomie tabuisierten) völlig unnachvollziehbar waren. Klar war für Hippokrates allerdings, dass der Frauenkörper gegenüber dem männlichen defizitär sein musste.

Diese Idee wurde von Platon weiter ausgeführt, der gleichzeitig als erster überlieferter Kritiker des männlichen Penises auftrat. Allerdings betrachtete er ihn vor weiblichem Uterus als deutlich überlegen, weil er anders als dieser beseelt sei: der männliche Samen war das entscheidende Element der Fortpflanzung, das aktiv in die Frau gebracht wurde, die diesen nur passiv empfing. Die Vier-Säfte-Lehre zu Platons Zeit betrachtete Frauen zudem als "feucht" und "kalt", Männer als "trocken" und "heiß". Das war relevant, weil die Hitze der Männer überschüssige und schlechte Säfte verbrannte (und sie gleichzeitig aggressiv machte, ein mit ihrer "natürlichen" Dominanz einhergehender Nachteil), während die kühle Feuchtigkeit der Frauen dafür sorgte, dass schlechte Säfte durch die Menstruation ausgeschieden werden mussten und Frauen grundsätzlich weniger zurechnungsfähig waren als Männer, weil ihr Säftehaushalt viel mehr in Unordnung war.

Aristoteles als geschätztester Autor des Mittelalters (es hilft, eine eigene Schule zu begründen, die das eigene Werk jahrhundertelang reproduziert) brachte den Schlussstein in diese Analyse des weiblichen Körpers mit der Überzeugung ein, dass der Uterus im Körper umherwandere und dadurch für Probleme sorge; einzig durch eine Schwangerschaft werde "fixiert", wodurch Frauen dann temporär halbwegs vernünftig würden.

Die antiken Autoren wurden im Mittelalter viel rezipiert, geradezu geheiligt. Auch die wenigen Frauen mit Zugang zu Bildung wie Hildegard von Bingen studierten sie, kamen dabei aber zu eigenen Ergebnissen (die vor allem versuchten, die weiterhin unhinterfragte Analyse der antiken Vordenker ins Positive zu wenden); der geringe Stand weiblicher Bildung habe aber einen "Dialog mit dem Patriarchat" verhindert.

In Kapitel 2, "How to look", werden mittelalterliche Schönheitsideale behandelt. Auffällig ist, dass die Schönheitsideale der Antike weitgehend unbekannt sind. Antike Autoren beschrieben zwar Frauen gerne generisch als schön, machten aber selten genaue Angaben, worin diese Schönheit eigentlich bestehen würde. In der mittelalterlichen Rezeption spielte daher vor allem das Ideal der Helena von Troja, das "Gesicht, das tausend Schiffe sandte", eine große Rolle. Da ihr Aussehen aber auch unbekannt war, wurde sie mit den Schönheitsidealen des Mittelalters belegt.

Für die Menschen des Mittelalters galt eine Kongruenz von Schönheit und Macht beziehungsweise Status: schöne Frauen sind reich und mächtig und umgekehrt. Eine Königin etwa war per Definition schön, weil sie es sein musste: Herrschaft bedingte dies schlicht. Umgekehrt konnten gewöhnliche Frauen niemals schön sein, egal welche Attribute sie ansonsten auch aufwiesen. Dies zeigt sich bereits an den Schönheitsidealen des mittelalterlichen Gesichts. Die schöne Frau hatte graue Augen, weiße Haut und Zähne (die sich entgegen dem Klischee dank mangelnder die Zähne angreifender Nahrungsmittel durch Zähne putzen tatsächlich erreichen ließen), blonde Haare, hohe Stirn, volle Lippen und schwarze Augenbrauen. Dieses Ideal war reichlich spezifisch und offensichtlich europäisch geprägt; zudem war es nur durch solche Frauen zu erreichen, die nicht den Elementen ausgesetzt waren, die weiße Haut schnell verunmöglichen.

Auch mittelalterliche Beschreibung des restlichen Körpers sind, wie mittelalterliche Literatur generell, stark formalisiert. Es ist gewissermaßen ein Malen nach Zahlen, dem praktisch alle Autoren folgen und das den (literarischen) Blick von oben nach unten gleiten lässt: Von den Haaren zur Stirn und den Augenbrauen zu den Augen, der Nase und den Lippen, den Wangen, dem Hals über die Schultern, Arme und Hände, von dort zu den Brüsten, der Taille und dem Bauch, ehe Beine und Füße den Abschluss bildeten. Dabei wiederholte sich immer das gleiche Muster: weiße und weiche (!) Haut (wie sie nur wohlhabende Fraue haben konnten), kleine und runde Brüste (ganz im Gegensatz zu unserem heutigen Ideal; diese ließen sich nur durch den Einsatz von Ammen erreichen, so dass wohlhabende Frauen ihre Brüste schnell abbinden konnten, damit diese nicht durch Säugen größer wurden), kleine Füße (äußerst unpraktisch bei jeglicher Arbeit), dicker Bauch (ebenfalls in deutlichem Gegensatz zu heute), dicke Schenkel - es ist offenkundig, dass diesen Merkmalen nur reiche Frauen entsprechen konnten.

Diese Ideale finden sich auch in zahlreichen bildliche Darstellungen, vor allem in solchen der biblischen Eva. Das erlaubte es den Künstlern auch, nackte Frauen zu zeichnen. Die Ubiquität dieser Darstellungen muss auf Kirchenbesucher einen erotisierenden Effekt gehabt haben; die Bilderstürmerei der Protestanten jedenfalls wurde von ihnen explizit damit begründet, dass Männer in der Kirche ständig sexuell erregt würden.

Dem mittelalterlichen Schönheitsideal war aber auch Sauberkeit sehr wichtig. Das Klischee ist ja, dass die Menschen ständig schmutzig waren. Das allerdings ist nicht korrekt, vielmehr gehörte tägliches Waschen genau wie heute zum Alltag. Nur konnten allein reiche Frauen diese Sauberkeit einigermaßen über den Tag retten. Sauber zu sein galt als rein und nahe am göttlichen Zustand.

All diese Schönheitsideale mussten aber unbedingt auf "natürliche" Weise erreicht werden. Frauen durften keinesfalls wirken, als würden sie sich um ihre Schönheit kümmern; eine Aura der Ignoranz gegenüber dem Thema gehörte zum guten Ton. Makeup oder Färben der Haare war generell des Teufels und eine große Sünde, wie an der biblischen Geschichte von Jezebel deutlich wird, die weniger wegen ihres Mordens, sondern wegen ihres Eyeliners unter die großen Sünderinnen der Apokalypse eingereiht wurde. Nur minimal weniger verächtlich war Parfüm, das nur so erlaubt war, dass es ausschließlich der eigene Ehemann riechen konnte (um so andere nicht in Versuchung zu führen). Körperbehaarung indessen galt als Ausdruck von zu viel Körpersäften und Unreinheit, weswegen sie geradezu verwerflich waren. Gleichzeitig galt aber - Natürlichkeit, wir erinnern uns - ein hartes Verbot, sie auszuzupfen oder zu rasieren.

Bei der Kleidung bestand ein Dilemma. Sie waren einerseits Statusmarker des Adels, mit dem sie sich auch von reichen Bürgersfrauen abheben konnten (und waren daher zur Aufrechterhaltung der sozialen Ordnung notwendig), andererseits war aber das Tragen schöner Kleidung zur Darstellung von Schönheit sündig. Die Kleidungsverbote hatten so die wichtige Funktion, wohlhabenden gewöhnlichen Frauen zu verunmöglichen, die Schönheitsstandards des Adels zu erreichen (und die selbsterfüllende Prophezeiung von reich/mächtig=schön damit Wirklichkeit werden zu lassen).

Es ist offensichtlich, dass damals wie heute die Schönheitsideale extrem heuchlerisch waren, weil sie Frauen für das Verfehlen eines Standards bestraften, ihn zu erreichen aber verboten.

Kapitel 3, "How to love", befasst sich mit Sex. Erneut beginnt Janega in der Ideengeschichte. Schließlich mussten die mittelalterlichen Autoren die Nacktheit Adams und Evas (vor allem Letzterer), die sie so gerne zeichneten, irgendwie erklären und einordnen. In der mittelalterlichen Theologie hatten Adam und Eva zwar Sex, empfanden dabei aber keine Lust - es war eine körperliche Funktion, die sie an- und ausschalten konnten wie alle anderen auch, weswegen sie auch keine Scham empfanden. Das Essen der Frucht vom Baum der Erkenntnis sorgte also dafür, dass sie Lust empfanden (und Scham), was ihren Ausschluss aus dem "reinen" Paradies bedeutete.

Sex war für Menschen im Mittelalter daher grundsätzlich in Ordnung, so er denn der Fortpflanzung diente und im Sakrament der Ehe eingehegt war. Dieses war anfangs auch noch kein Hinderungsgrund für das Priesteramt; erst ab 1123 wurde ein "hartes" Zölibat eingeführt, das auch vor der Priesterweihe verheirateten Menschen dieselbe verwehrte. Damit einher ging eine zunehmende Betonung der Enthalsamkeit als erstrebsamem Ideal: wer seine Reinheit dadurch bewahrte, keinen Sex zu haben, war besonders nahe an Gott. Alle anderen mussten notgedrungen kopulieren, um den Erhalt der Menschheit sicher zu stellen, was Gott in seiner Weisheit so gefügt hatte.

Für die Durchführung war ausschließlich die Missionarsstellung geeignet, da sie männlich dominant war und die "natürliche" Ordnung der Dinge wiederspiegelte. Jede andere Haltung war sündig, etwa der Doggy-Style, über dessen Sündigkeit sich die mittelalterlichen Quellen in erklecklichem Detail ausließen. Noch sündiger waren sexuelle Handlungen, die in keiner Fortpflanzung resultieren konnten; von Petting über Küsse zu Onanieren und Reiben und Oralsex war alles verboten und wurde unter dem Catch-all-Begriff der "Sodomie" gefasst.

Für die Theologen galten Frauen anders als Männer auch als besonders lustvoll, weil ihre Säfte und ihr kalter Zustand sie nach der trockenen Hitze des Samens dursten ließen und dieser Durst nie gestillt werden könne; anders als Männer seien sie außerdem schlicht zu dumm, den sexuellen Akt in seiner gottgewollten Glorie zu begreifen und blieben wie Kinder immer passiv und auf der Suche nach mehr. Sie würden quasi als "faules" Element zu dem "reinen" Element des Penis gezogen. Der Sexualakt ging in der mittelalterlichen Vorstellung also von den unersättlichen Frauen aus.

Dem Orgasmus kam dabei eine überraschend wichtige Rolle zu, weil in der Überzeugung der Zeitgenoss*innen galt, dass ohne ihn keine Empfängnis möglich sei. Anders als etwa in der Antike mussten BEIDE Partner Lust empfinden und zum Höhepunkt kommen. Es war die Aufgabe des Mannes, ihn zu empfinden (also selbst fähig zu sein) und ihn bei der Frau herbeizuführen, und zwar ausschließlich vaginal (weil alles andere ja bedeuten würde, dass Sex auch Spaß macht, und das war wiederum supekt). Bevor man sich aber zu sehr über dieses scheinbar progressive Element freut: es hatte den nicht unerheblichen Nachteil, dass man davon ausging, dass Vergewaltigungen oder Prostitution ohne Schwangerschaft ausgingen, wenn Frauen es nicht genießen würden - und da wir heute wissen, wie die Natur funktioniert, können wir uns die Folgen dieses Irrtums sehr gut ausmalen.

Ein Organ, das die Denker des Mittelalters nachhaltig verwirrte und faszinierte, war die Klitoris. Da Gott ja unmöglich etwas geschaffen haben konnte, das ausschließlich der Freude an der Sexualität diente, es aber keine erkennbare Funktion hatte, gab es den Menschen Rätsel auf. Ihre Stimulierung während des Vaginalverkehrs war zwar grundsätzlich etwas anrüchig (weil der Mann die Frau nicht aus eigener Penis-Vollkommenheit zum Orgasmus bringen konnte), aber erlaubt. Da sie ebenfalls mit Blut gefüllt und gehärtet werden konnte, einigte man sich schließlich darauf, sie als weibliches Gegenstück zum Penis zu sehen, was angesichts des Größenunterschieds (für gewöhnlich, wie Janega trocken hinzufügt) Sinn zu machen schien.

Auch zum Zeitpunkt des Geschlechtsverkehrts hatte das Mittelalter Antworten. Während der Menstruation oder der Schwangerschaft Sex zu haben war absolut verwerflich, weil keine Schwangerschaft resultieren konnte. Zudem war klar, dass während der Menstruation eine enorme Gefahr bestand, sich dabei Lepra holen, die gefürchtetste Krankheit des Mittelalters, die natürlich aus einem Ungleichgewicht der Säfte resultierte (das während der Menstruation am höchsten war) und in Frauen entstand (natürlich) und daher beim Sexualakt übertragen werden konnte. Prostituierte waren dagegen immun, sofern sie nicht verbotenerweise Spaß am Sex gehabt hatten; eine leprakranke Prostituierte war also eindeutig überführt. Außerdem verpönt war Sex an Mittwoch oder Freitag, abgeraten wurde vom Samstag, damit man sich auf den heiligen und selbstverständlich sexfreien Sonntag vorbereiten konnte. Wenn dann alle Sterne richtig standen, wurde der Geschlechtsakt weitgehend bekleidet und in völliger Dunkelheit durchgeführt, damit man möglichst wenig voneinander sah (und andere auch; Privatsphäre war im Mittelalter nur wenigen zugänglich).

All diese Regeln bedeuteten übrigens auch, dass Frauen in den Wechseljahren in höchstem Maße suspekt waren, weil ihre Säfte nicht mehr abfließen konnten. Man sagte ihnen nach, dass die auflaufenden Gifte ausreichten, dass sie mit einem Blick töten konnten. Sex mit einer Frau in den Wechseljahren war in höchstem Maße unnatürlich und hochgradig gefährlich.

In Kapitel 4, "How to be", beschäftigt sich Janega dann mit der Rolle der Arbeit. Frauen arbeiteten viel: ihre ihnen zugeschriebenen Rollen als Mutter und Hausfrau bedeuteten auch im Mittelalter schwere Arbeit, und damals wie heute war diese Arbeit unsichtbar und wenig als solche anerkannt. Das Machen und Halten des Feuers, Zubereiten von Nahrung, Waschen, Organisieren des Haushalts und vieles mehr war absolut erschöpfendes Tagwerk - das aber, ebenfalls damals wie heute, nur ergänzend zu anderer Arbeit in allen möglichen Berufen stand, denn Janega macht von Beginn an klar, dass die Trennung von häuslicher und beruflicher Sphäre eine Erfindung der bürgerlichen Neuzeit ist.

Wenig überraschend arbeiteten die allermeisten Frauen als Bäuerinnen, weil die meisten Menschen der Zeit in der Landwirtschaft tätig waren. Sie arbeiteten hier neben Aussaat, Einbringung und Ernte vor allem mit den kleineren Tieren wie Hühnern (da diese geringeres Prestige besaßen als die großen Tiere, mit denen die Männer arbeiteten). Grundsätzlich konnten sie genauso wie Männer erben, allerdings nur, wenn keine männlichen Erben verfügbar waren. Dies führte dazu, dass etwa ein Viertel der Höfe in weiblichem Besitz war (häufig von verwitweten Frauen) und auch eigenständig verwaltetet wurde. Es ist generell spannend, dass Frauen im Mittelalter durchaus eigenen Besitz hatten, der vom Mann losgelöst war; dazu gehörte auch die Aussteuer, die im Falle einer Trennung (üblicherweise durch Tod des Mannes) auch an die Frau zurückfiel.

Neben der Landwirtschaft arbeiteten Frauen aber auch in den meisten anderen Berufen, meist neben ihren Männern, die diesen Beruf ausübten (und ausgebildet von ihren Eltern, die ihn bereits auch erlernt hatten; Heiraten fanden meist innerhalb desselben Berufsstands statt). Sie konnten als Witwen und Erbinnen auch in die Zünfte gelangen, wo sie als passiv gleichberechtigte Mitglieder wirken konnten - jedenfalls bis zur Heirat, von welchem Zeitpunkt an diese Rechte an den Ehemann übergingen. Dies machte solcherart ausgestattete Frauen zu ungemein attraktiven Partnerinnen und erstklassigen Kandidatinnen auf dem Heiratsmarkt, ein Vehikel des sozialen Aufstiegs.

Einige Berufe waren besonders weiblich geprägt. Dazu gehörten etwa die Bräuerinnen, die Bier herstellten. Dieses war das alkoholische Getränk der Masse (Wein war ein Elitengetränk) und damals noch kaum haltbar, so dass beständig neues gebraut werden musste. In den Brauereien das Wasser zu kochen und zu schleppen war eine typische Frauenarbeit, die auch recht gefährlich war und zu furchtbaren Unfällen führen konnte. Der Textilbereich war gleichfalls eine weibliche Domäne; das allgegenwärtige Spinnen wurde vor allem in Hausarbeit erledigt. Zudem waren Frauen in allen Arten von Dienstberufen überrepräsentiert, die natürlich ein entsprechend geringes Prestige hatten. In der Medizin arbeiteten Frauen vor allem als Hebammen und in Hilfspositionen, da ihnen das medizinische Studium ebenso wie die entsprechenden Ausbildungshänge verwehrt waren.

Ein größerer Abschnitt ist der Sexarbeit gewidmet. Sie war als normal akzeptierte Arbeit gesehen und nicht illegal oder grundsätzlich anrüchig, weil man ihre Notwendigkeit anerkannte (für unverheiratete Männer die einzige Möglichkeit, ihre überschüssige Hitze abzubauen und die Körpersäfte im Gleichgewicht zu halten). Trotz des gesetzlichen Schutzes, den sie anders als in anderen Epochen genossen, waren die Prostituierten aber sozial ausgegrenzt, da Sexualität außerhalb der Ehe grundsätzlich suspekt war und mussten sich durch spezifische Kleidung ausweisen. Die Normalität des Gewerbes zeigt sich aber darin, dass immer wieder Frauen in den Beruf gezwungen werden konnten, weil die Rechtsprechung ihn als normale Tätigkeit klassifizierte. Der Ausstieg aus der Prostitution war gängig und geschah vor allem durch Buße, welche üblicherweise in einer Heirat bestand. Männern wurde für das sozial erwünschte Heiraten der Prostituierten oft weltliche und geistliche Vergünstigung gewährt, da die Frauen dadurch wieder unter die ebenso gesellschaftlich erwünschte Kontrolle der Männer kamen - unabhängige Frauen mit eigenem Einkommen waren den Zeitgenossen höchst suspekt.

Auch viel religiöse Arbeit wurde von Frauen geleistet. Hier waren reiche Frauen überrepräsentiert, da eigentlich nur ihnen die Klöster offenstanden (wegen der hohen Eintrittskosten). Sie waren dort allerdings klar auf untergeordnete Rollen festgelegt; Frauen waren keine eigenständigen Theologinnen, da dies als gefährlich gesehen wurde. Sie seien schlicht zu zu dumm, um Häresie erkennen zu können, und waren deswegen dafür besonders anfällig.

Die uns bekannteste Frauenarbeit ist die als Herrscherinnen. Adelige Frauen arbeiteteten auch, outsourceten aber schwere körperliche Arbeit an Bedienstete. Stattdessen waren sie viel mit Verwaltung und Diplomatie beschäftigt. Als "Ladies in Waiting", die höhergestellte Adelige umgaben und für diese Botendienste, Beratung und Vermittlung übernahmen, konnten sie auch recht alt sein - Herrscherinnen brauchten auch erfahrene Gehilfinnen und wollten sensible Themen nicht unbedingt 17jährigen Teenagerinnen anvertrauen. Am arbeitsreichsten war der "Job" der Königin, der zusätzlich die entscheidende Rolle zukam, dem König gesichtswahrende Revision zu erlauben, indem sie öffentlich für irgendjemanden bat und so dem König erlaubte, vorherige übereilte Entscheidungen zurückzunehmen.

Ab Abschluss steht Kapitel 5, "Why it matters". Die Frage, warum die Beschäftigung mit dem Mittelalter heute noch irgendwie relevant ist, wabert in dem Bereich ja immer mit, und Janega nennt das relevanteste Argument auch gleich zuerst: weil es dem Erkenntnisgewinn dient und spannend ist. Nicht alle geschichtliche Forschung muss unmittelbar für uns relevant sein. Aber Janega ist natürlich auch der Überzeugung, dass sehr wohl große Relevanz für uns heute bestehe.

Die Ideen von der Unterlegenheit der Frau wurden schließlich von der Antike über das Mittelalter bis in Neuzeit hinein immer wieder übernommen und rezipiert. Wir stehen bis heute, auch wenn wir es uns häufig nicht bewusst machen, in dieser Tradition. Ebenfalls bis heute ein Dauerschema ist die Unsichtbarkeit von Frauen, besonders im Beruf. Frauenarbeit wird systematisch geringgeschätzt und ignoriert, ob es sich um Haus- und Carearbeit dreht oder um Berufe, die überwiegend weiblich geprägt sind. Ihr Prestige ist immer geringer als das von männlichen Berufen.

Die untergeordnete Stellung von Frauen ist ebenfalls eine, die sich lange über das Mittelalter hinaus erhalten hat. Zwar änderten sich die Rechtfertigungen dafür - anstatt eine gottgewollte Ordnung anzunehmen, begannen die Aufklärer, natürlich-biologische Gründe für die Unterlegenheit von Frauen zu suchen, eine Tendenz, die sich bis heute in der Vorstellung findet, Frauen neigten "natürlicherweise" zu schlecht bezahlten Berufen und Hausarbeit. Aber das grundsätzliche Schema blieb bestehen.

Ebenfalls relevant ist die Wandelbarkeit von Schönheitsidealen. Wer auch immer behauptet, dass Attraktivitätsmerkmale irgendwie biologisch determiniert seien, kann sich durch das Mittelalter eines Besseren belehrt sehen. Schönheitsideale sind sozial konstruiert und unterliegen einem permanenten Wandel, und es sei immer wieder sinnvoll, sich dies vor Augen zu führen. Dasselbe gelte für die Rolle der Sexualität. Das in diesem Zusammenhang wohl wichtigste Element des Buchs ist die Erkenntnis, dass im Mittelalter den Frauen unersättliche Lust zugeschrieben wurde, während die Männer eigentlich gar kein großes Interesse an Sex hätten. Heute wird das genaue Gegenteil behauptet und die Theorie verbreitet, dass Frauen natürlich monogam und eher wenig an Sex interessiert seien, während Männer gerne als unersättliche Sexmonster, die sich kaum unter Kontrolle haben, dargestellt werden. In beiden Fällen wird jeweils die natürliche Ordnung der Dinge bemüht, um die Ideologie zu verbrämen.

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Ich empfand die Lektüre des Buchs insgesamt als vergnüglich. Seine überschaubare Länge und vor allem Janegas flotter Schreibstil mit einer feinen, trockenen Ironie, der es immer gelingt, die Balance zu halten und weder in die leider verbreitete Arroganz der Nachgeborenen über die Vergangenheit abzurutschen noch in einen predigenden Tonfall zu verfallen, sondern die Erkenntnisse der Forschung in einer nachvollziehbaren und cleveren Struktur aufzubereiten, tragen maßgeblich zum Lesevergnügen bei. Einzig im letzten Kapitel ist etwas Kritik angebracht, denn hier beginnt die intellektuelle Konsistenz etwas zugunsten Janegas progressiver Agenda ins Wanken zu geraten.

Ob Kontinuität oder Bruch mit mittelalterlichen Ideen, irgendwie zeigt uns alles, dass Frauen heute immer noch in einer problematischen Situation sind, was irgendwie manchmal aufs Mittelalter zurückzuführen ist und manchmal auch nicht, was entweder das Reaktionäre dieser Ideen heute zeigt oder dass das Mittelalter eigentlich viel weiter war, als es das Klischee üblicherweise vermuten lässt - ich empfand das letzte Kapitel als reichlich inkohärent, und das Buch wäre vermutlich besser bedient gewesen, hätte Janega es weggelassen und das Ziehen von Schlussfolgerungen den Lesenden überlassen. Aber es ist ein kurzes Kapitel, weswegen das nicht allzu negativ ins Gewicht fällt, und die intellektuelle Ehrlichkeit des Rests ist überzeugend genug.

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