Joanne K. Rowling - Harry Potter and the Philosopher's Stone (Hörbuch) (Harry Potter und der Stein der Weisen (Hörbuch))

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Leute glauben mir das gerne nicht, aber ich habe bisher noch nie Harry Potter gelesen. Ich kenne auch, abgesehen vom ersten, die Filme nicht. Der komplette Hype ist damals an mir vorbeigegangen und ich bin danach nie aufgesprungen. Die Bücher waren seither irgendwo in der Mitte des ständigen To-Read-Stapels, aber irgendwie waren andere Bücher immer wichtiger. Da ich auf der Suche nach einem leicht verdaulichen Hörbuch war, habe ich mich entschlossen, die Bildungslücke endlich zu füllen. Außerdem ist das englische Hörbuch von Stephen Fry gelesen, da weiß man ja, dass man Qualität bekommt. Deswegen erfolgt nun hier eine Erstleser-Rezension zu einem der meistgelesenen Bücher seit der Bibel, das vermutlich alle, die die Rezension lesen, bereits kennen. Ich werde trotzdem so tun, als hätte ich irgendwelche Dinge zu dem Roman zu sagen, die nicht bereits zehntausendfach anderswo besser analysiert wurden.

In der Nacht vom 1. auf den 2. November erscheinen ein geheimnisvoller, älterer Zauberer namens Albus Dumbledore, die Hexe Minerva McGonagall sowie der riesenhafte Rubeus Hagrid, der auf einem fliegenden Motorrad ein kleines Bündel mit sich führt. Sie treffen sich vor dem Haus der Familie Dursley in der Ligusterweg 4 im englischen Surrey. Dort legen sie ein in Leinentücher gewickeltes Baby vor die Haustür – den verwaisten Harry Potter. Der dunkle Magier Lord Voldemort hatte am Abend zuvor Harrys Eltern, Lily und James Potter, ermordet. Als er dann versuchte, den 15 Monate alten Harry ebenfalls zu töten, fiel der tödliche Fluch auf ihn selbst zurück, zerstörte seinen Körper und ließ Harry mit einer blitzförmigen Narbe auf der Stirn zurück.

Harry wächst in der spießigen Familie seiner Tante Petunia, ihrem Mann Vernon und dem verwöhnten Cousin Dudley auf. Schon früh wird klar, dass er anders ist, denn immer wieder geschehen merkwürdige Dinge um ihn herum. Die Dursleys behandeln ihn schlecht: Er muss in einem Schrank unter der Treppe schlafen und wird von Dudley schikaniert. Tante Petunia überschüttet ihren Sohn mit Aufmerksamkeit, während Harry ohne Freunde und wie ein Hausdiener lebt.

Kurz vor Harrys elftem Geburtstag in den Sommerferien erhält er einen Brief aus der „Schule für Hexerei und Zauberei“ namens Hogwarts. Onkel Vernon und Tante Petunia versuchen mit allen Mitteln zu verhindern, dass Harry den Brief liest. Doch täglich treffen mehr Briefe ein, sodass die Familie in Panik flieht und sich in einer Hütte auf einer kleinen Insel versteckt. Dort taucht Hagrid auf, bringt Harry einen Geburtstagskuchen und überreicht ihm das Einladungsschreiben für Hogwarts. Die Dursleys, als „Muggel“ ohne Zauberkräfte, haben Harry absichtlich in Unwissenheit über seine Eltern und deren Tod gelassen. Erst durch Hagrids Eingreifen erfährt Harry endlich die Wahrheit.

Hagrid, der sich als Wildhüter und Schlüsselbewahrer von Hogwarts vorstellt, führt Harry in die Winkelgasse, das Einkaufsviertel der Zauberer. Dort besuchen sie zunächst die Zaubererbank Gringotts, wo Harry vom Erbe seiner Eltern erfährt. Anschließend kauft er seine Schulausrüstung, darunter ein Zauberstab, ein Kessel und magische Bücher. Hagrid schenkt ihm eine Schneeeule namens Hedwig und gibt ihm eine Fahrkarte für den Hogwarts-Express, der am 1. September vom Gleis 9¾ in London abfährt. Auf der Zugfahrt lernt Harry den freundlichen Ron Weasley und die kluge Hermine Granger kennen, die bald seine engsten Freunde werden. Auch begegnet er dem arroganten Draco Malfoy, der von Crabbe und Goyle begleitet wird. In Hogwarts trifft Harry auf Professor Snape, der ihn aus unbekannten Gründen nicht leiden kann. Professor McGonagall lehrt Verwandlung und ist streng, aber gerecht. Der Unterricht in Kräuterkunde findet in einem Gewächshaus mit magischen Pflanzen statt.

Das Internat ist in einem alten Schloss in Schottland untergebracht, das auf einem Berg am Rande eines großen Sees liegt. Bei der Begrüßungsfeier werden die neuen Schüler von einem sprechenden Hut den vier Häusern Gryffindor, Hufflepuff, Ravenclaw und Slytherin zugeteilt, die nach den Gründern benannt sind und eine Art Familie für die Schüler bilden. Harry kommt wie Ron und Hermine nach Gryffindor. Schulleiter Dumbledore erinnert in seiner Rede an die Schulregeln: Das Zaubern auf den Gängen ist verboten, bestimmte Bereiche des Schlosses und der verbotene Wald sind tabu. Für die Einhaltung sorgen Hausmeister Argus Filch und seine Katze Mrs. Norris.

Harrys Abenteuer beginnen, als er und seine Freunde auf der Flucht vor Filch einen dreiköpfigen Hund namens Fluffy entdecken, der offenbar etwas Wertvolles bewacht. Nachforschungen ergeben, dass es sich um den Stein der Weisen handelt, den Dumbledore in der Schule versteckt hat, um ihn vor Dieben zu schützen. Der Stein verleiht Unsterblichkeit und wurde zuvor beinahe aus Gringotts gestohlen.

In Hogwarts wird Quidditch gespielt, eine Sportart auf fliegenden Besen. Harry wird als Naturtalent erkannt und ins Gryffindor-Team aufgenommen. Bei seinem ersten Spiel wird sein Besen verhext, was ihn fast zu Fall bringt. Harry verdächtigt Professor Snape, im Auftrag von Voldemort zu handeln, um den Stein der Weisen zu stehlen.

Zu Weihnachten erhält Harry einen Tarnumhang, der ihn unsichtbar macht. Unter diesem Umhang entdeckt er den Spiegel Nerhegeb, der ihm seine Eltern zeigt. Hagrid zieht heimlich einen kleinen Drachen namens Norbert groß, den Harrys Freunde nach Rumänien bringen, um Ärger zu vermeiden. Trotzdem glaubt Harry immer stärker, dass Snape den Stein für Voldemort stehlen will.

Schließlich brechen Harry, Ron und Hermine auf, um den Stein vor dem Diebstahl zu retten. Sie überwinden Fluffy, entkommen einer Teufelsschlinge, fangen einen fliegenden Schlüssel und bestehen ein Riesenschachspiel, bei dem Ron sich opfert. Hermine löst ein Rätsel mit Zaubertränken und bleibt zurück.

Harry erreicht den Spiegel Nerhegeb und trifft dort nicht Snape, sondern Professor Quirrell, der in Wahrheit für Voldemort arbeitet. Voldemort hat Quirrells Körper übernommen und erscheint als Gesicht auf dessen Hinterkopf. Durch den Spiegel erhält Harry den Stein, ohne es zu merken. Quirrell versucht, ihn an sich zu bringen, doch Harrys Berührung verursacht ihm Schmerzen. Schließlich besiegt Harry Quirrell und verliert das Bewusstsein.

Im Krankenflügel erfährt Harry von Dumbledore, dass seine Mutter ihn durch ihr Opfer vor Voldemort geschützt hat. Dumbledore hatte ihm den Tarnumhang geschickt und erklärt, dass Snape Harrys Vater einst etwas schuldet. Der Stein der Weisen wird zerstört, um Voldemort daran zu hindern, ihn jemals zu nutzen. Am Schuljahresende gewinnt Gryffindor den Hauspokal, und Harry kehrt für die Ferien zu den Dursleys zurück, wissend, dass er nun Teil einer größeren Welt ist.

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Ich habe ja bereits in der Einleitung darauf hingewiesen, dass die Besprechung eines solchen Klassikers nicht ganz einfach ist, vor allem, wenn man eher unbeleckt und spät hinzukommt. Ich will das Relevanteste gleich direkt ansprechen: wirklich gepackt hat mich das Buch nicht. Das ist aber auch kein Wunder. Man hört ja (da ist das späte Hinzukommen ein Vorteil), dass der erste Band sich an Kinder richtet und die Serie quasi "mitwächst".

Diese Wurzeln von "Harry Potter" als Kinderbuch sind in der Struktur auch überdeutlich zu sehen. Die einzelnen Kapitel mit ihren Zeitsprüngen folgen nicht wirklich einem dramaturgischen Aufbau, sondern stehen eher als einzelne Episoden für sich. Auf diese Art entsteht kein echter Spannungsbogen, sondern eher lauter kleine, interne Spannungsbögen in jedem Kapitel - was auch absolut Sinn macht, wenn man die seinen Kindern in verdaulichen Happen von etwa einer halben Stunde vor dem Zubettgehen vorlesen oder es sie in der Bettgehzeit selbst lesen lassen möchte.

Auch folgt die Handlung einer klaren Kinderlogik. Ich bin gespannt, inwiefern das in späteren Bänden noch zu Konsistenzproblemen beim Worldbuilding führt, aber man muss schon deutlich sagen, dass die Welt von "Harry Potter", wie sie hier präsentiert wird, nur sehr eingeschränkt Sinn macht und vor allem als kindliche Märchenwelt verstanden werden muss. Dazu gehört auch die Figurenzeichnung selbst; die Geschichte ist voller "adults are useless"-Tropes, in denen die Erwachsenen haarsträubende Handlungen begehen oder unterlassen, die überhaupt erst den Möglichkeitsspielraum der Kinder eröffnen und in denen so etwas wie eine staatliche Verwaltung oder Sicherheit, die Kontrollen durchführen würde, nicht existiert. Man darf annehmen, dass solche profanen Probleme weggezaubert werden.

Auch in der Gestaltung der Welt werden diese märchenhaften Wurzeln offenkundig. Die Figuren tragen ungeheuer sprechende Namen; ich meine, Draco Malfoy aus dem Haus Slytherin? Vielleicht war der künftige Lebensweg eines Voldemort aus Slytherin auch schon vorgezeichnet. Das kontrastiert mit der britischen Bodenständigkeit von Ron, Fred, George und Harry, wenngleich einige eher ungewöhnliche Namen wie Hermione hineingesprenkelt werden, die der Mary-Poppins-Atmosphäre der 1950er Jahre, die die Geschichte durchwebt, zuträglich sind.

Strukturell hat für mich besonders der Einstieg des Romans nicht funktioniert. Ich empfinde Harrys Geschichte bei den Dursleys als wesentlich zu lange und wenig zu seiner Charakterisierung oder der Handlung beitragend. Die Dursleys sind so absurd böse, so grotesk überzeichnet, dass sie kaum ernstzunehmen sind. Bereits hier wird die Märchenlogik der Handlung deutlich erkennbar. Auch ging mir die Gary-Stu-Natur Harry Potters deutlich auf die Nerven; die ständige Betonung seines Auserwähltenstatus' ermüdete rasch.

Das für mich störendste Element der Handlung - das aber gleichzeitig natürlich einen großen Teil des Charmes ausmacht, besonders wenn man dazu die Stimme von Stephen Fry im Ohr hat - ist die sehr britische Internatskultur, die hier fantastisch überzeichnet in Hogwarts repliziert wird. Ich glaube, es existiert keine so dysfunktionale Schule irgendwo wie Hogwarts. Gefahr für Leib und Leben, geradezu absurde Strafen (nächtliche Hilfsarbeiten in einem von gefährlichen Kreaturen wimmelnden Wald für Erstklässler), vor allem aber die absolut toxischen Sozialstrukturen fallen auf. Die Idee der Herausbildung der "Häuser"-Identität und ihres harten Wettkampfs gegeneinander kann kaum zu etwas anderem als gegenseitigem Mobbing führen, von den völlig arbiträren Punktewertungen, in denen die Lehrkräfte grotesk unfair und parteiisch eingreifen, einmal abgesehen.

Dass es vielleicht nicht der beste Plan ist, alle ambitionierten und soziopathischen Schüler*innen in ein Haus zusammenzufassen und ihre niedersten Instinkte zu fördern, kommt auch niemandem in den Sinn. Wen wundert da, dass dunkle Magier wie Grindelwald oder Voldemort auftauchen? Wenn das alles nicht ziemlich reale Elemente britischer Schulkultur wenigstens an den "Eliteschulen" wären, könnte man das ja alles als Fantasie abtun. Ich habe aber nicht das Gefühl, dass Rowling das kritisiert. Auch die elitistische Sicht auf die "Muggles", also Nichtmagier, ist kein Ruhmesblatt der Handlung.

Als biografische Seitenbemerkung sei gestattet, dass es auch auffällig ist, dass Harrys Hintergrund einer der unverschuldeten Armut ist, aus der er souverän emporsteigt, und dass sein größter innerschulischer Gegner, Draco Malfoy, aus elitärem Hause stammt. Eine Gleichsetzung von Slytherin mit Eton und Co ist nicht unbedingt weit hergeholt. Rowlings Handlung ist aber nicht die eines Aufbrechens dieser Strukturen, sondern einer Teilhabe: Harry Potter ist einfach so gut, dass er aus niederer Herkunft in den Kreis der Elite aufsteigt.

Das alles ist natürlich zu guten Teilen ein etwas unfairer Maßstab, der hier eher an ein riesiges Phänomen angelegt wird. Ich habe den Vorteil und Nachteil zu wissen, dass der Romanzyklus aus sieben Bänden besteht und eine wesentlich größere Dimension annehmen wird; würde man den Roman einfach nur auf Basis seiner selbst besprechen, blieben die Kritikpunkte zwar grundsätzlich bestehen, aber man könnte viel davon einfach mit "ist eben ein Kinderbuch" und dem Verweis, dass ich nicht die Zielgruppe bin, beiseite wischen. Aber als lesende Person ist man eben immer Teil der eigenen Realität und Erfahrungen und wertet aus diesen heraus. Deswegen will ich auch niemanden den Spaß an Harry Potter verderben. Ich denke, ich werde schon weiter lesen. Vermutlich komme ich einfach wesentlich zu spät.

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