Als katholisch sozialisierter Agnostiker hat sich lange etwas gesträubt bei mir, wenn Worte fielen wie 'Kinder****erverein' oder ähnliches. Zwar konnte ich mit dem Spirituellen nie viel anfangen, doch habe ich auch viele positive Aspekte kirchlichen Lebens kennengelernt. Mich kaum je beengt gefühlt, und unsittlich berührt wurde ich auch nie. Schade auch um all diejenigen, die dort immer noch mit Herzblut und Überzeugung arbeiten, nicht selten für niedrige Löhne. Ein nicht verknöchertes, am Religionsstifter orientiertes christliches Menschenbild ist ja nicht das allerschlechteste von allen.
Meine Erfahrungen sind natürlich nicht repräsentativ. Und auch wohl eine Generationenfrage. Mein Vater wurde vom Pfarrer einst noch regelmäßig geohrfeigt, wenn er etwa ein Kreuzzeichen nicht hundertprozentig rechtwinklig vollführt hatte ('Blasphemie!'). Gab er zu Hause dann eine ehrliche Antwort auf die Frage, wieso er eine dicke Backe habe, dann bekam er gleich noch eine geballert. Weil er einen gesalbten Abgesandten Gottes verunglimpft hatte ('Verleumdung!' - wer hier einen Kern für aktuelle Probleme findet, darf ihn behalten). Es sind schon Kinderseelen unter weit geringeren Belastungen zerbrochen.
Wenn man sich vergegenwärtigt, mit welcher Selbstverständlichkeit hierzulande nicht gewählte Kirchenmänner in diversen politischen Gremien am Tisch saßen und sitzen, mit der nicht nur die römische Zentrale, sondern auch etliche Bischöfe Abermillionen Gläubigen auf der Welt in die Schlafzimmer hineinregiert, vorehelichen Geschlechtsverkehr teils zur Todsünde aufgeblasen hat.
Jede Form von Empfängnisverhütung als Teufelswerk und Eingriff in den großen Plan Gottes geschmäht hat, den man natürlich genau zu kennen für sich in Anspruch nahm und nimmt (seltsamerweise war es offenbar kein unstatthafter Eingriff in Gottes Plan, einen Papst nach einem Attentat medizinisch zu versorgen).
Wie widerlich geschichtsvergessen Teile des Klerus die Entfernung noch des empfindungslosesten Zellklumpens aus einem Mutterleib mit dem Menschheitsverbrechen der Shoah gleichgesetzt, zum Tag der Unschuldigen Kinder die Glocken geläutet haben.
Gleichzeitig massiven, jahrelangen sexuellen Missbrauch von Priestern an Minderjährigen (und: vergessen wir das nicht, auch an Ordensschwestern) hingegen zu bloßen 'Verfehlungen' bagatellisiert hat, die mit einem Besuch im Beichtstuhl sich ausräumen ließen, und das alles von allerhöchster Stelle bzw. zumindest mit deren Wissen systematisch verschwiegen und vertuscht wurde.
-- Dann weiß ich auch nicht mehr, was ich noch sagen soll. Bedaure. Fisch stinkt vom Kopfe.
Man kann natürlich weitermachen. Etwa dabei, dass homosexuelle Priester, auch wenn sie noch so zölibatär leb(t)en, allein qua Neigung für ungeeignet erklärt wurden, ein Doppelleben führ(t)en und darüber in Gewissensnöte, Alkoholismus und Depressionen stürz(t)en, während Insidern immer bekannt war, dass in und um den Vatikan ein gar fröhliches homophiles Treiben herrscht(e), das die alten Römer wohl hätte erblassen lassen.
Und von dem, was historisch weiter zurück liegt, habe ich noch nicht einmal angefangen. Man muss da übrigens gar nicht mal so weit zurückgehen. Man kann etwa erwähnen, dass ein katholisches, bis in höchste Vatikanische Kreise reichendes Netzwerk Adolf Eichmann zur Flucht verhalf und Pius XII. 1949 alle Kommunisten exkommunizierte. Damit also auch jene Rotarmisten, die vor 76 Jahren, am 27. Januar 1945, das Höllenloch Auschwitz befreiten.
Wäre die katholische Kirche nicht die Katholische Kirche, sondern, eine Firma, eine Behörde, ein Verein, eine Partei etc. -- wohl jeder halbwegs professionelle Berater würde spätestens jetzt, da der jahrzehntelang zweitmächtigste, später dann mächtigste Mann und letzte Instanz dieser weltumspannenden Organisation indirekt einräumen musste, doch irgendwie von diversen Sauereien gewusst zu haben, sagen: Kommt, lasst gut sein! Hat keinen Sinn mehr. Dichtmachen, den Laden und mit neuem Personal unter neuem Namen und mit neuer Struktur völlig neu anfangen. Irgendwo ganz unauffällig, in der hinteren Ecke eines Gewerbegebiets. Auf eigene Kosten.
Geht aber leider nicht, denn die Katholische Kirche ist keine Firma, keine Behörde, kein Verein, keine Partei etc., sondern nach eigenem Selbstverständnis auf ewig die einzig wahre und vom Juniorchef persönlich beauftragte Lordsiegelbewahrerin des Wortes Gottes. Das macht die Sache natürlich ein wenig komplizierter. Wenn man kein Atheist ist.
Bringt man es über sich, einmal kurz hinwegzusehen über das ganze Leid, das geweihte Männer in ungezählten Fällen Kindern angetan haben, dann kann man ganz nüchtern folgendes festhalten:
Ein mahnendes Beispiel für das, was einem irgendwann unweigerlich um die Ohren fliegt, wenn man über einen sehr langen Zeitraum die Außenwirkung bzw. das Image seines Vereins einseitig über alles stellt ("Das Ansehen", das auf keinen Fall Schaden nehmen darf) und wenn man strukturelle Probleme, die jedem Außenstehenden irgendwann sonnenklar waren, wenn nicht sein mussten, konsequent zu bedauerlichen Einzelfällen herunterbagatellisiert, wenn sie dann ans Licht kommen.
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