Über 20 Jahre war Samoas Premierminister souverän an der Macht. Doch bei der Wahl im April lieferte er sich plötzlich ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit der Chefin der neu gegründeten Opposition. Seitdem zermürben Machtspiele das Land in der Südsee.
Samoas Wahlen lassen sich normal gut prognostizieren. Seit Jahrzehnten ähneln sich die Wahlergebnisse: Tuilaepa Sailele Malielegaoi ist seit 1998 Premierminister. Seine „Partei zum Schutz der Menschenrechte“ (HRPP) ist seit fast 40 Jahren an der Macht.
Demokratieverständnis ist in dem zwischen Neuseeland und Hawaii gelegenen Inselstaat ein anderes als in westlichen Ländern. Bis vor etwas über 20 Jahren durften nur Bürger wählen, die einen Häuptlingstitel trugen. Inzwischen herrscht zwar Wahlrecht für jeden über 21 Jahren, doch zur Wahl steht nach wie vor nur, wer einen Häuptlingstitel trägt. Meist sind das Männer – weswegen nur wenige Frauen im Parlament sitzen. Dies ist kein Einzelfall für die Region. Auch in den meisten anderen Pazifikstaaten ist die Politik den Männern vorbehalten. Die frühere Präsidentin der Marshallinseln, Hilda Heine, war bisher eine Ausnahme.
„Politisches Beben“
Anfang April geschah dann jedoch das bisher Unvorstellbare: Eine Frau, die 64-jährige Fiame Naomi Mata’afa, die früher selbst Mitglied der Regierungspartei war, bevor sie sich mit einer neuen Partei mit dem Namen Fast abgespalten hat, zog bei den Wahlen gleichauf. Ihre Partei gewann 25 der 51 Sitze im Parlament, 25 gingen an die HRPP und einer an einen Unabhängigen. Kerryn Baker, eine Pazifikexpertin der Australischen Nationaluniversität in Canberra, bezeichnete den Wahlausgang in einem Aufsatz gar als ein „politisches Beben“.
In den regionalen Medien wird Mata’afa als erfahrene Powerbrokerin mit Verbindungen zum Königshaus Samoas beschrieben, die durchaus das Zeug hätte, die Regierung des paradiesischen Inselstaates anzuführen. In der Vergangenheit hat sie bereits selbstbewusst am regionalen Schwergewicht Australien Kritik geübt. Außerdem engagiert sie sich im Kampf gegen den Klimawandel. Politische Erfahrung hat sie ausreichend – sie saß 36 Jahre lang im Parlament. Ihr Vater war zudem Samoas erster Premierminister, als das Land 1962 die Unabhängigkeit von Neuseeland erlangte. Einst war Samoa – von 1900 bis zum Beginn des Ersten Weltkrieges – auch einmal deutsche Kolonie gewesen.
Ein-Parteien-Demokratie
Dass die Wahl im April so knapp ausgehen und sich letztendlich ein Unabhängiger als Königsmacher wiederfinden würde, das hätte sich wohl kaum einer in Samoa ausgemalt. Wochenlang fieberte das Land, wem der Fraktionslose seine Stimme geben würde. Als er sich für die Fast-Partei entschied, schien Mata’afa der Sieg sicher. Doch Premierminister Malielegaoi kreierte kurzerhand noch einen neuen Sitz, der seiner eigenen Partei zufiel. Paradoxerweise berief er sich dabei auf die geringe Anzahl von Frauen im Parlament. Nachdem damit erneut Gleichstand herrschte, wurde inzwischen eine Neuwahl anberaumt.
Allein dieser Vorgang ist schwer mit dem westlichen Demokratieverständnis zu vereinen. Doch Malielegaoi ist Opposition ganz einfach nicht gewöhnt. Schließlich funktionierte Samoa über Jahrzehnte als „Demokratie” mit effektiv nur einer Partei. Mata’afa, die einst seine Stellvertreterin war, gab ihr Amt im letzten Jahr wegen Bedenken auf, dass die Regierung sich immer mehr „von der Rechtsstaatlichkeit entferne“. Auslöser war eine Reihe umstrittener Gesetze gewesen, die dem Staat Kontrolle über die Gerichte des Landes geben.
Wahl „in den Händen Gottes“
Mata’afa beließ es nicht mit einer demonstrativen Aktion. Innerhalb kürzester Zeit baute sie mit Kollegen eine neue Partei auf – die Fast-Partei, mit der sie im April das „politische Beben“ auslöste. Dem neuseeländischen Sender TVNZ sagte sie nach der Wahl, dass es ihr nicht nur darum gehe, Premierministerin zu werden. Sie sei sich auch im Klaren darüber, dass sie eine Vorbildfunktion habe. „Die Botschaft für Frauen, insbesondere für junge Frauen, ist, dass sie alles tun können, solange sie eine Chance bekommen.“
Ob Mata'afa und ihre Partei das „politische Beben“ vom April bei der Neuwahl am 21. Mai wiederholen können, muss sich zeigen. Der bisherige Premierminister Malielegaoi betonte, er lege die Entscheidung ganz „in die Hände Gottes“. Mata'afa hatte er zuvor bereits als „Teufelin“ bezeichnet.
Mata'afa und ihre Partei verurteilten die Klüngeleien und auch die Neuwahl dagegen aufs Schwerste. In einer Pressekonferenz hatte die Politikerin bereits das Wort „Trickserei“ fallen gelassen.
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