Nun ist diese unsägliche Fußball-WM im Despotenstaat Katar endlich vorbei, und schon beginnt das Gejammer in Deutschland, weil man ja zeitig aus dem Turnier ausgeschieden ist. Dadurch schafft man es zum einen, keine Größe in der Niederlage zu zeigen, zum anderen wird eben auch auf eklige Weise Doppelmoral offenbart. Da weiß ich doch gleich, warum ich mir Nationalmannschaftsfußball schon seit etwa 20 Jahren nicht mehr gebe.
So hat gerade Bundestrainer Hansi Flick moniert, dass viel zu viel Politik mit in den Fußball reinspielen würde. Solche Äußerungen kenne ich sonst vor allem von irgendwelchen reaktionäre Typen, die keine Lust haben, wenn beispielsweise Nazi-Hoologans thematisiert werden – als St.-Pauli-Fan ist man solche Aussagen schon seit vielen Jahren gewöhnt, nur eben nicht von einem Bundestrainer.
Und vor allem ist das auch vollkommen fehl am Platz bei einer WM, die nun mal auf vielen Ebenen ein Politikum ist. Sind nun solche Aussagen (s. hier) von Flick einfach nur naiv, weltfremd, strunzdumm oder kleinliches Gejammer ob der eigenen schlechten Leistung?
„Es ist so, dass die Stimmung in Deutschland gegen Katar war und viele gesagt haben, ich schaue mir das nicht an. Es ist schade. Ich fand es begeisternd, die Fans anderer Mannschaften zu sehen, die ihr Team bedingungslos unterstützt haben. Darauf sollte der Fokus auch bei uns wieder mehr liegen, dass wir für Deutschland möglichst erfolgreich Fußball spielen“, „, sagte der 57-Jährige.
Die DFB-Elf müsse wieder primär für das Fußball-Spielen zuständig sein und nicht für die Thematisierung gesellschaftlicher Aspekte. „Das ist unsere Aufgabe – es wäre schön, wenn man uns das zugesteht. Für die Politik sind andere ausgebildet“, meinte der Bundestrainer. Die Fußball-Stimmung in Deutschland habe unter der Politisierung des Turniers gelitten. „Haben wir in Deutschland alles dafür getan, damit sich die Menschen auf die WM freuen konnten?“, stellte Flick als Frage in den Raum.
Klar, Flick kommt vom FC Bayern, und dort nimmt man es mit Dingen wie Ethik und Anstand ja eh nicht so ganz genau, wenn man sich nur mal anschaut, was die Vereinsikonen Hoeneß, Rummenigge und Beckenbauer so alles auf dem Kerbholz haben. Das soll nun aber keine Entschuldigung sein, denn als Bundestrainer sollte man sich von seiner Vergangenheit doch schon ein bisschen emanzipiert haben, finde ich.
An dieser Fußball-WM ist nichts, aber auch gar nichts unpolitisch. Das beginnt mit der Vergabe, bei der offensichtlich der damalige französische Staatspräsident Nicolas Sarkozy mitgemauschelt hat (s. hier), geht weiter mit der irrwitzigen Ökobilanz von vollklimatisierten Stadien in der Wüste, bei deren Bau zudem Tausende von unter sklavenähnlichen Bedingungen schuftenden Arbeitern gestorben sind (s. hier), und reicht bis zum „Sportwashing“, mit dem die Kopf-ab-Monarchie ihr Image aufzupolieren gedenkt (s. hier und hier).
Und selbst der gerade geschasste DFB-Direktor Oliver Bierhoff meinte ja vor dem Turnier (s. hier):
„Der Sport hat die Kraft, Brücken zu bauen, im Dialog zu bleiben und Veränderungen anzustoßen, das hat er schon oft bewiesen. Diese Möglichkeit wollen wir nicht unversucht lassen.“
Womit er ja eindeutig eine politische Wirkung des Sport assoziiert, wenngleich dies natürlich eher eine magere Rechtfertigung dafür ist, so ein Turnier in einem antidemokratischen Staat ausrichten zu lassen – zumal derartige Veränderungen in der Vergangenheit eigentlich nie so richtig in der Realität dann auch eingetreten sind.
Noch peinlicher als das Gejammer der Bundestrainerlusche Flick wird es dann allerdings, wenn versucht wird, politische Zusammenhänge einseitig aus Sicht des schlechten Verlierers zu kritisieren, wie es gerade im E-Mail-Newsletter von Spiegel Online der Fall war. Dort heißt es:
Dem rührseligen Messi-Märchen, das während und nach dem Finale erzählt wurde, vom ach so sympathischen argentinischen Jungen, dem endlich zuteilwurde, was er längst verdient gehabt hätte, kann ich offen gestanden nur begrenzt folgen. Es tut mir echt leid: Aber wenn Messi am Ball zaubert, sehe ich immer auch den schwerst geldgeilen oder komplett uninformierten Mann, der es völlig normal zu finden scheint, Geld von Ländern zu nehmen, die Menschenrechte mit Füßen treten. Der ganz ungeniert als Posterboy für Diktatoren aufläuft.Messi, der jahrelang mit dem FC Barcelona verbunden war, beweinte einst die himmelschreiende Ungerechtigkeit, dass er seinen geliebten Verein verlassen müsse, weil dieser ihn sich nicht mehr leisten könne. Seither lässt er sich sein gigantisches Gehalt eben ganz unsentimental von Paris Saint-Germain bezahlen, einem Klub, der den Herrschern von Katar gehört, und deren zu Recht ramponiertes Image durch den attraktiven Fußball aufgehübscht werden soll. Obendrein lässt sich Messi aber auch von Saudi-Arabien bezahlen – fürs Land des Knochensägen-Prinzen ist Messi als Tourismusbotschafter im Dienst.Nun sei er endlich in die Sphären von Diego Armando Maradona aufgestiegen, sagten gestern viele über Messi. Ich finde: Um eine ganz große Persönlichkeit zu werden, braucht man mehr als Tore und Titel.
Tja, mag ja angehen, dass Lionel Messi sich da politisch nicht eben korrekt verhält, aber spielt da nicht reichlich üble und pumpe Doppelmoral mit rein? Ich meine, dass deutsche Nationalspieler vom FC Bayern München ja nun auch seit Jahren immer schön nach Katar ins Trainingscamp fahren. Und ein fettes Angebot von PSG würden wohl auch die wenigsten deutschen Fußballer ausschlagen.
Ach ja: Unser Land liefert an die Saudis, die in der Tat ziemlich üble Gesellen sind, sogar Kriegsgerät, das dann auch gleich im Jemen schön eingesetzt werden kann. Und von Katar beziehen wir nun auch Gas als Ersatz für das russische. Mal abgesehen davon, dass Katar sowieso in zahlreichen europäischen Ländern erhebliche Investitionen tätigt (s. hier).
Und ich frage mich gerade auch, ob nicht die deutschen Nationalspieler inklusive Trainer auch vor den Katar-Despoten gekatzbuckelt hätten, wenn sie den WM-Titel gewonnen hätten. Durch so richtig viel zur Schau getragene Haltung sind die ja nun bei diesem Turnier auch nicht eben aufgefallen (s. hier).
Aber klar, Messi ist nun ein ganz besonders übler Typ, das muss echt noch mal hervorgehoben werden. Vielleicht hätte man ja auch noch einen kleinen verbalen Gaucho-Tanz vonseiten des Spiegel-Newsletter-Verfassers aufführen können, denn dumpfe Gehässigkeit beim Fußball haben die Deutschen ja schon 2014 genau damit praktiziert. Gut, als Turniersieger fällt einem solche bornierte Überheblichkeit natürlich auch leichter …
So bekommt man eher den Eindruck: Wenn der Deutsche nicht großkotzig sein kann, dann heult er eben lieber memmenhaft rum.
Apropos Brasilien: Damals bei der WM dort im Jahr 2014 gab es ja auch genug menschenrechtlich Bedenkliches, was man hätte kritisieren können, genauso wie die mit dem Turnier verbundenen Umweltzerstörungen (s. hier und hier). Oder wenn man schon moniert, dass Messi „als Posterboy für Diktatoren“ aufläuft, hätte man auch noch mal darauf hinweisen können, dass sich 2014 die deutschen Nationalspieler Lukas Podolski und Mezut Özil mit schwer bewaffneten Sicherheitskräften schön posierend haben ablichten lassen (s. hier). Was besonders unappetitlich ist, wenn man weiß, was ebensolche Sicherheitskräfte im Vorfeld der WM da insbesondere in Armenvierteln alles angerichtet haben.
Aber das ist natürlich gaaaanz was anderes, denn da haben „wir“ ja immerhin gewonnen. Ja, nee, ist klar …
Nun kann man natürlich sagen, dass es sich bei den hier aufgeführten Zitaten ja nur um zwei Äußerungen handelt, aber diese sind immerhin vom aktuellen Bundestrainer und aus dem Newsletter eines der deutschen Leitmedien schlechthin. Und das ist dann doch eine andere Qualität, als wenn das irgendein wurstiger Deutschland-Fußballnarr auf seiner Facebook-Wall gepostet hätte, finde ich.
So schafft es Fußballdeutschland dann sogar noch, bei so einem ekelhaften Turnier wie dieser WM in Katar zumindest im Niveaulimbo einen der ganz vorderen Plätze zu belegen und sich als richtig mieser Loser zu präsentieren. Immerhin auch eine Leistung …
Dir gefällt, was Karl Haas schreibt?
Dann unterstütze Karl Haas jetzt direkt: