Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hat angekündigt, dass ab 1. März kostenlose Antigen-Schnelltests von geschultem Personal für jedermann durchgeführt werden sollen, in einem weiteren Schritt sollen dann für wenig Geld Laien-Selbsttests ausgegeben werden, mit denen die Menschen selbst überprüfen können, ob sie eventuell eine Covid-19-Infektion haben (s. hier). Klingt erst mal nicht schlecht, aber da ich Jens Spahn überhaupt nicht über den Weg traue aufgrund seiner bisherigen „Pleiten, Pech und Pannen“-Vorstellung beim Corona-„Krisenmanagement“, kommen mir da bei weiterem Nachdenken darüber doch so ein paar Zweifel, was denn als Intention dahinterstecken könnte.

Zuerst mal stelle ich mir die Frage, warum diese Maßnahme gerade jetzt durchgeführt wird.

Dass Schnelltests hilfreich sein können, hat man ja beispielsweise schon vor längerer Zeit beispielsweise in Südkorea gesehen, wo erfolgreich damit gearbeitet und so die Pandemie eingedämmt werden konnte. Klar, da kommt die Standardaussage von Spahn, dass der Markt genau jetzt diese Tests hergeben würde. Aber wenn das anderswo schon lange hingehauen hat, solche Tests durchzuführen, warum wäre das dann hier nicht auch schon längst möglich gewesen?

Ich vermute also etwas anderes dahinter: Gerade jetzt beginnen ja die ersten Lockerungen des für die CDU und ihre Klientel von Vermögenden, Finanzindustrie und Großkonzernen so lukrativen Lockdowns. Passt auch, denn die Inzidenzwerte und auch die Opferzahlen gehen ja gerade fast überall in Deutschland nach unten – was auch kein Wunder ist. Zum einen sind immer mehr Menschen geimpft worden, die zur Risikogruppe gehören (Senioren beispielsweise), die vermehrt schwere Erkrankungsverläufe aufgewiesen hat. Zum anderen wird es gerade wärmer, und da verhält sich Covid-19 eben wie ähnliche Erkrankungen, wie beispielsweise Grippe (was nun nicht heißen soll, dass Covid-19 nicht gefährlicher wäre als eine „normale“ Influenza): Die Zahl der Erkrankten geht zurück.

Das konnte man in den vergangenen Jahren schon immer beobachten, wenn die Notaufnahmen und Intensivstationen vieler Krankenhäuser im Januar und Februar an ihre Kapazitätsgrenzen kamen, weil zahlreiche Grippekranke zu behandeln waren. Und da Corona-Viren sich bei kälteren Temperaturen ausgesprochen wohlfühlen, die Immunsysteme der Menschen bei Kälte nicht so auf Draht sind (nicht umsonst spricht man ja von einer „Erkältung“) und Atemwegserkrankungen vor allem im Winter auftreten, ist der Rückgang nun also wenig überraschend.

Würde diese Entwicklung sich nun einfach so fortsetzen, wäre vermutlich schon in wenigen Wochen das Lockdown-Szenario kaum noch aufrechtzuerhalten.

In der oben verlinkten Meldung vom ZDF findet sich nun allerdings auch ein Hinweis darauf, was wir wohl zu erwarten haben und was die Absicht von Jens Spahn sein könnte:

Lockerungen etwa für den Einzelhandel soll es aber nach den Bund-Länder-Beschlüssen ohnehin erst geben, wenn die sogenannte Sieben-Tages-Inzidenz unter 35 fällt.

Nun habe ich ja schon das eine oder andere Mal angemerkt (s. beispielsweise hier und hier), dass das Fokussieren auf einen einzigen Wert wenig sinnvoll ist, da so ein Parameter unterschiedliche Qualitäten haben kann. Wenn beispielsweise in einem Gebiet die Inzidenz hochgeht, weil ein lokaler Ausbruch in einer Pflegeeinrichtung oder einem Schlachthof stattgefunden hat, dann ist das recht gut eingrenzbar, und Menschen, die 80 Kilometer davon entfernt wohnen, haben damit eigentlich keine Berührungspunkte. Wenn hingegen bei gleicher Inzidenz an vielen verschiedenen Orten nur jeweils wenige Infizierte auftreten, dann ist das schon was ganz anderes, dem auch entsprechend anders begegnet werden sollte.

Und dann sollte die Inzidenz auch immer mit anderen Werte in Verbindung gebracht werden: Wie sieht es denn zur gleichen Zeit mit der Belegung in den Krankenhäusern aus? Wie viele Menschen sterben gerade dort an Covid-19? Sind beide Werte eher niedrig, dann kann man von milden Verläufen ausgehen. Und die sind zwar unangenehm und ärgerlich, aber bringen eben auch das Gesundheitswesen nicht an seine Grenzen.

Was auch noch wichtig ist im Zusammenhang mit den Inzidenzwerten: Wie viel wurde denn überhaupt getestet?

Ex-US-Präsident Donald Trump hatte ja irgendwann mal vorgeschlagen, einfach nicht mehr zu testen, dann gäbe es auch keine Corona-Infizierten mehr. Das ist natürlich komplett hirnrissig, da ja in dem Fall nicht die Statistiken die Realität abbilden sollen, sondern im Gegenteil die Realität von den Statistiken geformt wird. Dennoch steckt ein Fünkchen Wahrheit in diesem trumpschen Blödsinn.

Bei einer Krankheit, die oft ohne oder mit nur sehr leichten Symptomen verläuft, hat man eine entsprechend hohe Dunkelziffer an Erkrankten, die gar nicht mitbekommen, dass sie Covid-19 haben. Diese Dunkelziffer verkleinert man durch eine Erhöhung der Testanzahl, gerade auch von Personen ohne Symptome. Und damit erhöht man dann natürlich auch den Inzidenzwert, weil viele Menschen nun zu den Covid-19-Erkrankten gezählt werden, bei denen ohne einen Test überhaupt nicht aufgefallen wäre, dass sie infiziert sind.

Das ist grundsätzlich nichts Schlechtes, da es einen besseren Überblick verschafft, wie viele Menschen tatsächlich infiziert sind und wie viele davon leichte oder schwere Verläufe haben. Transparenz ist in so einem Fall m. E. immer gut und sinnvoll.

Wenn man nun allerdings auf der einen Seite die Anzahl der Tests deutlich erhöht, wie es nun mit den von Spahn angekündigten Schnelltests geschehen wird, auf der anderen Seite aber an starren Inzidenzwerten festhält, was passiert dann?

O. k, rhetorische Frage, denn die Antwort liegt auf der Hand: Die Inzidenzwerte werden steigen.

Wer beispielsweise seine Oma besuchen will, keine Krankheitssymptome aufweist, sich dann sicherheitshalber testen lässt (ist ja sogar noch umsonst) oder für wenig Geld selbst testet und ein positives Testergebnis erhält, der treibt den Inzidenzwert nach oben.

Und wenn diese Person dann nicht zur Oma fährt, sondern zu Hause bleibt und dort beispielsweise aufgrund eines Haushaltsunfalls verunglückt oder an einem Schlaganfall stirbt, dann taucht derjenige sogar noch in der Statistik der Covid-19-Toten auf, bei der ja immer noch nicht zwischen Opfern, die „an“ oder „mit“ Covid-19 gestorben sind, differenziert wird. Zurzeit sind das wohl um die 85 % der Opfer, die tatsächlich an der Krankheit gestorben sind (s. hier), und insofern wäre es nun also dringend geboten, hier genau zu unterscheiden, wenn man solche Massentests startet.

Ich tippe allerdings mal: Das wird nicht geschehen. Stattdessen wird man die ansteigenden Inzidenzwerte und eventuell auch höheren Opferzahlen politisch nutzen, um zum einen den Lockdown weiter aufrechtzuerhalten und zum anderen vielleicht sogar schon umgesetzte Lockerungen wieder zurückzunehmen.

Läuft ja aber auch zu gut zurzeit für unsere Regierung, insbesondere für die CDU: Die eigene protegierte Klientel (die nicht identisch ist mit den CDU-Wählern) verdient sich dumm und dusselig, die Börsen feiern Party, die eigenen Umfragewerte sind top, die Überwachung der Bürger kann ziemlich unbeachtet ausgebaut werden, dem Einfluss von Lobbyisten auf Gesetze kann hemmungslos nachgegeben werden (wie aktuell beim Lieferkettengesetz), da auch das weitgehend unter dem Radar der Öffentlichkeit abläuft, und solche lästigen Sachen wie der Wirecard-Skandal interessieren gerade so gut wie niemanden.

Warum sollten die nun also etwas am aktuellen Zustand ändern wollen?

Da kommen doch solche Schnelltests wie gerufen, um die entsprechenden Inzidenzwerte zu erhalten, mit denen man dann ein „Weiter so“ der Lockdown-Politik rechtfertigen kann.

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