Die Referendumsabstimmung vom 13. Juni zum Schweizer CO2-Gesetz wird zur Zitterpartie für die Befürworter. Der Anteil der Befürworter ist in den Umfragen der letzten Wochen stark geschrumpft, eine Ablehnung damit keineswegs ausgeschlossen.
Es gibt gute Argumente, das Schweizer CO2-Gesetz abzulehnen, über das am 13. Juni abgestimmt wird. Es sieht die Halbierung der Klimagas-Emissionen bis 2030 gegenüber dem Referenzjahr 1990 vor, schweigt sich aber zu den weiteren Schritten zum grossen Ziel, der CO2-Netto-Null bis 2050, weitgehend aus. Es arbeitet mit Anreizen und eher bescheidenen Fördermitteln, die es mehr als fraglich erscheinen lassen, ob überhaupt das Zwischenziel erreichbar ist. Deshalb haben auch Teile der Schweizer Klimajugend das Referendum unterstützt. Sie argumentieren, es bleibe schlicht keine Zeit mehr für Kompromisse. Und genau das ist das CO2-Gesetz: ein Kompromiss, den Bürgerliche, Linke und Grüne ausgehandelt haben und mit dem auch die grossen Umweltorganisationen leben können, aus der pragmatischen Einsicht heraus, dass mehr wohl nicht zu machen ist.
Es gibt schlechte Argumente, das Schweizer CO2-Gesetz abzulehnen. Den schlechtesten liefert die Lobby-Organisation Avenergy Suisse, vormals Erdölvereinigung, die den Abstimmungskampf der Gegner mit Millionen alimentiert. Das CO2-Gesetz sei «unnötig», schreibt Avenergy-Geschäftsführer Roland Bilag, das «Energieversorgungssytem darf nicht dem Klimaschutz geopfert werden». Bilag argumentiert mit Biotreibstoffen und Wasserstoff und tut so, wie wenn sich damit das Klimaproblem lösen lasse – dass beide einen Beitrag leisten können, teils müssen, ist unbestritten, aber dieser wird kaum mehr als eine Nische ausmachen, weil beide Treibstoffe an extremer Ineffizienz kranken. Bilag ist Lobbyist einer Organisation, die es seit drei Jahrzehnten verstanden hat, den Verkehr von der Schweizer Klimapolitik praktisch auzuklammern. Das hat dazu geführt, dass die CO2-Emissionen des Verkehrs seit 1990 konstant geblieben sind. Jetzt, wo erstmals Abgaben auf Treibstoffe vorgesehen sind, die das Benzin um 12 Rappen (bei einem Verkaufspreis von 1.65 Franken) verteuern, holt Avenergy, sekundiert namentlich von der wählerstärksten Partei der Schweiz, der SVP, die moralische Keule hervor und behauptet, damit würde das Auto für die einkommensschwache Bevölkerung praktisch unfinanzierbar. Dabei wird rund die Hälfte der Abgaben an die Bevölkerung zurückgegeben, die andere Hälfte füllt einen Klimafonds, mit rund einer Milliarden Franken jährlich. Noch tiefer in die Mottenkiste greifen die Gegner des CO2-Gesetzes mit dem Argument, die Schweiz trage nur ein Tausendstel zum weltweiten CO2-Ausstosses bei. Das sei, solange die grossen Emittenten nichts unternähmen, vernachlässigbar. Unerwähnt bleibt, dass die Schweiz mit einem Pro Kopf-Ausstoss von 14 Tonnen Treibhausgasen pro Jahr sich mitten in der Liga der grössten Emittenten weltweit bewegt. Und es ist ja nicht so, dass es keine Bewegung bei den Grossen gibt. Die EU kennt inzwischen schärfere Klimaziele als die Schweiz, die USA sind zurück auf der klimapolitischen Agenda und spielen den Vorreiter, und auch China oder Japan setzen Marksteine. Und schliesslich lassen die Gegner komplett aussen vor, dass die Schweiz sich im Pariser Klimaabkommen mit verpflichtet hat, die Erderwärmung auf unter zwei Grad zu begrenzen. Mit dem bisher verfolgten Kurs, wie ihn die Lobbyorganisation Avenergy vertritt, ist das niemals zu schaffen. Mit dem CO2-Gesetz übrigens auch nicht.
Es gibt gute Gründe, für das CO2-Gesetz zu stimmen, selbst wenn es nur eine Etappe auf dem Weg zu Netto-Null sein kann. Es macht die Schweiz zu keinem Vorreiter in Sachen Klimaschutz, hilft aber immerhin, den Anschluss nicht ganz zu verlieren. Und es könnte nach und nach auch die Skeptiker ins Boot holen, wenn sich zeigt, dass die Energiewende zu schaffen sein könnte, ohne dass es zu gravierenden Einschnitten kommt.
In den Umfragen schien es lange ganz klar zu sein: Das CO2-Gesetz wird mit komfortabler Mehrheit angenommen. Doch inzwischen schrumpft der Vorsprung, und schon jetzt ist klar: Es wird ein enges, wenn nicht sehr enges Rennen werden. Vor allem die Landbevölkerung stemmt sich mit Vehemenz dagegen. Dieser Stadt-Land-Graben verbreitert sich in der Schweiz seit Jahren, und bei manchen Themen, namentlich dem Umweltschutz, ist er kaum aufzuschütten. Es scheint, dass gerade in den ländlichen Gebieten mit einer strukturkonservativen, gerne auch regierungsskeptischen Bevölkerung die sachlich den Tatbestand der Lüge mehr als nur streifenden Gegner des CO2-Gesetzes, die zudem wie Avenergy in reinem Eigeninteresse handeln, gut ankommen. Das wirft die Frage auf, was schief läuft in der gerade von den Rechten himmlisch beschworenen besten Demokratie der Welt. Es dürfte weniger um die Demokratie gehen als einen ins Schrankenlose wachsenden Individualismus und das Handeln in reinem Eigeninteresse, das den Blick aufs Ganze versperrt und so anfällig macht für die falschen Versprechungen jener, die, um ihr Öl unters Volk zu bringen, auch nur an das Eine denken: schrankenlose Mobilität.