Bei unserer ersten Begegnung reichte ich ihm meine Hand und sagte artig meinen Namen: „Thomas. Und wer bist Du?“ „Mein Name ist Mensch, und ich bin über Zehntausend Jahre alt und mein Name ist Mensch. Kannst mich aber auch >Fisch< nennen.“

In den Kreisen auf dieser Tagung über die ich offiziell nicht reden soll, war selbst diese Vorstellung besonders. Der Mann zitierte einen Text der Band 'Ton Steine Scherben'.

Ich nannte ihn also >Fisch<. >Fisch< hatte viel zu erzählen. Er hatte gegen den Schah von Persien gekämpft und war im Gefängnis gelandet. Über die Iranische Revolution erzählte der linke Ex-Guerilla-Kämpfer, die „Iranische Revolutionäre Linke“ sei zu Beginn ihrer Revolution der Ansicht gewesen, die 'Männer mit den langen, weiße Bärten' könnten ihnen nicht gefährlich werden und gestanden den alten, weißbärtigen Männern um Ayatollah Khomeini einen Platz an ihrer Seite, an der Seite der Revolution zu.

Das Resultat: Die eigentlichen Revolutionäre, die Iranische Linke wurde von den Mullahs in großer Zahl zum Dank für deren Beteiligung an der Revolution ermordet. Es waren die links-revolutionären Studenten und Studentinnen, die ihre Illusion vom Gedanken an die Ungefährlichkeit der Mullahs mit ihrem Leben bezahlten.

>Fisch< hatte Glück und kam zunächst davon und wurde später nur für 'eine Kleinigkeit' inhaftiert. Nach Verbüßung seiner Haftstrafe im Foltergefängnis der nun die Scharia anwendenden fundamentalistischen Herrscher, kam >Fisch< frei und floh nach Deutschland.

In Deutschland angekommen suchte er den Kontakt zu ehemaligen RAF-Gefangenen. Diese waren aus seiner Sicht die glaubwürdigsten Linken in Deutschland, denen er von den Irrtümern der Iranischen Revolution erzählen wollte.

Mir sagte er: „Unsere Mullahs kannst Du in Deutschland eindeutig nur mit der NSDAP vergleichen. Das ist die selbe Ideologie.“ Diese Aussage traf mich wie ein Schlag mit dem Hammer auf die Stirn. Wenn >Fisch< mit dieser Erklärung richtig lag, dann musste ich auf eigenes Erleben zurückblicken und Erinnerungen mit erlerntem Wissen aus dem Geschichtsunterricht in Einklang zu bringen versuchen.

In meiner Schulzeit geriet ich in die Hände von jungen deutschen Neo-Nazis. Fünf davon waren in meiner Klasse. Die Lehrerschaft an der Realschule im Aurain in Bietigheim-Bissingen predigte regelmäßig Zivilcourage und schaute dann weg, als die 5-köpfige Nazi-Clique sich vor mir im Jahr 1985 aufbaute: „Du Judensau gehst hier nicht über den Rasen!“ Mir brauchte danach niemand mehr die Wirkungen von SA und HJ umständlich mit Geschichtsbüchern erklären. Ich hatte zwei Jahre lang erlebt, wie diese Charaktere ungestraft ihre Grausamkeiten an mir und anderen exekutieren konnten trotz etwa 80-prozentiger linker Mehrheit unter den Lehrern im Aurain.

Wenn nun also die gleiche Ohnmacht von den Mullahs im Iran für diejenigen ausging, die ihnen ungewollt und naiven Glaubens an die Macht geholfen haben, dann reichte mir dieser Vergleich dennoch nicht. Ich wollte mehr wissen. >Fisch< erklärte mir, dass etwa der Antisemitismus und der Hass auf Israel deutsche Nationalsozialisten und iranische Mullahs eine. Zudem sind beide Regime getrieben von ihrem jeweils eigenen Herrenmenschengedanken, was einem zutiefst rassistischen Menschenbild entspricht und die Ablehnung des Menschenrechts auf Freie Meinungsäußerung führt – wie auch Homosexualität - gleichermaßen zur Anwendung des gesamten grausamen Sanktionskatalogs bis hin zu Folter und Hinrichtung.

Als die NPD 2009 die Rede Mahmut Ahmadinedschads - auf der von ihm einberufenen „Holocaust-Konferenz“ - auf der 'Weltnetz-Seite' der National“Demokraten“ veröffentlichte, sah ich >Fischs< Gleichsetzung der NSDAP mit den iranischen Mullahs auf drastische Weise bestätigt und fühlte mich beschämt, als ich in der Jungen Welt im gleichen Jahr einen Artikel lesen musste, in dem die revoltierende Jugend im Iran als „Konterrevolutionäre“ oder „vom Westen gesteuert“ diffamiert wurde.

Eine kleine Ironie am Rande: >Fisch< hatte mir einige Zeit zuvor ein Probeabo der Jungen Welt an den „Kameramann Fisch c/o [meine Adresse] zukommen lassen. Was als netter Gruß gedacht war, gewann im Nachhinein eine für mich verstörende Wirkung.

Einen anderen Gruß zeigen die vom Mullah-Regime im Iran finanzierten und unterstützten Hisbollah-“Soldaten“: Sie heben ganz bewusst und provokativ in ihrem Kampf gegen Israel den rechten Arm zum Hitler-Gruß.

Es ist also nachzudenken über >Fischs< Warnungen. Auch über eine linke Naivität, die das romantisch verklärte Wort 'Revolution' hört und nun auch den Mullahs den Massenmord an den linken Genossen verzeiht und dann noch die neuen Linken im Iran, die säkular und fern ab der Ideologie der Mullahs so leben wollen, wie Linke im Westen, diffamiert.

Vielleicht auch der Naivität vieler Linker in Deutschland wegen, aber auf jeden Fall aus Angst vor dem Geheimdienst des Mullah-Regimes in Deutschland weigert sich >Fisch< selbst den Behörden in Deutschland gegenüber seinen tatsächlichen Namen zu nennen.

Seine Haltung gegenüber den Mullahs und dem Irrtum der linken Revolutionäre 1979 wird von einigen Persern im vertrauensvoll geführten Gespräch bestätigt.

Multikulturell interessierte Linke können von ihren persischen Freunden und Genossen einiges lernen und ihr politisches Bewusstsein schulen.

>Fisch< wird sich einem anderen Menschen gegenüber sicher einen anderen Namen geben, vielleicht morgen >Klaus<, übermorgen >Vogel< und seinem durch zwei Diktaturen geschulten Humor entsprechend sicherlich auch einmal >Ayatollah<.

Vergessen wir nicht: Die "Internationale Solidarität" erfordert den geschärften Blick!

Weiterführende Literatur zum übergeordneten Themenkomplex:

https://www.amazon.de/Gadhafi-Gaddafi-bitten-Christof-Wackernagel/dp/3933156637

https://www.amazon.de/Säkulare-Demokratie-verteidigen-ausbauen-wissenschaftliche/dp/3000529675

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