Gerade konnte ich in meinem persönlichen Umfeld bei Facebook beobachten, wie gut leider rechte Agitation funktioniert, wenn sie erst mal einen Aufhänger bei nicht Rechten gefunden hat.
Eine digitale Freundin von mir, die immer auch sehr gute politische Beiträge abseits des Mainstreams geteilt hat und mit der ich schon öfter auch angeregt diskutiert habe, hat sich seit einiger Zeit zunehmend über identitätspolitische Entwicklungen ereifert, und in den meisten Fällen war ich da auch komplett bei ihr. Sowohl übertriebene Wokeness (s. hier) als auch ein In-den-Vordergrund-Rücken von Transpersonen vor allem auf Kosten von Frauen (s. hier) habe ich ja auch schon kritisch kommentiert.
Was mir dabei dann allerdings auch aufgefallen ist: In den letzten Monaten hat diese Freundin dann zunehmend auch Beiträge von rechten bis rechtsextremen Quellen geteilt zu dem Thema, oft mit dem Verweis, dass man ja woanders nichts dazu finden würde.
Ich stehe ja auch dem Standpunkt, dass, wenn ich etwas nur bei einer rechten Hetzseite finde und nirgends anders, da auch nichts dran sein wird. Vor allem sollten man solchen Portalen nicht zu Klicks verhelfen, denn das erhöht deren Reichweite und damit auch deren Werbeeinnahmen.
Aber nun hat sich diese doch im Grunde links denkende Person zunehmend auf rechten Seiten rumgetrieben, da eben dort die identitätspolitischen Themen im eigenen Sinne beackert wurden. Und da es ja auch viele andere Personen (wie mich selbst auch) gibt, die bei diesen Themen eine durchaus ambivalente und um Differenzierung bemühte Sichtweise haben, kann man das ja auch noch nicht mal als explizit rechts bezeichnen.
Allerdings ist man dann eben schon mal ein Stück weit in der rechten Filterblase drin. Und dann passieren eben auch solche Sachen wie bei meiner Facebook-Freundin, dass auf einmal auch Beiträge geteilt werden, die sich in m. E. unangemessener Weise gegen Klimaaktivisten wenden.
Das führte dann so weit, dass etwas von Broders Hetzportal Achse des Guten und von der SVP-Postille Weltwoche geteilt wurde (ich verlinke das hier nicht, denn solchem Schund will ich in keinem Fall Klicks zukommen lassen), um damit die angebliche Doppelzüngigkeit der Klimaforschung zu belegen und diese damit zu diskreditieren: Der Klimaforscher Hans-Joachim Schellenhuber hat selbst einige Inlandsflüge getätigt, obwohl er sich eigentlich für deren Verbot ausgesprochen hatte.
Als ich dann anmerkte, dass die Achse des Guten bestimmt keine seriöse Quelle ist, und fragte, ob dann demnächst auch etwas aus der rechtsextremen Jungen Freiheit von ihr verlinkt würde, reagierte die Dame sehr pikiert. Ich hätte ihr gar nichts zu vorzuschreiben auf ihrer Wall (was ich ja auch nicht gemacht habe), und außerdem wäre ich ja offenbar nur zu blöd, zu verstehen, warum sie solche Artikel teilen würde, denn schließlich würde dieses skandalöse Verhalten sonst nirgends thematisiert.
Nun denn, eine nicht einmal 20 Sekunden dauernde Suche im Internet führte mich dann zu einem Interview mit Hans-Joachim Schellenhuber, das vom RedaktionsNetzwerk Deutschland zu genau dem Thema geführt wurde. Nur hat er da eben die Möglichkeit, sein Verhalten zu erläutern, und es ist keine plumpe Diffamierung wie im Artikel von der Achse des Guten. Was mich dann zu dem Schluss kommen lässt, dass es meiner Facebook-Freundin gar nicht darum ging, diesen Sachverhalt zu diskutieren, sondern allein Empörung zu verbreiten, um damit dann unterschwellig (was ja ein beständigen Anliegen von rechten Hetzportalen ist) (Klima-)Wissenschaft zu diskreditieren.
Da ist sie also schön über das Stöckchen gesprungen, was ihr von Broder und Co. hingehalten wurde.
Das Problem war nun, dass sich auch ihr Kommunikationsverhalten sehr an Rechtslastige angepasst hat. Sie zeterte nämlich per persönlicher Nachricht im Messenger los, ich solle mich bei ihr entschuldigen, sonst würde sie mich von ihrer Wall kicken, die ja nur für privilegierte Leute sei (und für die ich ihrer Ansicht nach – wie schon gesagt – wohl nur zu blöd sei). Sich bei Kritik gleich erst mal selbst als Opfer sehen und den Kritiker als ahnungslosen Trottel darstellen – das kennt man ja zur Genüge von AfD-Jüngern und ähnlichen rechten Gestalten. Das scheint also irgendwie bei der fortwährenden Nutzung rechter Websites auf sie abgefärbt zu haben.
Ich hab dann die Facebook-Freundschaft (persönlich sind wir uns nie begegnet) von meiner Seite aus beendet, denn irgendwie habe ich in meiner Freizeit keine Lust, auf die Suche nach verlorenem Hopfen und Malz zu gehen.
Über die persönliche Ebene hinweg ist das allerdings eine Paradebeispiel dafür, wie rechte Portale im Netz agitieren: Man „fischt“ sich User, indem Dinge thematisiert werden, die nicht explizit rechts oder rechtsextrem sind, die aber auf eine skandalisierende Weise präsentiert werden. Das führt dann dazu, dass diese User öfter mal auf den rechten Seiten sind, vielleicht sogar denen in sozialen Medien folgen und so dann immer wieder Inhalte von diesen angezeigt bekommen. Und dann eben auch zu politisch eindeutigeren Themen. Wenn dann auch noch entsprechende Kommentare aus der Filterblase dieser Hetzseiten gelesen werden, dann erscheint das Ganze noch mal schlüssiger – und auf einmal teilt jemand, der eigentlich gar nichts mit rechtem Denken am Hut hat, rechte Hetze.
Das ist kein ganz neues Prinzip, denn die BILD macht das beispielsweise schon seit Jahren so. Jeder von Euch kennt vermutlich jemanden, der mal meinte, dass er in der BILD ja „nur den guten Sportteil“ lesen würde. Der ist auch in der Tat sehr ausführlich, nur ist eben auch dabei das Problem: Wenn man das Blatt erst mal in der Hand hat, ist die Gefahr auch sehr groß, dass man eben nicht nur den Sportteil anschaut, sondern auch was von dem restlichen Schmutz, der einem da präsentiert wird, liest.
Und dann bleibt immer auch etwas davon haften, wenn man es nicht gleich kritisch hinterfragt oder es eben auch irgendwie ins eigene, teilweise auch nur latent ausgeprägte, Weltbild passt.
Natürlich gibt es auch vermeintlich seriöse Medien, die sich für als Journalismus getarnte Werbung hergeben, die eine bestimmte Agenda verfolgen und daher einseitig berichten (das war während der Corona-Pandemie zu beobachten, genauso wie das jetzt beim Ukraine-Krieg wieder der Fall ist) oder die schlichtweg Unfug schreiben, weil nicht gut recherchiert wurde (oder werden sollte). Aber das ist ja auch das Gute am Internet: Wenn ich irgendwo etwas lese, was ich zwar interessant finde, was mir aber irgendwie seltsam vorkommt, dann habe ich die Möglichkeit, andere Quellen heranzuziehen und zu schauen, was sich dort zu dem Thema findet.
Wenn das, im Fall von Zeug, was auf rechten Hetzportalen steht, nirgends anders als in dieser Filterblase zu finden ist, dann kann man davon ausgehen, dass da auch nicht wirklich was dran ist oder dass das Ganze, wie im oben geschilderten Fall von Hans-Joachim Schellenhuber, zumindest manipulativ verfasst wurde, um eine bestimmte Intention zu verfolgen.
Um das zu durchschauen, muss man im Grunde auch gar keine ausgewiesene Medienexpertise besitzen. Dass allerdings auch durchaus intelligente Menschen dieser Masche auf den Leim gehen, zeigt, mit welche harten Bandagen mittlerweile im öffentlichen Diskurs agiert wird. Und dass es zunehmend darum geht, Bestätigung der eigenen Ansichten zu finden, als sich tatsächlich argumentativ auszutauschen. Genau das wird leider von rechten Agitatoren ausgenutzt, und das auch noch recht gekonnt.
Hierin liegt bestimmt auch ein Grund für den immer deutlicher wahrnehmbaren Rechtsruck in immer mehr eigentlich liberalen Demokratien.
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