Die Schweizer CO2-Netto-Null bis 2050 ist technisch möglich. Aber die Erneuerbaren alleine werden nicht ausreichen. Es braucht dazu auch die CO2-Abscheidung im Untergrund. Und da fehlen die geologischen Voraussetzungen.
Wer heute in der Schweiz das Licht der Welt erblickt, soll sich 2050 als junger Erwachsener einer Umwelt erfreuen, die von keinerlei Klimagasen mehr belastet wird. Das sei technisch machbar, bedinge aber «koordinierte und umfassende Anpassungen in verschieden Bereichen, welche die ganze Gesellschaft betreffen», fassen die Autorinnen und Autoren des Schweizer Kompetenzzentrums für Energieforschung – Strombereitstellung ihre Erkenntnisse nach sieben Jahren Forschungsarbeit zusammen. Schon der Titel macht klar, worum es hauptsächlich geht: «Strombereitstellung im Jahr 2050». Denn die Energiezukunft ist, abgesehen von Holz, das für Heizzwecke verwendet wird, elektrisch, und die Energiezukunft ist klimaneutral, wenn dieser Strom aus erneuerbaren Quellen gewonnen wird. Und nachdem sämtliche fossile Energiequellen wegfallen sollen, wird es umso mehr Strom brauchen. Auf 30 bis 50 Prozent beziffern die Experten den zusätzlichen Strombedarf. Diese steigende Nachfrage wird primär vom Verkehr und Heizungen befördert. Und weil die Atomkraftwerke spätestens in den 2040er-Jahren wegfallen, muss auch der Atomstrom durch erneuerbare Energien ersetzt werden. Insgesamt wird mit einer Verdoppelung erneuerbarer Energienutzung gerechnet. Photovoltaik soll es primär richten, die Nutzung der Sonnenenergie birgt mit einigem Abstand das grösste Potenzial, allerdings nur dann, wenn gleichzeitig Massnahmen getroffen werden, um deren Nachteile auszugleichen. Die Mittagsspitzen im Sommer müssen mit Stromspeichern gebrochen werden, und im Winter wird es vor allem in den Bergen Photovoltaikanlagen brauchen, um ausreichen Strom zu produzieren. Für eine bessere Bewältigung der ungleichmässigen Stromproduktion sei es aber entscheidend, die Potenziale von Wind, Wasserkraft, Biomasse und Geothermie besser zu nutzen. So lässt sich die überschüssige Energie aus der Photovoltaik in Batterien speichern, für Pumpspeicherkraftwerke nutzen oder in Wärme und Wasserstoff umwandeln. Das dürfte, weil eine Förderung aller erneuerbaren Energien unabdingbar sei, eine Verteuerung der Energiekosten mit sich bringen – und die Bereitschaft der Bevölkerung, auch in der unmittelbaren Umgebung den Bau von Anlagen zu unterstützen. Insgesamt liessen sich die «gesetzten Klimaziele nur erreichen, wenn rasch umfassende Änderungen am Gesamtsystem vorgenommen werden.»
Danach sieht es nach der jüngsten Ablehnung des CO2-Gesetzes, das so etwas wie den Startschuss in diese Energiezukunft gebracht hätte, nicht aus. Dabei ist die Herausforderung noch um einiges komplexer als bislang gerade in der Politik oft angenommen. So ist das Ausbaupotenzial der mit Abstand wichtigsten erneuerbaren Energiequelle, der Wasserkraft, stark eingeschränkt durch Umweltauflagen und der mangelnden gesellschaftlichen Akzeptanz. Diskutiert werden müsse über die Effizienzsteigerung bestehender Anlagen, die Erhöhung von Staumauern und auch im Zuge der Gletscherschmelze den Bau von neuen Stauseen. Und die Zeit drängt: 15 und mehr Jahre ziehen ins Land, bis solche Projekte realisiert sind. Nicht herumkommen wird man trotz Rückschlägen in Basel und St. Gallen um die Geothermie. Hier hat man dazugelernt. Statt in grosser Tiefe bis fünf Kilometer zu bohren, was erhebliche Erdbebengefahr mit sich bringt, soll nun nicht tiefer als drei Kilometer in den Erdmantel eingedrungen werden. Das Potenzial für die Wärmegewinnung sei beträchtlich. Weniger gut sieht es für die CO2-Abscheidung aus, die die Experten für unabdingbar erachten, etwa, wenn zumindest vorübergehend Gaskraftwerke eingesetzt werden müssen, aber auch bei der Nutzung von Biomasse. Das Speicherpotenzial erweist sich laut neueren Forschungsergebnissen als weit geringer als bislang angenommen. Es sei deshalb schon heute zu prüfen, ob es Alternativen im Ausland gebe. Diese seien «unabdingbar für das Erreichen des Netto-Null-Ziels».