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11. Wenn ich groß bin, möchte ich…!
Was uns allen hier als Kindertraum „Feuerwehrmann“ oder „Popsängerin“ mehr als bekannt ist, lässt sich auch auf Krisen wie eine Pandemie übertragen. Seit die Pandemie ausbrach, haben wir, haben die Kinder viele Dinge entbehren müssen, Vieles ging nicht, wurde abgesagt, ausgesetzt. Manche Pläne konnten nicht umgesetzt werden, Auslandsaufenthalte und Schüleraustausche konnten nicht stattfinden, Fahrten wurden abgesagt etc. Im Laufe der Monate veränderte sich das, manches wurde wieder möglich, lief vorsichtig an. Aber es bleibt ein Leben mit angezogener Handbremse und unter ständiger Beobachtung der Lage und aktuell auch in der Erwartung, dass wir doch nochmal eine Zeit herunterfahren müssen.
Denken Sie weiter als bis zum nächsten Monat. Überlegen Sie mit Ihrer Familie, was Sie „nach der Pandemie“ machen wollen. Irgendwann wird diese Zeit der unkalkulierbaren Beschränkungen und Jojo-Maßnahmen enden, sie wird auslaufen, sich verlangsamen, sich vereinfachen. Planen Sie: Wo wollen Sie als Erstes hinfahren, wo sie so lange nicht hin konnten? Wen wollen Sie als Erstes besuchen, den Sie so lange nicht sehen konnten? Wo gehen Sie endlich wieder hin? Welches Konzert, welches Sportereignis? Welche Party, welches Fest? Die Dinge werden wiederkommen, die Weihnachtsfeier, der Auslandsaufenthalt, die Kellerparty, die Karnevalssitzung... Rechnen Sie damit und fangen Sie an zu träumen. Beschränken Sie sich bei diesen Träumen nicht (bei dem, was Sie vor der Pandemie taten und jetzt vermissen), das ist auch gar nicht nötig. Alles ist in der Fantasie erlaubt, nichts ist zu teuer oder zu weit weg, nichts zu schwer oder zu groß: „Ich wollte schon immer mal...“ ist jetzt der Leitsatz. Horchen Sie mal in sich hinein, was dieser Satz bewirkt, egal, ob die Sache letztlich realisierbar ist oder nicht. Allein die Vorstellung verändert unser Empfinden und lässt uns in unsere Pandemierealität einbeziehen, dass das JETZT nicht ein IMMER ist. Solche Pläne haben einen motivierenden Effekt, sie machen unseren Blick hell, sie stärken Hoffnung und Durchhaltevermögen. Blättern Sie in Prospekten (wir bekommen mehr in den Briefkasten, als uns lieb ist - jetzt kann man sie gut gebrauchen), surfen Sie im Internet, malen Sie sich mit den Kindern aus, was Sie alles machen können.
Nutzen Sie diese Methode auch für Dinge, die nie für sie in Frage kommen: suchen Sie doch mal ein Portal, auf dem man Inseln kaufen kann. Das gibt es wirklich, man kann Inseln kaufen. Schauen Sie sich gemeinsam an, wie diese Inseln aussehen, welche Ihnen gefallen würde, was die eine der anderen vorziehbar macht. Überlegen Sie gemeinsam, was Sie auf dieser Insel machen würden, wenn Sie Ihnen gehörte.
Recherchieren Sie nach „Urlaub im Weltall“ - es gibt erste exklusive Ideen, so etwas durchzuführen. Schauen Sie sich Bilder an, schmieden Sie Pläne, wohin Sie eine Reise ins All gerne unternehmen möchten. Was würden Sie auf dem ausgewählten Planeten machen, was erwarten Sie dort?
Eine ganz einfache Möglichkeit ergibt sich im Schulatlas, den jedes Kind zu Hause hat. Vielleicht kennen Sie das selbst noch - als Kind mit dem Finger auf der Landkarte auf Reisen gehen. Suchen Sie sich den Kontinent/das Land aus, was Sie am meisten interessiert, wo wollten Sie Ihr ganzes Leben schon hin und haben das nie gemacht? Wo können Sie sich überhaupt nicht vorstellen, hinzufahren? Wo spielt Ihre Lieblingsserie? Wo wurde der Lieblingsfilm der Kinder gedreht? „Reisen“ Sie dorthin. Schauen Sie sich (im Atlas) die Umgebung an, wo sind Sie überhaupt? Lesen Sie nach über Klima, Geschichte, Vegetation, Kultur… Ermitteln Sie Reisewege, Flug oder Bahn, Länge, Zwischenstopps etc.
Was Sie von all dem dann später wirklich realisieren (können), steht jetzt nicht zur Debatte. Jetzt gilt es, Pläne zu machen und zu träumen, ohne Grenzen, ohne "Einschränkungen" – später gilt es, zu sehen, was man umsetzen kann und was ein Wunschtraum, eine Fiktion bleiben wird.
Schreiben Sie einen fiktiven „Reisebericht“ über Ihre Reise im Atlas oder ins Weltall, drehen Sie ein Video, werden Sie Popstar (machen Sie einen Gesangswettbewerb zu Hause) oder Schriftsteller (schreiben Sie einen "Familien"-Roman).
Solche Aktivitäten – so verrückt sie klingen mögen – bewirken mehrere Dinge: Sie wechseln die Perspektive, Sie erweitern Ihre Vorstellungskraft, Sie weichen von der belasteten Situation ab, „lenken“ sich ab, Sie richten den Blick in die Zukunft und in ungeahnte Möglichkeiten. Sie machen sich „frei“ von Beschränkungen und Defiziten.
In einigen Jahren werden solche Dinge Teil Ihrer Lebens-/Familienerinnerungen sein, gerade auch mit den Kindern. Diese Sichtweise habe ich vor allem aus vielen Gesprächen mit der "älteren" Generation - denen, die Krieg und Nachkriegszeit erlebt haben mit jahrelangen Entbehrungen und Grausamkeiten, die ganz andere Auswirkungen als unsere Pandemiesorgen jenseits von Leid und Tod (!) haben (werden). Ich erfuhr, wie Familien, wie in diesen Zeiten v.a. Mütter es versuchten (und geschafft) haben, ihren Kindern trotz furchtbarster Erlebnisse Momente einer "schönen" Kindheit zu verschaffen, ein Geschenk zu Weihnachten zu ergattern, ein Löffelchen Zucker irgendwo zu erhandeln, eine Situation der familiären Zuwendung und Stabilität zu schaffen, wenn die Welt rundherum zusammenbrach und in der Nachkriegszeit zwar die Lebensbedrohung weitgehend endete, aber die Not nicht im Mindesten. Der Blick auf das Zukünftige, auf das man sich konzentriert, wenn das Gegenwärtige kaum aushaltbar und nicht veränderbar ist. Diese Gedanken einer schwer traumatisierten Generation haben mich beeindruckt und ich fragte mich, was wir daraus übernehmen können in diese ebenfalls globale Katastrophe, die doch so viel anders ist als der Krieg. Die Methoden der Krisenbewältigung in der Familie - auch wenn es intuitiv und ohne "akademischen" Überbau geschieht - sind dennoch die gleichen.
Was im Großen für längere Phasen ratsam ist, gelingt auch im Kleinen – auch eine Isolation/Quarantäne übersteht man leichter und konstruktiver, wenn Sie den Blick nicht nur auf die Beschränkungen und Sorgen richten, sondern auf die Zeit „danach“. Gleichzeitig spannt das einen Bogen zu schon Erlebtem vor der Pandemie. Sie können sich Erinnerungen und Erlebnisse erzählen, holen Sie Fotos hervor und tauchen Sie in Ihre Familienerinnerungen ein. Freuen Sie sich darauf, Vieles davon wieder machen zu können. Sie werden sehen, dass Ihre Stimmung und die der Kinder sich aufhellt. Und vielleicht, vielleicht realisieren Sie doch später einmal einen der Träume, eine der Reisen, eine der Ideen, die Sie in der Pandemie, im Lockdown, in der Quarantäne hatten. Dann werden Sie sagen… weißt du noch, wir hätten nicht gedacht, dass wir das jemals machen. Und ohne die Pandemie wären wir auch nie auf die Idee gekommen.
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