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22. Türchen: Wenn nichts mehr geht…

Das Leben bringt manche Menschen an den Rand der Belastbarkeit und Eltern und Kinder geraten in familiäre Situationen, die für alle Familienmitglieder schädlich werden können. Ganz vereinfacht gesagt ist unsere Belastbarkeit wie ein Topf, der durch Stress, Streit und Belastungen mal langsamer, mal schneller voll läuft. Haben Familien keinen „Ablaufhahn“ bzw. Ausgleichs- und Bewältigungsmöglichkeiten, kann dieser Topf überlaufen. Das sind dann die Situationen, die eskalieren können. Sie flippen aus. Das Kind tobt und knallt die Tür. Es fliegen Sachen. Es rutscht die Hand aus…

Die Pandemie hat solche Belastungssituationen verschärft und Familien in besonderer Weise gefordert. Je mehr Resilienz und Krisenkompetenzen eine Familie hat, die sie aktivieren oder ausbauen kann, umso besser kommt sie durch diese lange belastende Zeit. Unser Adventskalender hat in bislang über 20 Türchen viele Aspekte beleuchtet, zu entlastenden Perspektivwechseln ermutigt und Möglichkeiten beschrieben, die den Stresstopf ablaufen lassen können – kurzfristig, aber auch nachhaltig.

Aber was machen Sie, wenn nichts mehr geht? Wenn die Kraft aufgebraucht ist, wenn die Fetzen drohen zu fliegen oder wenn es schon geknallt hat?

Es ist sehr anstrengend, in solchen Situationen, die emotional völlig entkräftend sind, zu handeln, hat man doch keine Vorstellung davon, was damit ausgelöst würde, was sich verändern würde. Man hat nur den Wunsch, dass das, was man gerade erlebt, aufhört.

Dabei ist es sehr wichtig, solche Situationen aufzubrechen und zu dem Punkt zu kommen: SO kann es nicht weitergehen. Wir schaffen das nicht und alle nehmen Schaden.

Es gibt in Deutschland eine große Zahl an Möglichkeiten, sich Hilfe zu holen. Ich will hier einige vorstellen. Aber fangen wir ganz klein an. Wenn Sie nicht mehr weiterwissen: rufen Sie einen Vertrauten an – einen Verwandten, eine Freundin, die Nachbarin. Sprechen Sie über Ihre Not, fragen Sie nach Rat und Hilfe. Bei kleineren Problemen, die zunächst keiner institutionellen Hilfe bedürfen, kann hier schon Entlastung erfahren werden. Über die Belastungen reden, Verständnis erleben – das lässt uns erfahren, dass wir nicht allein stehen. Manchmal gibt es auch hilfreichen Rat.

Machen Sie danach einen Spaziergang (oder gehen Sie zusammen spazieren). Luft, Natur, Bewegung – das ordnet die Gedanken und baut Stresshormone im Körper ab – wir können ein wenig der Stress-Suppe aus unserem übervollen Topf ablassen.

Brauchen Sie mehr oder andere Hilfe oder möchten Sie lieber erstmal anonym bleiben, so bieten sich eine Vielzahl an Möglichkeiten – vom einfachen Gespräch (oder ganz neu – Whatsapp-Chat s.u.) bis zu aktiver Hilfe, um Situationen zu entlasten und Menschen zu schützen.

Das Allerwichtigste: scheuen Sie sich nicht, Hilfe zu suchen. Sie brauchen kein schlechtes Gewissen zu haben, Sie machen nichts falsch und Sie haben ein Recht darauf, in Not Hilfe zu bekommen. Sie, Ihre Familie, Ihre Kinder. Der erste Schritt ist der schwierigste, ist er doch verknüpft mit dem Gefühl, versagt zu haben, schlechte Eltern zu sein, den Anforderungen nicht gewachsen zu sein – das belastet zusätzlich und macht traurig und wütend.

Seien Sie gewiss – keine der Beratungsstellen wird Ihnen Vorwürfe machen. Man wird Ihnen zuhören, man wird Ihnen Rat geben und helfen.

Die folgenden Ansprechpartner sind eine Auswahl – falls Sie selbst suchen wollen, finden Sie viele andere. Aber nicht jeder kann in der konkreten Situation selbst suchen, eine Liste wie die hier aufgeführte, auf dem Schreibtisch griffbereit, entlastet für den ersten Schritt. Trauen Sie sich!

Das „Familienportal“ des Bundesministeriumsfür Familie, Senioren, Frauen und Jugend bietet eine umfangreiche Sammlung der wichtigsten seriösen Ansprechpartner zu unterschiedlichsten Themen. Mit dem Link kommen Sie sofort auf die Seite mit Beratungsangeboten für Familien.

https://familienportal.de/familienportal/lebenslagen/krise-und-konflikt/hilfe-beratung-familien

Die Pandemie hat auch unsere bisherigen Hilfsmöglichkeiten vor schwierige Situationen gestellt. In den Phasen der Kontaktbeschränkungen sind Menschen mehr auf digitale Angebote angewiesen. Diesen Bedarf haben die Entwickler des Krisenchat erkannt und ein niederschwelliges, einfaches Beratungsangebot für Kinder und Jugendliche geschaffen. Hier findet man schnell Hilfe und Beratung - per Whatsapp-Chat.

https://krisenchat.de/

Die „Nummer gegen Kummer“ kann man jederzeit anrufen und ein offenes Ohr, Beratung und Hilfe  finden. Es gibt eine Telefonnummer für Kinder und Jugendliche – dort sitzen besonders für diese Altersklasse geschulte Ansprechpartner und ein Elterntelefon.

https://www.nummergegenkummer.de/ Kindertelefon 116 111 Elterntelefon 0800 1110550

Wer Hilfe bei Missbrauch oder Missbrauchsverdacht braucht, findet hier ein Hilfetelefon

https://www.hilfe-portal-missbrauch.de/startseite Telefon 0800 2255530

Speziell für Frauen und Mädchen gibt es das Hilfetelefon. Hier findet man kompetente und einfühlsame Ansprechpartner.

https://www.hilfetelefon.de/ Telefon 0800116016

Das Projekt „Pausentaste“ bietet Kindern und Jugendlichen, die sich um Angehörige kümmern müssen, Beratung und Hilfe. Das kann für Minderjährige auch in der Pandemie wichtig sein, wenn die Eltern infiziert, erkrankt und vorübergehend nicht in der Lage sind, die Familie zu versorgen.

https://www.pausentaste.de/ Telefon 116111

Die Telefonseelsorge der beiden großen Konfessionen ist eine der ältesten Einrichtungen. Wer ein Gespräch braucht und nicht mehr weiter weiß, findet hier – auf Wunsch auch anonym – einen Gesprächspartner, der bei Bedarf auch weiterhelfen und weitervermitteln kann.

https://www.telefonseelsorge.de/ Telefon 0800 1110111 oder 0800 1110222

In ganz Deutschland gibt es Kinderschutzzentren. Hier finden Sie eine Suchmaske, in der Sie über Ihre Postleitzahl erfahren, wo der nächste Ansprechpartner ist.

https://www.kinderschutz-zentren.org/zentren-vor-ort

Ebenso sind die Frauenhäuser in Deutschland koordiniert. Hier finden Sie schnell, wo bei Bedarf die nächste Anlaufstelle ist.

https://www.frauenhauskoordinierung.de/

Auf dieser Seite sind etwa 200 Frauennotrufe und Frauenberatungsstellen gesammelt und deren Erreichbarkeit zur Verfügung gestellt. Man findet schnell, wo der/die nächste Ansprechpartner:in ist.

https://www.frauen-gegen-gewalt.de/de/hilfe-beratung.html

Unter der Suchmaske des Familienportals können Sie über Ihre Postleitzahl das örtliche Jugendamt herausfinden. Dort gibt es weitere Ansprechpartner.

https://familienportal.de/familienportal/125008!zip-search?state=H4sIAAAAAAAAADWMMQ7CMBAEv4K2dgGtWxB1Cj5wcjYQyfjE3blAUf4eC4luZrTaDbME76Zv5NZrTT9_6N8WKQxH3vaE1xo-0SZ5EvlyTvh02hcZSHC1GORFjaeZXkbrzts4u2rzMFnbGCxSnfsBtDKGA3UAAAA%3D&service=20041101&query=

Wenn Sie oder Ihre Familie in akuter Not sind, scheuen Sie sich nicht, die Polizei zu rufen. Auch hier finden Sie Hilfe und werden an passende Angebote weitervermittelt.

Polizeinotruf Telefon 110

Das Wichtigste, wenn Sie Hilfe brauchen: trauen Sie sich. Der erste Schritt ist der schwerste, weil Sie ihn allein gehen müssen. Alle weiteren Schritte gehen Sie an der Hand derjenigen, die sie angerufen haben.

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