Die Schweizer Energiewende ist arg ins Stocken geraten. Ausgerechnet jetzt zettelt die Rechte eine Diskussion an, das AKW-Neubauverbot aufzuheben und torpediert zugleich den Ausbau der neuen erneuerbaren Energien.
Ein Verbot für neue AKW, die Förderung erneuerbarer Energien und eine Senkung des Energieverbrauchs. Das war in der Schweiz vor knapp fünf Jahren beschlossene Sache, als 58,2 Prozent der Stimmenden ein Ja zum Energiegesetz in die Urne gelegt hatten. Doch in die Gänge kam die Schweizer Energiewende nicht. Es geschieht nicht nichts, aber viel zuwenig, um das Netto-Null-Ziel, also die Klimaneutralität, bis 2050 zu erreichen. Der Bundesrat schlägt neuerdings vor, dieses Ziel in die Verfassung zu schreiben und greift damit den Vorschlag der Gletscher-Initiative auf, die ein Volksbegehren eingereicht hat. Im vergangenen Sommer wurde das CO2-Gesetz, das sehr moderate CO2-Steuern auf Sprit, eine Flugverkehrsabgabe sowie die Schaffung eines Klimafonds vorgesehen hatte, in der Volksabstimmung verworfen. Nun wird von rechts auch an den Säulen des Energiegesetzes, das revidiert werden soll, um die Energiewende zu beschleunigen, gesägt. Das AKW-Verbot müsse fallen, forderte die Führung der rechtsliberalen Freisinnigen Partei FDP und setzte sich damit ins Boot mit der rechtsbürgerlichen Schweizerischen Volkspartei. Aufgeweicht werden soll auch der im Energiesetz enthaltene Passus, wonach die bestehenden AKW solange weiterlaufen dürfen, als dass sie sicher sind. Damit, so der SVP-Energiepolitiker Christian Imark in einem Interview, würde die Entscheidung zum Abstellen den Betreibern aufgebürdet, nach den Vorgaben der Nuklearaufsichtsbehörde ENSI. Es stelle sich die Frage, wer investiere, wenn die Betreiber nicht mehr dazu bereit seien. Man könnte es auch direkter ausdrücken: Der Staat soll mit Subventionen einspringen. Dabei hatte Imark stets zu den Politikern gezählt, die die angeblich viel zu hohen Kosten der Energiewende für die Bevölkerung an den Pranger gestellt hatten. Stattdessen spricht er, und mit ihm viele Politiker aus dem rechten Lager, sowohl der Photovoltaik als auch der Windkraft pauschal das Potenzial ab, zur Energiewende entscheidend beizutragen, neuerdings auch mit dem Argument, dass ab 2025 im Winter Stromlücken drohten. Er redet damit indirekt dem neuen Schweizer Isolationismus das Wort. Der Bundesrat hatte im letzten Jahr die Verhandlungen für ein Rahmenabkommen mit der Europäischen Union abgebrochen, zu dem auch die Erneuerung des Stromabkommens gezählt hätte, das den gegenseitigen Austausch von Elektrizität regelt. Und nachdem die EU im Stromsektor «EU-First» angekündigt hat, geht nun das Gespenst der Stromlücke um, das sich ideal eignet, um allerlei Teufel an die Wand zu malen und einer Strom-Autarkie das Wort zu reden, die so utopisch ist wie das Auffinden von Erdölquellen in der Alpenrepublik, ganz zu schweigen davon, dass der Vorschlag, den Neubau von AKW wieder zu erlauben, rein gar nichts zur Energiewende beitragen wird – dafür ist es viel zu spät. Dabei zeigen verschiedene Studien, dass der Umbau der Energiewirtschaft auch ohne AKW geht, mit einem konsequenten Ausbau verschiedener Energieträger. Alleine die Photovoltaik hätte das Zeug, die AKW zu ersetzen. Es wird teuer werden, keine Frage, und es wird ein Land brauchen, das am gleichen Strick zieht. Es bleibt der Eindruck, dass die Rechte den Ernst der Lage verkennt. Und so zerpflücken nicht etwa die Umweltverbände, sondern rechte Politiker wie der Schaffhauser Ständerat Hannes Germann als Präsident des Gemeindeverbandes den jüngsten Vorschlag des Bundesrates, die Verfahren für die Genehmigung von Wasser- und Windkraftanlagen zu verkürzen, insbesondere mit einer Straffung der Einsprachemöglichkeiten und einer nationalen Richtplanung für grosse Anlagen. Die drohende Stromlücke dürfe nicht als Anlass dienen, «die Gemeindeautonomie auszuhebeln und die Rechte von direkt betroffenen Menschen derart gravierend zu beschneiden.» Stattdessen lädt die SVP nun zu einer «schonungslosen Lageanalyse» an einem Gipfel, an dem alles, was Rang und Namen hat im bürgerlichen Lager eingeladen ist – nur keine Linken und Grünen. Das könnte schief gehen. Selbst die Freisinnige Partei, deren Spitze wieder AKW verlangt, hat sich grundsätzlich positiv geäussert zum jüngsten Vorschlag.